1.3 | Rot wie Feuer

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Ein leises Klopfen erklang.

Es war zögerlich, als stünde die Person gerade im Konflikt mit sich selbst. Ganz normal, dachte Nael. Erstens, brauchte derjenige dringend die Dienste eines Heilers, sonst würde er nicht mitten in der Nacht erscheinen. Und zweitens, wusste besagte Person nicht, ob sie Galahad um diese späte Stunde stören durfte. Erfahrungsgemäß musste es sich um eine kranke Person im engen Verhältnis handeln.

„Die Pflicht ruft. Jede Sekunde kann über Sieg oder Niederlage einer Krankheit entscheiden", sagte Galahad rasch.

Zweifelslos. Für ihn stand das Wohl seiner Klienten mit Ausschluss von zwei Ausnahmen über allem. Das eine Vorrecht oblag dem König Elidors samt seinen Gesetzen, das andere der Göttin Maoilios. Bekanntlich handelte es sich bei einem Zitat Maoilias um ein Gebot. An dieser Ansicht gab es nichts zu rütteln.

Für Nael war es belanglos. Der Glaube war ein zweischneidiges Schwert. Er stärkte und machte blind. Sollten die anderen Einwohner doch der Göttin für ihre früheren Taten danken und schätzen. Ihm war nicht daran gelegen, gegen den Aberglaube zu rebellieren. Keinesfalls durfte diese Meinung an fremde Ohren geraten. Sonst wäre er ein toter Mann, dessen Skandal weitaus langlebig sein würde. Ein Heilerlehrling, der nicht mit Maoilias in Verbindung stand, so, wie es von einem Mediziner erwartet wurde – Wo gab es denn sowas?

Galahad erhob sich vom Stuhl.

„Herein!", rief er.

Die Tür ging auf und fiel mit einem langgezogenen hohen Ton in die Angeln. Nael kniff seine Augen zusammen, um in dem fahlen Licht der an den Wänden hängenden Kerzen den Neuankömmling besser erkennen zu können. Es war eine junge Dame, was er an den schwungvollen Bewegungen und der betont femininen Kleidung ausmachte. Die zierliche Statur wurde von einem bodenlangen, olivgrünen Kleid betont, über das sie einen Umhang trug. Die Kapuze hatte sie tief übers Gesicht gezogen.

Höchst erstaunlich, wenn man bedachte, dass es gegenwärtig in Elidor für Frauen ohne männliches Geleit nicht sicher war. Gewiss nicht nachts. Die Nächte wurden von verstohlenen Gestalten ohne Gesetz und Regeln regiert und machten das Königreich unsicher. Räuber, Diebe, Banditen. Doch die weitaus größere Gefahr bestand in der großen Hexenverfolgung, die sogenannte Ioskad. Seit der Schwarze Tod ausgebrochen und der König der Ansicht war, dass Hexerei im Spiel sei, ließ er wöchentlich Frauen hinrichten.

Der Blick der Frau schweifte flüchtig durch den Raum, striff kurz dem seinen. Dann wandte sie sich Galahad zu, der das Wort erhob: „Nun, was führt Sie zu solch später Stunde zu uns? Wie kann ich Ihnen meine Künste zugutekommen lassen, junges Fräulein?"

Kaum merklich schien sie zurückzuweichen, gleichwohl sie ihren Kopf hob. Dabei fiel etwas Kerzenlicht unter ihre Kapuze und zeigte blasse Haut und weiche Gesichtszüge. Nur die Haare waren weiterhin verborgen. Vielleicht zu einem engen Knoten gesteckt.

Sie schien noch etwas zu zögern, bis sie letztlich sprach: „Verzeihen Sie bitte mein Erscheinen zu derartiger Stunde, jedoch würde ich Ihre Zeit nicht in Anspruch nehmen, wenn es nicht von größten Nöten wäre, Sir."

Trotz einer leichten Spur von Sorge, erschien ihre Stimme zart und leicht, als würde jemand das wunderbarste, melodischste Lied auf einer klangvollen Harfe spielen. Sie hatte eine beruhigende, gar magische Wirkung auf ihn und in seinem Kopf schwirrte die eine Frage: Wer war diese Fremde?

Der Heiler trat einen Schritt vor, die grauen Augen konzentriert auf die Dame gerichtet.

„Erfreulicherweise sind wir beide noch wach. Was begehrt Ihr Herz?"

„Es geht um meines Meisters Krankheit, die von Tag zu Tag schlimmer wird", sagte sie.

Galahad forderte sie auf, die Vorkommnisse genauestens zu beschreiben. Das gehörte zu seinem Vorgehen. Kurz überlegte die Frau.

Der Bund der RabenmaskenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt