Kapitel 2.2

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~Cleo

Am nächsten Tag fühlte ich mich wesentlich ausgeschlafener. Die Auszeit draußen hatte gut getan, ebenso wie die Tatsache, dass ich endlich mal wieder mehr als vier Stunden Schlaf erhalten hatte. Nicht einmal Dawson, der sich in der Mittagspause ungefragt an Chris' und meinen Tisch setzte, konnte meine Laune dämpfen. ,,Siehst besser aus, Rotschopf", sagte er, während er sich auf den Stuhl mir gegenüber fallen ließ. Daraufhin gab Chris' Fangirlfreundin, Hannah oder wie sie hieß, ein ungesund klingendes Röcheln von sich. Dawson allerdings schien es nicht zu merken, oder ignorierte es ganz einfach, denn er schob sich unbeeindruckt die Hälfte seines Burgers auf einmal in den Mund und kaute genüsslich. Wie konnte jemand, der so schlank war so verdammt viel essen? Vielleicht gehörte er zu diesen seltsamen Menschen, die freiwillig aus Spaß Sport trieben. Eigenartige Wesen.

,,Ich danke dir, Barcode", erwiderte ich und setzte ein Lächeln auf. Leider sah Dawson auch mit durcheinander gefallenen, schwarz-silber-gestreiften Haaren noch äußerst gut aus, aber das musste man ihm ja nicht auf die Nase binden. Er hatte ohnehin schon genug Ego. Mein Blick schweifte durch das Meer von essenden und sprechenden Schülern, ehe er schließlich an einem Tisch hängenblieb, an dem zwei Personen saßen. Zeke und Rev. Zeke saß mit dem Rücken zu mir, Rev allerdings konnte ich äußerst gut erkennen. Er war auch gar nicht zu übersehen. Mit seinen weißen Locken und dem violetten Hoodie, auf dem ein fahrradfahrendes Einhorn abgebildet war, fiel er auf wie ein bunter Hund. Als er merkte, dass ich ihn ansah, schenkte er mir ein bekifftes Lächeln und winkte mir zu. Ich winkte zurück und wandte meine Aufmerksamkeit anschließend wieder den Menschen an meinem Tisch zu. Normalerweise verbrachte ich die Pause meistens bei Rev und Zeke, aber heute hatte Chris mich gefragt, ob ich mich zu ihr setzen wollte. Bei dem Versuch, mich aus den Fängen der Rebellion zu retten, wäre sie beinahe gestorben und ich wusste nicht, wie ich ihr jemals genug dafür danken sollte.

,,Ein doofer Spitzname", beschwerte sich Dawson, ehe er sich die restliche Hälfte seines Burgers in den Mund schob.

,,Wie wär's mit Zebrastreifen?", schlug Chris grinsend vor. Ich wusste, dass sie Dawson insgeheim auch ziemlich toll fand, aber immerhin sabberte sie ihn im Gegensatz zu Fangirl-Hannah, die in diesem Moment aussah, als würde sie an einer akuten Nussallergie zugrunde gehen, nicht pausenlos an. Eigentlich sabberte sie ihn überhaupt nicht an. Sie hatte ihre eigene Art, Leuten zu zeigen, dass sie sie mochte.

,,Auch doof." Dawson richtete seinen Scheitel und machte sich über den zweiten Burger auf seinem Teller her. Unglaublich, was der Kerl alles essen konnte. Zudem lag auf seinem Teller noch ein dritter Burger, der gewiss nicht nur zur Dekoration diente.

,,Welches Training haben wir heute eigentlich?", erkundigte er sich. ,,Prügeln oder Elemente?" Ehrlich gesagt hatte ich keine Ahnung. Hoffentlich hatten wir heute Elementtraining, denn dieses war normalerweise mit mehr Einzeltraining und weniger Aufmerksamkeit verbunden. Jedenfalls ließen die Trainer im Normalfall nicht zu, dass wir uns gegenseitig abfackelten, Elemente wurden fast ausschließlich an Dummys trainiert.

,,Element", antwortete Chris. Den Göttern sei dank.

Als ich nach dem Mittagessen die Kantine verließ, lief ich Zeke und Rev über den Weg. ,,Hallo, mein Sonnenschein!" Begeistert stürzte Rev sich auf mich und zog mich in eine seiner typischen Rev-Umarmungen, die inoffiziell darauf ausgelegt waren, die Gedärme aus einem herauszuquetschen. Zeke neben ihm winkte mir zu, verzichtete allerdings auf die Umarmung. Umarmungen und Körperkontakt im Allgemeinen schienen nicht so sein Ding zu sein. ,,Hi Cleo", sagte er und schenkte mir ein kurzes Lächeln. Rev gab es unterdessen auf, meine Organe zu entsaften und löste sich von mir. ,,Hast du heute noch Unterricht?", erkundigte er sich.

,,Ja, leider", erwiderte ich.

,,Deine Aufmerksamkeit nach dem Unterricht gehört uns." Rev versuchte, streng zu gucken. ,,Wehe du gehst einfach wieder mit Seth weg." Weil ich das ja auch ständig tat. Es war schließlich allgemein bekannt, dass Seth und ich Beste-Freunde-für-immer-und-ewig waren und jede freie Minute zusammen hingen. Nicht. ,,Die Gefahr besteht nun wirklich nicht", erklärte ich müde lächelnd.

,,Da wäre ich mir nicht so sicher, Hexe." War es erlaubt, seine Freunde mit einer oskarreifen Windböe gegen die Wand zu befördern? Ich hätte gerade nicht übel Lust dazu. Stattdessen rammte ich Rev mit aller Kraft den Ellenbogen in die Seite und er krümmte sich. Vorwurfsvoll sah er mich an. ,,Aua."

,,Verdient." Grinsend hielt Zeke mir die Faust hin und ich schlug ein.

,,Ich hasse euch alle!", brummte Rev, schaffte es dabei allerdings nicht, das Lächeln aus seinem Gesicht zu wischen.

,,Sind das deine Freunde, Strafarbeit?" Ein gewisser schwarz-silberhaariger Halbgott stellte sich in diesem Moment neben mich und musterte Rev und Zeke prüfend. Rev tat es ihm gleich, starrte Dawson allerdings eine Spur zu intensiv an. Na großartig, fehlte nur noch, dass Rev sich ebenfalls dem Club der Dawson-Fangirls anschloss. ,,Ja, das sind sie. Im Gegensatz zu dir besitze ich nämlich welche", erwiderte ich. Gerade als Dawson etwas dazu sagen wollte, meldete sich Rev zu Wort. ,,Hi. Coole Haare." Ich hätte Rev unbedingt früher darüber aufklären sollen, dass man Dawson keine Komplimente machte. Prinzipiell nicht. Jemand, der so viel Ego hatte, brauchte nicht auch noch gebauchpinselt werden. Dawson lächelte breit und nickte Rev zu. ,,Danke, das gebe ich zurück." Wie gnädig. Ein Kompliment von Poseidons Sohn. Rev strahlte sein wunderschönstes Kiffer-Lächeln. War ja furchtbar. Ich schob mich an Dawson vorbei, packte Zeke am Arm und machte mich mit ihm vom Acker. Als wir draußen angekommen und Rev und Dawson außer Hörweite waren, grinste Zeke mich an. ,,Wolltest du dir nicht noch weiter die Entstehung von Dawsons und Revs Freundschaft ansehen?"

Ich schnaubte. ,,Pah, von wegen Freundschaft. Rev grinst diesen Vollidioten an, als hätte er schon ihr Hotelzimmer reserviert."

Zeke warf sich das Ende seines schwarzen Schals über die Schulter. ,,Scheint, als würden wir zur seltenen Gruppe von Menschen gehören, die Immun gegen den imaginären Charm von olympischen Halbgöttern sind."

,,Sollte ich jemals zu einer dieser hormongesteuerten Dumpfbacken mutieren musst du mich bitte umbringen. Am besten schmerzhaft." Zumindest dann, wenn ich anfangen würde, Dawson anzusabbern. Oder Seths Haare ein weiteres Mal mit flüssigem Gold verglich. Zeke lachte leise. ,,Ich fürchte, du musst dir jemand anderes suchen, der dich qualvoll umbringt." Vermutlich. Die Wahrscheinlichkeit, dass Zeke mich qualvoll umbringen würde, erschien mir nicht sehr hoch. Vielleicht sollte ich eher Seth fragen, der übernahm das sicherlich gerne. Zeke begleitete mich noch bis zum Wohnheim. ,,Mach's gut, Cleo", sagte er und klopfte mir auf die Schulter. ,,Versuche, niemanden mit Ästen abzuschießen, ja?"

Ich nickte grinsend. ,,Ich werde mein Bestes geben. Tschüss, Zeke."

,,Tschüss." Er drückte meine Schulter, dann drehte er sich um und lief davon. Jetzt würde wohl wieder der Ernst des Lebens beginnen. Ob Rev Dawson wohl mittlerweile schon wieder frei gegeben hatte? Ich würde es spätestens im Unterricht herausfinden. 

Nummer 13 - Todessohn IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt