Nummer 13 - Todessohn II

Kapitel 9.1

~Cleo

,,Nochmal für's Protokoll." Seths Blick schien mich zu durchbohren und machte mir einmal mehr bewusst, wie hirnrissig diese Idee gewesen war. Ich wollte mich jetzt schon im Boden vergraben. ,,Du willst, dass ich dich küsse, weil du eine arme, einsame Seele bist und wissen möchtest, wie sich das anfühlt?"

Ausgesprochen klang es noch schlimmer. Ich starrte konzentriert auf den Boden und merkte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg. ,,Richtig. Ich bin das unschuldige Mädchen und du der böse Bad Boy, der durch die Mädchenwohnheime zieht. Ich will nur wissen, was ich... davon halte." Tatsächlich eignete sich Seth hervorragend für dämliche Pläne dieser Art, da er seit dem Vasanistenüberfall in alte Muster verfallen war. Lange Zeit hatte er das Mädchenwohnheim uninteressant gefunden, aktuell war er aber wieder häufig dort anzutreffen.

,,Okay."

,,Okay?"

,,Okay, lass uns anfangen."

Ich runzelte die Stirn. ,,Einfach so? Jetzt gleich?"

Er gab einen verächtlichen Laut von sich. ,,Sollen wir uns vorher noch fünf Minuten romantisch in die Augen sehen?"

Ich verzog das Gesicht. ,,Bloß nicht."

Seth ließ einen Wirbel knacken. ,,Den Göttern sei Dank." Als er sich mir näherte, begann mein Puls wie verrückt zu hämmern. Was zur Hölle tat ich hier eigentlich? Was war aus der Cleo geworden, die immun gegen den Charme von Halbgöttern war und wann hatte ich entschieden, dass es eine gute Idee war, Seth zu küssen? Vermutlich starrte ich ihn gerade an wie ein verstörtes Kaninchen, denn er lachte leise. ,,Entspann dich, Hexe."

Er hatte leicht reden, für ihn war das hier vermutlich vollkommen alltäglich. Ich hingegen hatte immer noch das Gefühl, gleich zu hyperventilieren. Ich atmete hektisch ein und aus, als Seth seine Hand an meinen Hinterkopf legte und mich... küsste. Ich stand da, wie eine Marmorstatue. Es fühlte sich... seltsam an. Mir fuhr ein Schauer über den Rücken, nicht unbedingt einer der positiven Art. Zögernd hob ich den Arm und vergrub die Finger in Seths Haaren, weil sich das wohl so gehörte. Zumindest taten sie das immer in den Filmen. Waren Zungen eigentlich immer so nass? Sollte das so sein? Und sollte man das normalerweise gut finden? Ich wollte ihn von mir wegschieben, aber ich widerstand dem Bedürfnis. Stattdessen strich ich angespannt mit den Fingern durch die weichen Haarsträhnen an Seths Hinterkopf und versuchte mich damit irgendwie abzulenken von... was auch immer er da gerade tat. Flauschig. Sehr flauschig. Sie waren wieder etwas länger geworden, seit-

Seth löste sich von mir und zog die Augenbrauen hoch. ,,Also, ich habe noch nie eine Nacktschnecke geküsst, aber so in etwa stelle ich mir das vor."

Froh über den Abstand, atmete ich erleichtert aus. Und ein weiteres Mal. Dann dachte ich genauer über das Geschehene nach. Ich hatte das erste Mal in meinem Leben mit jemandem herumgeknutscht und das einzige, was ich dabei gefühlt hatte, war das Bedürfnis, ihn von mir wegzuschieben. Ich war mir unsicher, ob das der Sinn der Sache war. Ich räusperte mich. ,,Vielen Dank auch."

Seth strich sich mit der Hand durch die zerzausten Haare. ,,Im Ernst. Du fandst es furchtbar."

Darüber dachte ich einen kurzen Moment nach. Wenn ich ehrlich war, hatte ich nur gehofft, dass es endlich vorbei war. ,,Ich fand es furchtbar", bestätigte ich nickend. Ich blickte auf den Boden. Wenn mir das ganze nicht einmal mit Seth -der angeblich ja sehr gut in solchen Dingen war- zusagte, war ich dann einfach nicht der Typ für so etwas? Ich sah Seth an und es wunderte mich, dass ich das überhaupt noch konnte, ohne mich im Boden vergraben zu wollen. ,,Du bist eigentlich gut darin, oder?", hakte ich nach.

,,Ich bin gut darin." Er strich den Stoff seines T-Shirts glatt. ,,Schonmal darüber nachgedacht, dass du asexuell sein könntest?"

Irritiert sah ich ihn an. ,,Was ist das?"