2.1 | Fatale Begegnung

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12. Gesetz Elidors

Eine Ioska ist anhand ihres abscheulich roten Haares für das gewöhnliche Auge sichtbar. Jegliche Sichtung ist dem König zu melden. Hilfeleistung ist strengstens untersagt und wird mit harten Maßnahmen bestraft.

Peitschender Wind wehte ihr entgegen, als sie in die pechschwarze Nacht eintrat

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Peitschender Wind wehte ihr entgegen, als sie in die pechschwarze Nacht eintrat. Hinter ihr fiel die schwere Ebereschentür knatschend in die Angeln. Sie überlegte kurz, ob sie nicht doch besser umdrehen sollte, entschied sich dann letzten Endes für den Heimweg. Galahad konnte ihr nicht mehr helfen, er würde ihr niemals helfen.

Sie war bald eine tote Frau, verflucht von dem Gesetz des Königs. Der Heiler würde nicht lange zögern und Bescheid geben, dass Yoricks Schülerin rote Haare besaß. Warum hatte sie auch ausgerechnet heute nicht ihre rote Mähne mit Kohle gefärbt? Bald würden die Ritter kommen, sie zum König verschleppen, der ihr Todesurteil aussprach und sie am nächsten Tag hinrichten lassen würde. Und das alles nur weil sie rote Haare hatte, die Haare einer Hexe. Dabei war sie doch nur eine gewöhnliche Dame. Weder bildhübsch noch adlig.

Wäre sie eine Hexe, so würde sie es selbst wohl am ehesten wissen und wäre dies der Fall, würde sie keineswegs eine tödliche Krankheit heraufbeschwören, die unschuldigen Menschen das Leben kostete. Nein, sie würde sich an dem König rächen, der ihr Leben zur Hölle gemacht hatte. Sie würde alles dafür tun, um seine Leiche auf dem Boden zu sehen.

Die Glocken des Schlosses erklangen erneut. Den Grund für den Alarm wusste sie nicht, aber das hieß, dass alle Stadtbewohner ins Haus flüchteten. Sie hatte also freie Bahn und musste nicht auf andere achten. Länger vor der Tür des Heilers wollte sie nicht stehen bleiben, denn bald würden die Straßen nur von königlichen Rittern wimmeln. Deshalb setzte sie sich mit eiligen Tempo in Bewegung und hoffte, ihr Haus zu erreichen, bevor sie entdeckt wurde.

Die Windböen wurden mit jedem Wimpernschlag stärker, ein Sturm näherte sich. Sie hörte den Wind zwischen den Häusern pfeifen und an den hölzernen Fensterläden rascheln. Der Himmel war Wolken behangen und hatte eine bedrohliche Stimmung angenommen. Nur für eine kurze Zeit, an einer kleinen Stelle, gaben die Wolken die Sicht auf den strahlenden Vollmond frei, der alles mit einem silbrigen Schein überzog. Die nassen Steinwege funkelten im Mondlicht und verrieten jedermann, dass es erst vor kurzem geregnet hatte. Ein Schauer lief ihr bei diesem mysteriösen Anblick den Rücken hinab.

Bald erreichte sie eine lange Straße mit vielen abzweigenden Gassen, in denen dicht aneinandergereihte Häuser standen und einen starken Kontrast gegenüber Edato, dem Herzen Elidors, bildeten. Vertiefungen zierten die ohnehin schon unebene Straße und bösartig aussehende Ratten huschten in den dunklen Schlagschatten umher, der Wind pfiff weiterhin unerbittlich. Er zerrte und riss an ihrem olivgrünen Kleid und spielte mit ihrem Umhang, als wäre er ein Blatt im Wind. Der Gestank von Moder hing in der Luft und überdeckte den sonst angenehmen Duft der frischen Regennacht.

Die Fassaden der alten Fachwerkhäuser, die im Licht des Mondes hell und blank erstrahlten, offenbarten bei Tageslicht ihr wahres Aussehen: Der Putz war schmutzig, bröckelte teilweise schon ab, wodurch unzählige Risse entstanden. Die einzelnen Holzbalken der Fachwerkhäuser waren morsch und von den diversesten Tieren angefressen.

Einige Reetdächer der Häuser, an denen sie vorbei rannte, wiesen mal groß und mal etwas kleinere Löcher auf, andere Dächer wiederum schienen so alt, als würden sie jeden Moment einstürzen und das Haus samt Innenleben unter Schutt und Asche vergraben. Dieser Stadtteil nannte sich Dorcay, was soviel wie Drecksloch bedeutete. Hier gab es den größten Armut in Elidor, aber es war der schnellste Weg zu ihrem Haus.

Einige Minuten später, am Rand der schützenden Stadtmauer und hinter Dorcay, hatte das rothaarige Mädchen ihr abwärts gelegenes Haus in Vioma erreicht. Es war nicht sonderlich groß, aber der Platz reichte für zwei Personen. Das Haus war nicht so verwahrlost, dennoch hatte es über die Jahre lange und kurze, breite und mal tiefere Risse bekommen, die sich wie eine Landkarte abzeichneten und das Haus älter wirken ließen als es tatsächlich war.

Für die junge Dame gab es kein gemütlicheres Heim auf Erden. Jeder Riss erzählte eine andere Geschichte, sowie es beim Menschen die Falten taten. Es entstanden lange Geflechte, die sich bei genug Kreativität zu vielen, außergewöhnlichen Bildern formten. Oh ja, das Mädchen hatte genug Fantasie dafür. Für sie war ein Haus nicht bloß ein Haus, es war ein lebender, individueller Organismus mit eigenem Charakter und Seele.

Neben ihrem geliebten Haus befand sich die größere Werkstatt, in der Yorick Tag ein und Tag aus die ganzen Bücher Elidors druckte. Sie bestand aus schiefen, roten Ziegeln, die mit der Zeit durch den Ruß des Ofens grau geworden waren. Sie lief am Arbeitsraum vorbei bis zu der schweren Holztür, die sich mit einem langen Knatschen öffnete. Geschwind trat sie ein, verriegelte die Tür hinter sich und lehnte sich mit dem Rücken an.


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Wie ihr wahrscheinlich gemerkt habt, schreibe ich immer abwechselnd aus zwei Perspektiven. Einmal aus Naels (Kapitel 1) und jetzt aus Helenas (Kapitel 2). Mögt ihr das?

Und findet ihr, dass ich zu detailliert schreibe und die Handlung nicht voran kommt? Oder ist es so in Ordnung, dass ich am Anfang etwas mehr die unbekannte Umgebung beschreibe?

Der Bund der RabenmaskenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt