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Pat

Noch leicht schlaftrunken schäle ich mich aus der Bettdecke. Noch ist es draußen dunkel, aber am Horizont lassen sich schon erste Rosa- und Orangetöne erahnen, bald wird die Sonne aufgehen, dann ist es Zeit aufzustehen, ein letztes Mal gemeinsam zu frühstücken und zum Flughafen aufzubrechen. Malia schläft noch seelenruhig, ihre roten Locken fallen in wirren Strähnen über ihren nackten Rücken und sie sieht sehr entspannt aus. Ich weiß nicht, ob es gut war letzte Nacht miteinander zu schlafen, es ist von ihr ausgegangen, ich habe mir nichts vorzuwerfen, ich habe sie zu nichts gezwungen. Im Gegenteil, ich habe sie mehrfach gefragt, ob sie sich wirklich sicher ist. Und doch habe ich die Befürchtung, dass ich Hoffnungen genährt habe, die ich nicht erfüllen kann. Mein schlechtes Gewissen ist im Laufe der Nacht durch meinen Körper gekrochen, ich habe das Gefühl Malia benutzt zu haben, nicht ehrlich zu ihr zu sein, habe die Angst, dass sie aus meinen Worten nur die herausfiltert, die sie hören möchte. Dass sie so viel Hoffnung in etwas setzt, das für mich ein fragiles Gebilde ist. Ihre Gefühle sind so viel stärker als meine, ihre Zuversicht in das was kommen kann ist so groß, die Möglichkeit, dass es mit uns beiden nicht klappt scheint in ihrer Welt nicht zu existieren. Sie hat so viel Liebe, mit der sie mich zu überschütten scheint und nimmt mir damit fast die Luft zum Atmen. Und genau das beunruhigt mich, ich will nicht überschüttet werden, ich will nicht eingeengt sein, ich brauche meine Freiheit, ich brauche jemanden der mir vertraut und bei dem ich ich sein kann. All das zweifele ich grade an, all das sehe ich nicht in unserer Zukunft und dieses Gefühl scheint mich zu erdrücken. Ich habe Angst, dass sie etwas in mir sieht, das ich nicht bin, dass sie mich glorifiziert und ich sie am Ende mit all meinen Ecken und Kanten enttäusche. Ich will ihr nicht wehtun und scheue daher die ehrlichen Worte, die sie verdient hätte. Ich halte hin, schiebe auf, vertage und mache es damit nicht einfacher, nicht für sie und nicht für mich.

Vorsichtig, um Malia nicht zu wecken, strecke ich meine Hand aus und angele mein Handy vom Nachttisch, ich möchte Jo zumindest vorwarnen, dass ich heute nach Hause komme, dann kann sie selbst entscheiden, ob sie da sein wird oder nicht. Ich werde sie nicht aus unserer Wohnung vertreiben, wenn, dann werde ich derjenige sein der geht, ich komme schon irgendwo unter. Zur not bei Pino oder Johannes, ja, das ist vielleicht keine schlechte Idee, die Einladung zu ihm und Ina nach Hamburg steht schon viel zu lange aus und viel mehr Entfernung kann ich zwischen mich, Jo und Malia kaum bringen.

Hallo Jo, ich komme bereits heute nach Hause, ich habe in den kommenden Tagen einige Termine Deutschland. Ich denke, ich werde am späten Vormittag da sein. Falls ich mir ein Hotelzimmer nehmen soll sag bitte Bescheid, ich könnte verstehen, wenn du mich nicht sehen willst."

Gebannt schaue ich auf den einen Haken, der dann zu zweien wird und nach wenigen Sekunden blau leuchtet, sie hat die Nachricht also gelesen. Meine Hände werden vor lauter Aufregung feucht und ich stehe so vorsichtig wie möglich auf, um Malia nicht zu wecken, eine gute Stunde hat sie noch bis zum Weckerklingeln und die gönne ich ihr. Ich schlüpfe in Jeans und Pulli und schiele immer wieder auf mein Handy, noch ist keine Nachricht eingetroffen. Im Bad putze ich mir die Zähne und fahre einmal schnell durch meine Haare, nachher am Flughafen werde ich mich eh mit Mütze und Sonnenbrille tarnen, da muss ich jetzt keine Zeit in irgendeine Frisur investieren. Ich zucke erschrocken zusammen, als das kleine Lämpchen zu blinken beginnt, sie hat geantwortet. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was mir lieber ist, auf sie zu treffen oder die Gewissheit zu haben, dass wir uns nicht sehen. Mit zitternden Fingern entsperre ich den Bildschirm, glotze auf die Nachricht und muss sie mehrmals lesen, bis ich wirklich verstehe, was dort steht.

„Okay, ich werde dort sein. Wir müssen reden, dringend, es ist viel passiert in den letzten Tagen. Ich freue mich auf dich. xo Jo

Sie will mich sehen, nicht nur dass, sie freut sich auf mich. Sie wird da sein und mit mir sprechen. Mein Herz klopft in einem wahnsinns Tempo gegen meine Brust und ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen, ein Teil von mir freut sich, Jo wiederzusehen, während der andere Teil Angst davor hat was sie besprechen möchte. Vielleicht will sie nur klären wer in der Wohnung bleibt. Dass sie mit mir sprechen möchte bedeutet nicht zwangsläufig ein Friedensangebot. Noch immer stehen viele unausgesprochene Dinge zwischen uns, ich habe mit einer anderen Frau geschlafen, ich habe sie betrogen, egal wie groß ihr Herz ist, das ist ein Riss, der sich nur schwer kitten lassen wird. Energisch schüttele ich den Kopf, was denke ich da nur? Das mit Jo und mir... In ihren Augen ist unsere Beziehung eine Sackgasse ohne Wendemöglichkeit, was mache ich mir überhaupt Gedanken über hätte, könnte, würde, ich sollte meine Energie bündeln und endlich nach vorne schauen. Ich packe meine letzten Dinge in meinen Kulturbeutel und gehe dann leise zurück ins Schafzimmer. Malia liegt noch im Bett, sieht mich allerdings mit offenen Augen an.

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