Kapitel 7.4: Todesspiel

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Eine Ratte huschte dicht vor Naels Nase vorbei. Die mörderischen Augen funkelten in dem schwachen Licht, das drahtige Fell war verklebt und der lange, kahle Schwanz schlängelte sich wie ein Geschwür über den verunreinigten Boden. Das Tier verschwand in der nächsten Zellen und wurde von der Dunkelheit verschluckt. In seinem Kopf dröhnte es. Das Trällern einer der Ritter drang dumpf an seine Ohren, als ob er Watte im Ohr hätte: »Eine traumhaft schöne Nacht, Gefangener Nummer drei!«

Drei - Die Zahl aus der Hölle.

Geburt, Leben und Tod.
Die Zahl, die jeden Menschen begleitete, einen nicht mehr losließ. Wie eine dürstende Zecke beraubte sie das lebenswichtige Blut.
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Die eine Zahl, die die Triquetta überschattete.

Es war immerdar die teuflische Drei, ob der Tod oder die gefürchtete Zukunft, das Fatum war Segen und Fluch gleichermaßen. Etliche Binsenweisheiten wie etwa memento mori, bedenke der Sterblichkeit, waren in aller Munde. Letztendlich konnte niemand wissen, wann und wo der Tod auf einen lauerte. Einer der Gründe, warum die Drei weit und breit für verflucht galt, als Omen des Infernos.

Nael seufzte, versuchte sich auf die Beine zu kämpfen - vergeblich. Seine Arme und Beine knickten einfach ein und er fiel wieder auf den verdreckten Boden. Er blieb liegen, regte sich kaum. Sein ganzer Körper schmerzte, obwohl er sich nicht erklären konnte woher. Lag es an dem Wissen, dass er bald sterben würde?

Je kürzer ein Mensch auf der Erde wandelte, desto reiner war seine Seele. Aber nur die Menschen, die selbst starben, wurden in Gottes Reich empfangen. Maoilias rief einen zu sich, wenn sie sicher war, dass derjenige auch des Lebens würdig gewesen war. Dann erst war die Seele frei. Dann erst war die Seele tantum beneficium, rein und gesegnet.

Aber Nael war noch nie wirklich abergläubisch gewesen, hatte oft nicht nachvollziehen können, warum die Menschen vor dem Klerus krochen, vor einer latenten Macht. Er zweifelte nicht die Existenz Maoilias oder gar Oslas an - keineswegs. Doch er teilte nicht die Auffassung, dass es sich bei dem Schwarzen Tod um eine Strafe Maoilias handelte. Warum sollte ein Gott, der obendrein ihnen bisher immer gut gesonnt war, ein Massensterben auslösen? War er deswegen hier? Wollte sein Fatum ihn zurechtweisen?

Für Nael gab es eine andere Erklärung. Das er sich mit dieser Meinung unbeliebt machen würde, war gewiss. Deshalb setzte er täglich eine Maske auf, die sein wahres Ich verborg, ihn formte wie es die Gesellschaft wünschte. Ein Heiler, der dem Klerus ergeben war. Ein Heiler, der nichts in Frage stellte. Reden war Silber, schweigen war Gold. Stillschweigen, dachte er. Das würde er bis in alle Ewigkeit.

In seinem Kopf brach ein turbulenter Sturm aus. Es donnerte, es blitzte. Nael wurde schummrig vor Augen. Das Flackern des Kerzenlichtes machte es nicht gerade besser. Immer wieder atmete er den Staub und Dreck der Zelle ein, jedoch fehlte ihm zum Husten die Kraft. Seine Kehle kratzte und war trocken. Sein Kopf schmerzte, es donnerte. Im Nu übermannte ihn die Schwäche und er gab sich der Schwärze hin.

Er kniete geduckt auf der erhöhten, hölzernen Tribüne, die den Mittelpunkt des Hofes bildete. Wie hunderte vor ihm hauchte er hier seine letzten Minuten seines unwürdigen Lebens aus. Die Hände waren ihm stramm auf den Rücken festgebunden worden, den Kopf hielt er gesenkt. Sein braunes Haar hing in zu beiden Seiten hinab und verbarg sein Gesicht. Er betrachtete das blutbesprenkelte Holz, dennoch nahm er die umherstehenden Schaulustigen wahr, dessen Blicke sich tief in sein Mark brannten.

Er hörte ihr Getuschel.
Er vernahm ihre Verachtung.
Er fühlte ihre Demütigung.

Selbst der Wind schien ihn zu verspotten... Du Narr! Warum hast du der Ioskas geholfen? Du kennst das Gesetz... Er schluckte, kämpfte mit den Träne. Doch er konnte sie nicht zurückhalten. Sie kullerten wie kleine Glasperlen über seine Wangen.

Sein Leben hätte anders verlaufen sollen. Warum war er nicht bei seinen Eltern geblieben? Er hätte seinem Vater helfen können. Er hätte ein Teil seines Landes erben können. Wie wäre sein Leben als Landesherr an der Seite seines älteren Bruders verlaufen?

Zu spät.

Er hatte sich von seiner Familie abgewandt und sein Fatum als Heiler versucht - wie töricht! Jetzt kniete er nieder, jeden Moment würde er enthauptet werden. Nur ein Schlag, dann würde er im Jenseits wandeln. Er würde seinem Vater nicht unter die Augen treten können. Er hatte versagt, schrecklich versagt.

Was würde seine Mutter bloß sagen? Sein Bruder oder gar Galahad? Er hatte ihnen so viel mitzuteilen, doch seine Worte würden immer unausgesprochen bleiben, sie fielen wie seine Tränen zu Boden und lösten sich im Nichts auf.

Mit schlotternden Knien würde er die Forte der Hölle betreten. Er würde von Angst erfüllt sein, wenn er des Teufels Halle betrat. Der Fürst der Finsternis würde ihn mit seinem diabolischen Grinsen auf den spröden Lippen willkommen heißen und seine Seele im Fegefeuer bluten lassen.

Dann war es soweit. Er spürte den Windhauch des immer näher kommenden Richtbeils.

Dies war das Leben von Nael Caradoc.



Und zusätzlich auch der letzte Teil vom vierten Kapitel. Um ehrlich zu sein fällt mir nichts ein, was ich hier schreiben soll. Ich hoffe einfach, dass euch das siebte Kapitel gefallen hat xD

Der Bund der RabenmaskenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt