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Pat

Nachdenklich blicke ich auf die geschlossene Zimmertür. Malias Abgang hat mich nicht überrascht, aber doch ein Gefühl der Traurigkeit hinterlassen. Ich habe ihr wehgetan, habe sie verletzt, genau das, was ich nie wollte. Ich habe genau das getan, was ich schon bei Jo getan habe und langsam dämmert mir, dass die Vorwürfe meiner Frau mehr Berechtigung haben als mir lieb ist. Ich weiß aber auch nicht, wie ich etwas ändern soll, wie ich mich ändern soll. Ich sehe es ja jetzt schon, ich lege eine Pause ein, für Jo, für unsere Ehe und nach kurzer Zeit gehen wir getrennte Wege. Und jetzt mache ich mit meinem Ego den nächsten Menschen unglücklich. Jemanden, der es überhaupt nicht verdient hat, der mit diesem Spiel nichts zu tun hat. Malia war einfach zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort. Sie hat mein verletztes Ego gestreichelt und die richtigen Worte gefunden. Ich mag sie, ich mag sie wirklich sehr. Ich finde sie ist eine faszinierende und starke Persönlichkeit, auch wenn sie das wahrscheinlich niemals von sich behaupten würde. Aber mittlerweile kann ich dieses Kribbeln in meinem Bauch, das so plötzlich und unerwartet da war nicht mehr einordnen. Was ist es? Ist es der Reiz des Neuen und Verbotenen oder ist es Liebe? Aber sollte einen Liebe nicht umhauen? Dieses Gefühl von vollkommener Liebe, die einen einhüllt von den Füßen bis zu den Haarspitzen. Wenn man sich absolut geborgen und sicher fühlt, getragen und umarmt. Oder ist dieser Gedanke von Liebe nur ein verklärter Gedankenstreich, den man nie erreicht und der nur in meinem Kopf existiert? Als Teenie, als ich von Jo abgewiesen wurde, habe ich gelitten wie ein Hund. Für mich ist eine ganze Welt zusammengebrochen und ich habe nicht verstanden warum. Auch da war es schon existent, mein Ego. Wie kann man jemanden wie mich abweisen? Ich habe damals nicht nur um die verloren geglaubte Liebe geweint, sondern auch mein angekratzes Ego betrauert. Heute, viele Jahre später, habe ich gedacht, dass ich mit Zurückweisung besser zurechtkomme, aber anscheinend habe ich da falsch gedacht. Ich komme nicht besser damit zurecht, nur anders. Diese eine Frau, die der ich mein Herz geschenkt habe, kratzt wieder einmal an meinem Ego, weist mich erneut zurück und anstatt mich, wie damals als Teenager, in meinem Selbstmitleid zu suhlen, habe ich dieses Mal zum Gegenangriff gestartet. Musste mir und auch Jo beweisen, dass ich liebenswert bin, wollte ihr beweisen, dass ich auch ohne sie kann. Und Malia? Ich habe keine Ahnung welche Rolle sie in meinem Leben spielen soll. Selbst wenn sich die Beziehung zwischen Jo und mir nicht mehr kitten lässt bin ich mir grade wirklich unsicher, ob ich mich direkt in eine neue Beziehung stürzen soll oder ob ich mir eine Pause gönne. Auch um fair zu Malia zu sein. Um ganz sicher zu gehen, dass wir zwei wirklich eine Zukunft haben.

Mit etwas Wehmut beginne ich meine Klamotten in meine Reisetasche zu räumen, in ein paar Tagen hat mich mein normales Leben wieder, fernab von weiten Hoodies und bequemen Hosen, sondern in engen Jeans und top gestylt. Ich habe Pino schon gebeten für mich einen Friseurtermin zu vereinbaren, um mich von meiner Matte auf dem Kopf zu trennen. Und dann bin ich wieder zurück im Showgeschäft. Ich werde Irland vermissen, diese kleine Insel, die ich in den letzten Wochen so sehr lieben gelernt habe. Ich bin hier wirklich zur Ruhe gekommen, endlich einmal angekommen und ich weiß definitiv, dass dies nicht mein letzter Besuch gewesen ist. Im Nebenzimmer sammele ich alle Zettel zusammen, die hier noch herumfliegen, und verstaue meine Gitarre in ihrem Koffer. Mit Steve aus dem Studio habe ich soweit alles gesprochen, er mischt die Aufnahmen der letzten Tage ab und schickt sie mir dann zu, eventuell komme ich noch einmal für ein Wochenende her um dem ein oder anderen Song den letzten Schliff zu geben. Natürlich bin ich traurig, dass meine Studiozeit jetzt hier zu Ende geht aber es juckt in meinen Fingern endlich wieder auf die Bühne zu kommen, ich brauche sie einfach wie die Luft zum Atmen.

Ich zucke etwas zusammen, als ich sehe, wie sich die Tür langsam öffnet und Malia mit gesenktem Kopf hereinkommt. „Malia", setze ich an, doch als ich ihre geröteten Augen sehe verstumme ich. Ich gehe auf sie zu, doch sie weicht automatisch einige Schritt zurück, so dass die Lücke zwischen uns eher größer als kleiner wird. Ihr Blick ist weder anklagend, noch traurig, er ist einfach leer, sämtlicher Glanz ist verschwunden und nervös dreht sie die Schlüsselkarte zwischen ihren Händen.

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