Kapitel 7.2

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~Seth

Matt fiel. Durchbohrt von drei eisernen Dolchen. Mit einem Satz war ich bei ihm und fing ihn auf, bevor er auf dem Boden auftraf. Blut lief aus den Wunden. So viel Blut. Mein Herz pochte wie verrückt, während ich meinen besten Freund in den Armen hielt. Blutend und kraftlos. ,,Matt", sagte ich heiser. ,,Warum hast du das getan?" Er hustete, Blut rann aus seinen Mundwinkeln. Ich hielt seinen Körper schützend an mich. ,,Es... war ein... Vasanist", stieß er hervor. Er hatte mir das Leben gerettet. Mein Herz krampfte sich zusammen. ,,Halt durch, Kumpel." Mit zitternden Händen strich ich ihm eine verschwitzte Haarsträhne aus der Stirn und setzte mich in Bewegung. ,,Alles wird gut. Ich bringe dich zur Krankenstation, ja? Die machen dich wieder gesund. Alles wird gut." Matt wurde immer blasser. Ein weiteres Husten, noch mehr Blut. Es tränkte mein T-Shirt, meine Hände. Ich beschleunigte mein Tempo. ,,Ich muss dir was sagen." Matt schloss die Augen und öffnete sie mühsam wieder. ,,Ich liebe dich."

Ich zuckte zusammen, aber ich nahm nicht wahr, was er sagte. Ich starrte nur auf die blutenden Wunden, zitterte vor Angst um meinen besten Freund. ,,Ich liebe dich auch, Kumpel, aber vielleicht solltest du jetzt etwas weniger reden."

Ich setzte weiter konzentriert einen Fuß vor den anderen, wich den kämpfenden Leuten aus.

,,Nein, du... verstehst... nicht. Ich bin voll in dich verschossen. Schon seit... ich dich das erste Mal gesehen hab." Jetzt drangen seine Worte zu mir durch. Er... liebte mich. Ich hatte Witze drüber gemacht, es war mir von anderen Leuten gesagt worden, aber ich hatte es nie ernst genommen. Ich hatte es nie bemerkt.

,,Oh Matt", flüsterte ich. Ich fühlte mich so verdammt hilflos. Ich kam kaum vorwärts zwischen all den kämpfenden Körpern und Matt... er verlor immer mehr Blut. Etwas traf mich am Bein. Ich knickte ein, ein pochender Schmerz breitete sich in meinem Bein aus. Ich sank nach vorne, hielt Matt dabei aber so, dass ihm nichts passierte. ,,Erzähl mir doch sowas nicht", sagte ich verzweifelt. ,,Wir kriegen dich wieder gesund." Matt lächelte. Immer mehr Blut sickerte aus seinen Mundwinkeln. Ein heftiges Husten schüttelte ihn. ,,Es... tut mir leid."

,,Nein!" Verzweifelt versuchte ich mich wieder aufzurichten, aber mein Bein gehorchte nicht. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass Cat und Cleo neben uns zum Stehen kamen. Matts Haut wurde kälter. So verdammt kalt. Ein Schauer erfasste mich. ,,Matt, bitte. Halte durch." Mein Kopf ruckte hektisch herum. ,,Ihr müsst ihn auf die Krankenstation bringen", sagte ich flehend zu Cat und Cleo. ,,Ihr müsst..."

,,Seth..." Cat legte ihre Hand auf meine Schulter. Ich beachtete sie nicht. Meine Gedanken drehten sich allein um Matt. Seine Augen fielen zu. ,,Nein", flüsterte ich und zerzauste ihm liebevoll das blutverklebte Haar. ,,Bitte verlass mich nicht." Mühsam hob er die Augenlieder. Tränen standen in seinen Augen. Aber er zog die Mundwinkel hoch. Ganz langsam. Als ob alles wieder gut werden würde. ,,Seth?"

,,Ja?" Ich senkte den Kopf und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn. Ich wollte ihm zeigen, dass ich ihn auch lieb hatte. Wie scheiße wichtig er mir war.

