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Gequält lächelnd sehe ich das Spiegelbild an, das mir aus verquollenen Augen entgegenblickt. Viel Schlaf habe ich in der Nacht natürlich nicht mehr bekommen und mich jetzt endlich aus dem Bett gequält. Draußen ist es trotz fortgeschrittener Uhrzeit noch nicht richtig hell geworden, dicke Wolkenberge türmen sich am Himmel und der Regen wird vom Sturm gegen die Fensterscheiben gepeitscht. Ich fahre mir einmal durch die Haare um sie einigermaßen in Form zu bringen, was heute leider vergeblich ist. Seufzend lasse ich von meinen Haaren ab, heute kann ich damit definitiv keinen Blumentopf gewinnen. Ich klaube meinen klammen Klamotten vom Fußboden und werfe sie auf den Berg mit der Schmutzwäsche, sobald das Wetter es zulässt werde ich in den Waschsalon müssen. Das Klingeln meines Handys lässt mich zusammenzucken, suchend sehe ich mich um, es liegt auf der Kommode und vibriert vor sich hin.

„Hi Jo!", melde ich mich.

Sie quietscht erschrocken auf. „Oh Gott, wie siehst du denn aus?", ruft sie.

In kurzen Sätzen erkläre ich ihr, was letzte Nacht vorgefallen ist, von meinem kleinen Ausflug in die Sturmnacht, dem Gewitter, dem Regen.

„Bist du bescheuert? Bei dem Wetter raus zu den Klippen? Was wenn dir was passiert wäre? Was wenn du... Wenn du...", sie stockt und schüttelt traurig den Kopf.

Ich schlucke. „So weit habe ich gar nicht gedacht.", murmele ich schuldbewusst.

„Versprich mir bitte, dass du so einen Quatsch nicht noch einmal machst."

Ich will gerade etwas erwidern, als die Verbindung abbricht und Joelles Gesicht als Standbild auf dem Handybildschirm zurückbleibt. Zeitgleich beginnt das Licht zu flackern und der kleine Radiowecker auf dem Nachttisch geht aus. Klasse, das sieht schwer nach Stromausfall aus, kein Strom kein Telefon, kein WLan. „Wunderbar!", grolle ich und mache mich auf den Weg nach unten. Malia sitzt an einem der kleinen Tische und tippt wieder einmal auf ihrem Laptop herum, sie scheint noch nicht bemerkt zu haben, dass wir keinen Strom mehr haben. „Du solltest dir die Zeit am Laptop gut einteilen, der Strom ist weg."

Erschrocken schreit sie auf, sie scheint nicht bemerkt zu haben, dass ich den Raum betreten habe.

„Was?", fragt sie irritiert nach.

„Kein Strom. Vielleicht ist die Stromleitung beschädigt worden."

Entsetzt blickt sie zwischen mir und dem Laptop hin und her. „Aber ich muss arbeiten.", sagt sie und klingt tatsächlich etwas trotzig.

Ich zucke mit den Schultern. „Ich habe den Strom nicht abgestellt. Aber falls es dir entfallen ist, es gibt sowas wie Stift und Papier, damit kann man auch schreiben. Oder du meißelst es in Stein, dauert länger, hält dann aber für die Ewigkeit."

Fassungslos sieht sie mich an, ich erwarte einen bissigen Kommentar, aber der bleibt erstaunlicherweise aus.

Bevor ich mich meinem Frühstück widme gilt meine Aufmerksamkeit zunächst dem Kamin, ich habe die Befürchtung, dass es ziemlich bald empfindlich kalt hier drinnen werden wird. Nachdem das Feuer im Kamin knistert fülle ich mir meine Haferflocken in eine Schüssel, dann fällt mir ein, dass es ja keine warme Milch gibt. Seufzend schütte ich die Haferflocken zurück und nehme stattdessen Cornflakes. „Was schreibst du eigentlich die ganze Zeit? Deine Memoiren?", frage ich mit vollem Mund in Malias Richtung.

Ertappt sieht sie von ihrem Laptop auf, schüttelt dann den Kopf. „Quatsch! Ich... Ich schreibe ein Buch... Also... Ein Fachbuch, was total langweiliges."

Ich schmunzele, ich glaube ihr kein Wort, wenn sie schon so sehr beteuert, dass es etwas langweiliges ist muss es etwas spannendes sein oder peinliches. „Okay, ein Fachbuch also, worüber?"

Temptation IslandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt