Kapitel 18.4

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~Cleo

Es ist an der Zeit, die Strafe zu vollstrecken.

Meine Fingernägel bohrten sich in meine Handfläche, so tief, dass ich spürte, wie Blut aus den Kratzern hervortrat. Dawson hatte mich angelogen- sie hatten mich alle angelogen. Die Bestrafung heute war nicht alles. Seth sah jetzt schon aus, als hätte ihn der Tod berührt. Der Stoff seiner Rüstung schimmerte an unterschiedlichen Stellen rötlich und auch aus der Wunde, die ihm eben zugefügt worden war, sickerte Blut. Seine Adern traten deutlich aus der gespenstisch blassen Haut hervor und auch wenn er versuchte es zu verbergen, sah ich, dass er Schmerzen hatte. Gewaltige Schmerzen.

Das hier war keine faire Gerichtsverhandlung. Das glich einer mittelalterlichen Hinrichtung. Ich biss mir auf die Lippe, und starrte Seth an, der die Hände zu Fäusten geballt hatte und immer weiter zurück wich. Ich wollte nicht, dass sie ihn weiter quälten und wie ein Tier zur Schau stellten. Die Hilflosigkeit, die ich in diesem Moment verspürte, trieb mir Tränen in die Augen und ließ meine Wangen glühen. Ich spürte, wie sich das Element in mir rührte und unruhig durch meinen Körper fegte, als würde mein Blut viel zu schnell durch meine Adern gepumpt werden und mein Herz unregelmäßig schlagen.

,,Die Rebellion wird weiter wachsen", zischte Seth in diesem Moment.  ,,Weil immer mehr Leute merken, was für eine kranke Scheiße ihr hier eigentlich abzieht."

Das war wirklich kranke Scheiße. Ich sah, wie sich eine Gruppe von Wachen in Bewegung setzte und sich Seth immer weiter näherten. Einer von ihnen trug einen Koffer in der Hand. Mir lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. Der Wachposten, der schon zuvor bei ihm gestanden hatte, riss an den Ketten, die an seinen Handgelenken befestigt waren, woraufhin er das Gesicht vor Schmerz verzog. Das Bedürfnis, wegzusehen, war so groß, dass mir übel wurde, aber das käme mir feige vor. Ich trug schließlich Mitschuld an alldem, was sie ihm nun antun würden.
Seth schlug um sich, wie ein in die Enge gedrängtes Tier. Er traf den Wachposten am Kiefer, woraufhin dieser zurücktaumelte, aber die anderen kamen ihm sofort zu Hilfe geeilt. Sie packten ihn an den Armen und an den Schultern, einer griff ihm sogar ins Haar und hielt ihn daran fest.

Ich öffnete die Hände, nur um sie gleich darauf wieder zu Fäusten zu ballen. Ich öffnete sie erneut und legte eine Hand auf die Bande vor mir. Meine Muskeln spannten sich an und ich spürte die einzelnen Partikel der Luft, die sich wie Sandkörner auf meiner Haut anfühlten. Dann starrte ich konzentriert auf die Leute, die Seth festhielten. Ich musste-

Eine blasse, tätowierte Hand schloss sich um mein Handgelenk und zog es sanft von der Bande herunter. ,,Tu das nicht." Runes Stimme war leise, aber ich hörte das Mitleid dennoch heraus.  ,,Du kannst jetzt nichts mehr für ihn tun."

Du kannst jetzt nichts mehr für ihn tun.
Jedes Härchen an meinem Körper stellte sich auf, als ich zusah, wie Seth sich panisch wand und versuchte, den Griffen der Wachen zu entkommen. Die pure Verzweiflung verzerrte seine Gesichtszüge, als er blind um sich schlug und an den Ketten zerrte. Jemand bog seinen Arm brutal zur Seite, die Ketten klirrten und schepperten, als Seth versuchte, ihn zurückzureißen.

,,Nur ein kleiner Pieks, dann ist es vorbei, Hadessohn", zischte einer von ihnen hämisch, dann stach er ihm geschickt, als hätte er das schon hunderte Male zuvor gemacht, die Kanüle in die Vene.
Was dann geschah, nahm ich wie durch Nebel wahr. Unwillkürlich griff ich nach Runes Hand und drückte sie, um irgendwie das Element in mir unter Kontrolle zu bekommen. Meine Ohren rauschten, das Element in mir tobte und drückte von innen gegen meine Haut, als wäre mein Körper zu klein, um all diese Energie zu halten. Ich wollte wegsehen, aber ich starrte wie hypnotisiert auf die große Spritze, die in Seths Arm steckte und die klare Flüssigkeit, die sich darin befand. Ich sah das verzweifelte Zucken von seinen Muskeln, die versuchten, sich loszureißen und schließlich das leuchtend rote Blut, das über seine blasse Haut rann, als die Nadel in seiner Vene bewegt wurde.
Der Kolben der Spritze bewegte sich nach unten und die Flüssigkeit darin nahm immer weiter ab. Erst als die Spritze bis zum letzten Tropfen geleert worden war, wurde sie unsanft aus Seths Haut gerissen und die Wachen ließen ihn endlich los.

Nummer 13 - Todessohn IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt