Pat
Unsicher sehe ich in die Dunkelheit, dahin wo Malia liegt. Zu sagen, dass ihr Gefühlsausbruch mich nicht überrascht wäre gelogen gewesen. Vielleicht war ich zu sehr von mir selbst überzeugt, davon dass ich ihr mein Herz ausgeschüttet habe und sie dies dann ganz selbstverständlich auch bei mir macht. Ich würde ihr gerne vorschlagen nach draußen zu gehen, einen Spaziergang zu machen. Mir hilft es immer den Kopf in den Wind zu halten, die bösen Gedanken wegpusten zu lassen. Ich gehe zu unserem provisorischen Nachtlager und rufe leise ihren Namen, doch sie reagiert nicht. Ob sie wirklich schläft oder nur so tut weiß ich nicht, aber anscheinend will oder kann sie grade nicht mit mir sprechen. Seufzend überlege ich, was ich nun machen soll, ich bin definitiv wach, an Schlaf ist nicht mehr zu denken. Leise verlasse ich das Wohnzimmer und gehe in den ersten Stock um in meine Laufsachen zu schlüpfen. Draußen ist es noch stockfinster und ich bin froh um die Stirnlampe die ich in der Garderobe gefunden habe. Ich schlage meine normale Laufroute ein, jetzt in der Dunkelheit brauche ich keine Experimente, sondern vertraute Wege. Meine Füße bewegen sich zum Takt des Beats der durch meine Kopfhörer wummert und ich merke schon nach wenigen Minuten die Leichtigkeit die durch meinen Körper strömt. Beten und Laufen sind die beiden Dinge, die mich wirklich zur Ruhe bringen, Kopf aus und den Körper machen lassen. Meine Füße finden ihren Weg nahezu alleine, ich brauche nicht darüber nachzudenken, wo ich hin will. Doch nach kurzer Zeit kommen die Bilder der letzten Stunden zurück, der Streit mit Joelle tut mir leid, ich mag nicht streiten, ich möchte mit ihr in Frieden leben und lieben, denn trotz aller Zwistigkeiten weiß ich, dass ich sie liebe. Unwirsch schüttele ich den Kopf, ich will jetzt nicht an Jo denken, nicht an unseren Streit, nicht an das was mir bevorsteht, wenn ich zurück in München bin. Ich bin es gewohnt Entscheidungen zu treffen, auch wichtige Entscheidungen. Aber diese Entscheidung fällt mir so unheimlich schwer, weil es keinen Gewinner bei der Sache geben wird. Pest oder Cholera, diese beiden Optionen stehen für mich zur Auswahl. Endlich schiebt sich wieder der Rhythmus meiner Beine in meinen Kopf, tack, tack, tack, laufen, laufen, laufen. Ich habe keine Ahnung, wie spät es ist, ich weiß noch nicht mal genau, wo ich bin, nur dass sich irgendwo rechts neben mir der Abgrund befindet. Vor einigen Jahren wäre diese Konstellation gefährlich gewesen, ich, in mentaler Aufruhr und neben mir ein Abgrund, es wäre ein Leichtes aus Versehen vom Weg abzukommen und dem Ganzen ein Ende zu setzen. Damals ein verlockender Gedanke, heute etwas, das mir einen Schauer über den Rücken jagt. Ja, vielleicht wäre es leicht, sich vor der Verantwortung zu drücken, einfach weg sein, aufhören zu existieren, aber das ist nicht das, was mein Leben für mich bereithält. Ich habe in den letzten Jahren viele Lebensgeschichten, viele Schicksale gehört und bin überzeugt, dass der Mensch viel ertragen kann und irgendwie werden Joelle und ich aus unserem Tief herausfinden. Da ist sie schon wieder, hat sich wieder in meine Gedanken geschlichen, ich kann gar nichts dagegen tun. Bilder unseres Hochzeitstages schieben sich vor meine Augen und ich muss stehen bleiben. Sie war so hübsch und ich so aufgeregt. So viele Jahre hat es bis zu diesem Moment gedauert, so viel habe ich kämpfen müssen, bis sie mich endlich erhört hat. Auch in dem Punkt war sie anders als alle anderen Frauen, die ich kenne und kannte. Ich war es gewohnt mit dem Finger zu schnippsen und alle Frauen lagen mir zu Füßen. Ich musste mich nie anstrengen, ich war Paddy Kelly, Mädchenschwarm, bekannt, berühmt. Und dann war da sie. Joelle, Familienfreundin und eine Schönheit wie sie im Buche steht. Ich war als Teenager sofort fasziniert von ihr, von ihrem Aussehen, ihrer Klugheit, den Witzen die sie gemacht hat. Ich hing an ihren Lippen und habe mich laut Maite, wie ein absoluter Vollidiot benommen, nicht mehr Herr meiner Sinne, wie man dann als Teenager so ist. Die Gedanken an mein irres, hysterisches Lachen, wenn sie einen vermeintlichen Witz gemacht hat, ihre irritierten Blicke, Maites Augenrollen, lassen mich heute noch manchmal rot anlaufen. Sie muss mich für einen absoluten Trottel gehalten haben. Als ich ihr mit 15 meine tiefe und innige Liebe gestanden habe hat sie mich angeglotzt als hätte ich ihr Erstgeborenes eingefordert und mir dann mit einem Lächeln auf den Lippen erklärt, dass sie nicht mit mir zusammen sein will, weil sie mich nicht mit 100.000 kreischenden Teenagern teilen will. Und ich habe an ihren Lippen gehangen, jedes Wort eingesogen als wäre es eine wunderschöne Liebeserklärung und habe am Ende genickt. Ja, ich verstehe dich, das ist okay für mich. Ich weiß nicht, wie viele unglückliche Liebeslieder in den Wochen und Monaten danach entstanden sind. Ich war mir sicher, dass dieser Schmerz in meinem Inneren nie wieder vergehen würde, ich wollte nicht mehr essen, nicht mehr schlafen, ich wollte gar nichts mehr. Auch wenn Kathy mir immer wieder erklärt hat, dass dieser Zustand vorbeigehen würde, dass andere Frauen kommen würden, die mich interessieren, die ich toll finde, dass ich noch jung bin und die Richtige noch kommen wird, so war ich mir sicher, dass ich nie wieder glücklich werden würde. Was mein naives, verletztes Ich damals noch nicht wissen konnte, einige Jahrzehnte später würde ich tatsächlich mit dieser Frau vor dem Altar stehen und ihr meine ewige Treue schwören, in guten, wie ich schlechten Zeiten. Die guten Zeiten haben wir definitiv schon erlebt, uns geht es gut, wir haben ausreichend Geld, um das Leben zu führen das wir gerne führen wollen. Wir müssen uns um nichts Sorgen machen, wir können reisen, wohin wir wollen und wir haben uns. Vielleicht ist es jetzt an der Zeit, die schlechten Zeiten in Angriff zu nehmen.
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Temptation Island
FanfictionVier Wochen... Vier Wochen Zwangsurlaub für Malia, vier Wochen um das Land ihrer Vorfahren kennenzulernen, vier Wochen um sich ihrem neusten Projekt zu widmen. Was passiert wenn, wenn man sich aus seiner Komfortzone herauswagen muss, sich neuen Ding...