,,Du... bist wunderschön. Aber mit langen Haaren hast du... mir besser gefallen." Unter anderen Umständen hätte ich jetzt vielleicht gelächelt, aber ich... ich konnte es nicht. Ein letztes Mal spürte ich das zaghafte Heben seiner Brust, dann war da nichts mehr. Der Blick aus seinen türkisblauen Augen wurde starr und leer. Mein Verstand weigerte sich zu verarbeiten, was gerade geschehen war. Ich schüttelte ihn sanft. ,,Matt?" Ich rüttelte heftiger. ,,Matt!" Aber er reagierte nicht. Würde es nie mehr tun. In mir zerriss etwas. Die Erkenntnis bohrte sich wie ein Dolch in mein Herz. Ich rang nach Luft, doch kein Sauerstoff füllte meine Lungen. Meine Finger krallten sich in den leblosen Körper. ,,Nein." Verzweiflung. Hilflosigkeit. So viel Schmerz. ,,Nein!" Ich konnte nichts tun. Ich... ich konnte nichts mehr tun. Meine Hände zitterten, als ich ihm die Augen schloss. Mein Herz krampfte sich zusammen. Ich wollte weinen, aber nicht einmal das konnte ich. Dieser unfassbare Schmerz überwältigte mich. Ich klammerte mich an Matts leblosen Körper, suchte nach irgendwas, woran ich mich festhalten konnte. Ein Tornado aus Emotionen fegte durch mich hindurch und löste eine Druckwelle aus, die jeden fortstieß, der uns zu nahe kam. Cat, Cleo, alles egal. Für mich zählte nur Matt. Mein bester Freund. ,,Ich hab dich auch lieb", flüsterte ich. Aber er antwortete nicht. Er konnte mir nicht mehr antworten. Nie mehr. Nun lösten sich doch Tränen aus meinen Augen und rannen über meine Wangen. Ich hatte keine Kraft mehr, die Mächte in mir länger zu bändigen. Meine Wut, der unfassbare Schmerz, die Trauer, sie verbanden sich mit dem Feuer, das in mir tobte und entluden sich in einer heftigen Explosion in die Luft. Das Feuer umhüllte uns, fraß alles, was uns zu nahe kam. Ich sah nur noch Feuer. Ich hörte mich schreien, nahm es wahr, als käme es nicht von mir. Schmerz und Verzweiflung gingen mit mir durch. Ich schrie nach Hades. Wollte das Geschehene einfach nicht annehmen. Wenn ich nur lange genug nach ihm schrie, würde er ihn mir vielleicht zurückgeben. Irgendwas musste ich tun. Immer mehr Feuer türmte sich um mich herum auf. ,,Hades!", brüllte ich wieder. Aber er kam nicht. Matt atmete nicht. Und ich wünschte, ich würde es auch nicht mehr tun. Ich wollte etwas in die Luft sprengen, den ganzen verdammten Campus dem Erdboden gleichmachen. Vielleicht tat ich gerade genau das.

,,Seth!" Die Stimme gehörte Dawson, aber sie prallte von mir ab, genauso wie alles andere. Mein ganzer Körper zitterte. Die Flammen brachen weiter aus mir heraus, sie sogen jegliche Kraft aus mir. Aber ich konnte sie nicht halten. Ich wollte es nicht.

,,Hades." Meine Stimme war nur noch ein Wimmern. Mein Kopf sank nach vorne, berührte Matts kalte Stirn. Dann plötzlich griffen mich zwei Hände und zogen mich zurück. Ich wollte mich wehren, aber meine Muskeln gehorchten mir nicht. ,,Es tut mir leid, Seth." Dawsons Stimme klang, als wäre sie weit entfernt. ,,Scheiße, es tut mir so leid. Und mir tut leid, was ich jetzt tun muss." Er drückte die Finger in die Wunde an meinem Unterarm. Ich spürte keinen Schmerz. Keinen physischen. Aber dann plötzlich erfasste mich ein Gefühl, als würde mein Körper von tausenden glühenden Nadeln durchbohrt werden. Als würde mich etwas zerfetzen. Nur einen kurzen Moment, dann wurde alles schwarz.

Nummer 13 - Todessohn IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt