~Seth
Die Luft war eisig, als ich nach dem Training durch den Wald lief. Der Wind zerrte am Umhang meiner Rüstung und ich spürte, wie die Kälte durch den Stoff bis auf meine Haut drang. Langsam gewöhnte ich mich an sie- wie sich der feste Stoff auf der Haut anfühlte, wie man damit kämpfen musste. Ich zog mir das Band aus den Haaren, mit dem ich mir die vorderen Strähnen aus dem Gesicht gebunden hatte und streifte es über mein Handgelenk. Zwei Tage war es nun her, dass ich bei Cleo gewesen war. Insgeheim hatte ich gehofft, dass sie sich einen Ruck gab und der Rebellion eine Chance gab, aber ich verstand auch, warum sie es nicht konnte. Manchmal fragte ich mich, wie ich es geschafft hatte, ihnen zu vergeben. Mit der Hand tastete ich nach der Kette an meinem Hals und schloss für einen Moment die Augen. Vermutlich weil ich hier nicht der einzige war, der etwas verloren hatte.
Als ich weiterging, änderte sich plötzlich etwas an der Luft. Sie wurde wärmer, roch nach Glut und brennendem Laub. Sofort erwachte das Feuer in mir, brachte mein Herz dazu, das Blut schneller durch meinen Körper zu pumpen und schärfte meine Sinne. Die feinen Härchen an meinem Körper stellten sich auf und ich schüttelte den Kopf. Irgendwas stimmte hier nicht. Ich ging weiter, während die verbrannt riechende Luft wie Spannung über meine Haut fuhr. Irrte ich mich oder war hier schon wieder ein-,,Hadessohn."
Ich wirbelte so schnell herum, dass mein Umhang ein peitschendes Geräusch von sich gab. Vor mir stand ein Mann, der ungefähr zweimal so breit war wie ich. Mindestens. Er war riesig, hatte Muskeln, die selbst 'The Rock' vor Neid erblassen lassen würden und außerdem war ich mir ziemlich sicher, dass ich im Augenblick Hephaistos, Gott des Feuers und der Schmiedekunst vor mir stehen hatte. Ich seufzte ergeben. Langsam wurde es zu einer richtigen Plage.
Hephaistos war allerdings eine durchaus interessante Gestalt. Sein schwarzes Haar war von roten, brennenden Strähnen durchzogen, die hin und wieder Funken sprühten, seine Augen waren orange und schienen aus lodernden Flammen zu bestehen. Dass er ein gigantischer Muskelberg war, betonte die Tatsache, dass er kein Oberteil trug. Dies musste die erste Situation meines Lebens sein, in der ich mir winzig vorkam. Nicht einmal Leandros war so riesig gewesen.Ich klappte den Mund auf, aber Hephaistos kam mir zuvor.
,,Du hast die Wahl. Du kannst mich auf den Olymp begleiten und dir wird nichts geschehen, Seth, Sohn von Hades." Seine orangen Iriden fokussierten mich. ,,Oder diese Situation wird sehr unschön. Ich werde dich auf den Olymp bringen, tot oder lebendig."
Mein Puls pochte schneller. Hephaistos war hier. Keine schräge, halbmaterialisierte Projektion, er war hier, in Fleisch und Blut. Wesentlich lässiger, als ich mich fühlte, löste ich das Gummiband von meinem Handgelenk und band mir die Haare aus dem Gesicht. Betont langsam ließ ich die Hände sinken, während Hephaistos mich befremdlich musterte.
,,Okay, können wir?" Ich ballte die Hände zu Fäusten, Feuer flammte auf und fraß sich meine Arme hinauf. Hephaistos betrachtete mich und schüttelte betroffen den Kopf. ,,Wirf dein Leben nicht einfach so weg, Junge. Auf dem Olymp könntest du viele Dinge bewirken. Es ist noch nicht zu spät, den richtigen Weg zu wählen."
Das Feuer an meinen Armen flackerte. Es drängte mich zu diesem Kampf, erinnerte mich an all diese Macht, die in mir schlummerte. So lange hatte ich darauf gewartet, dass sie sich endlich zeigten und heute war der Tag gekommen. Eine heftige Windböe wehte meinen Umhang zurück und ließ das Feuer an meinen Armen tanzen. Es wollte spielen. Bis zum bitteren Ende. ,,Ich habe nichts zu verlieren, Hephaistos." Ich neigte den Kopf zur Seite. ,,Ich kann nur gewinnen."
Der Gott schüttelte bedauernd den Kopf. ,,Ganz wie du willst, Sohn von Hades." Er schüttelte die baumstammartigen Arme aus und Feuer flammte um seine Handgelenke auf. Oranges Feuer, so gleißend hell, als hätte man die Sättigung meilenweit überdreht. Dennoch war es orange. Ob meine Resistenz dagegen wohl...-
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Nummer 13 - Todessohn II
Fantasy|| Klappentext für Band II. Kann Spoiler beinhalten, wenn Band I noch nicht gelesen wurde || Leandros ist besiegt- doch die Rebellion ist es nicht. Mit unveränderten Zielen und angestachelt vom Tod ihres Anführers, beginnen sie, die Internate anzugr...