Kapitel 4.4

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~Seth

Das Gespräch mit Estelle war... nicht so gelaufen, wie ich es geplant hatte. Aber wie sollte man jemandem schon erklären, dass man die Kräfte eines Gottes nur besaß, wenn man dafür jemandem die Seele aussog, ohne dabei zu sagen, dass man jemanden aussaugen musste? Es war ziemlich unmöglich. Und im Moment hatte ich Hunger. Leider nicht jene Art von Hunger, die man mit einem fetttriefenden Essen beseitigen könnte. Das ganze Teleportieren gestern hatte mich fertig gemacht und es war auch nicht unbedingt förderlich, dass mir mein Unterbewusstsein nachts weiterhin lustige Versager-Träume mit Leandros und mir in den Hauptrollen schickte. Gott hin oder her, in meinen Träumen war ich wieder Halbgott-Seth, der von Leandros in Grund und Boden gerammt wurde. Keine Ahnung, was mein Unterbewusstsein mir damit sagen wollte.
Aber mein Problem war nicht nur mein Doppelleben als Junkie-Seth sondern auch die Tatsache, dass mir die Worte des Rebellen, dem ich kürzlich einen Teil seiner Seele abgezogen hatte, nicht mehr aus dem Kopf gingen. Ich wäre tot gewesen. Der Rat hat mich zum Tode verurteilt, weil ein menschlicher Freund mitbekommen hat, wie ich das Element verwendet habe. Am Abend vorher ist Leandros aufgetaucht und hat mich befreit. Seit diesem Tag gehöre ich der Rebellion an.
So gerne ich das auch als Bullshit abgestempelt hätte, ich wusste, dass es wahr war. Ich wusste, was der Rat mit Gefangenen anstellte und ich wusste auch, aus welchen Gründen göttliche Schüler zu Gefangenen wurden. Manchmal kam es mir vor, als würde ich einen Diktator unterstützen, dessen politische Ansichten mir nicht ferner sein könnten. Seufzend ließ ich den Kopf in die Hände sinken, während Skotádi an meiner Kette herumspielte und mir dabei einige Male mit dem Schnabel in die Haut hackte. Es kam mir vor, als wollte sie mich darauf hinweisen, dass ich verdammt nochmal aufhören sollte, im Selbstmitleid zu versinken.
Stattdessen könnte ich versuchen, ein paar Antworten zu finden. Beispielsweise bei einer gewissen Schwedin, die ganz zufällig der Rebellion angehörte. Ich erhob mich vom Bett und versuchte Skotádi davon zu überzeugen, sich in ihren Käfig zu bequemen. Als sie sich allerdings so fest in mein T-Shirt krallte, dass sie fast eins mit ihm wurde, gab ich auf und verließ mit ihr auf meiner Schulter die Wohnung.
Ich wurde angestarrt, als ich über den Campus lief. Die frohe Botschaft meiner Göttlichkeit verbreitete sich wie ein Lauffeuer und spätestens jetzt hatten sie Angst vor mir. Da war nach wie vor die Bewunderung- aber auch Angst.
Als ich den Eingang des Gefängnisses passierte, nickte mir der Wachposten kurz zu, sagte aber nichts. Wie immer zwang ich mich dazu, die anderen Gefangenen zu ignorieren, als ich den Gang entlang lief. Im Gefängnis war es kalt und die Luft war feucht. Menschen hätten hier wohl nicht lange überlebt, Halbgötter hatten nur leider das Problem, dass sie in der Regel weder erfroren, noch krank werden konnten. Manchmal fragte ich mich, ob ich ihnen allen mit dem Tod nicht etwas Gutes täte.
Vor Lysannas Zelle, ganz am Ende des Ganges, kam ich schließlich zum Stehen. Die Rebellin richtete sich umständlich auf, sah mir aber mit jenem klaren Blick in die Augen, den ich von ihr kannte. ,,Hi Hadessohn", sagte sie.  ,,Allmählich wird es hier so langweilig, dass ich sogar deine Anwesenheit als spannender empfinde."
Ich runzelte die Stirn. Was war denn heute mit ihr los? Hatte sie ihre Freundlichkeit entdeckt?
,,Cooler Haarschnitt übrigens. Ich glaube, so einen ähnlichen hatte Justin Bieber auch mal."
Ich kniff die Augen zusammen. Doch nicht so nett. Außerdem hatte Justin Bieber bestimmt nie wie ein explodiertes blondes Sofakissen ausgesehen.
,,Dschastin Bieber?", wiederholte Skotádi und sah mich fragend an.
,,Merk dir das bloß nicht", zischte ich, ,,oder ich schwöre, ich mache Chicken Nuggets aus dir."
Ich wandte mich wieder Lysanna zu, die mit neu erwachtem Interesse den grünen Papagei auf meiner Schulter musterte. Warum nur hatte ich das dumme Gefühl, dass es eine schlechte Idee gewesen war, Skotádi mitzunehmen?
,,Lustig", erwiderte ich. ,,Und sowas kommt ausgerechnet von einem Mädchen mit lila Haaren."

Lysanna lächelte. ,,Hab nie behauptet, dass du der Einzige bist, der an Geschmacksverwirrungen leidet."

Lysanna war wohl auch der einzige Mensch, der eine 'normale' Frisur an mir als Geschmacksverwirrung bezeichnete. Ich war mir selbst noch nicht sicher, was ich davon hielt. Fühlte sich ungewohnt an. Und zugegebenermaßen ein bisschen nach Geschmacksverwirrung.
Fragend sah sie mich an. ,,Geht dein Verhör jetzt in die nächste Runde?"

Nummer 13 - Todessohn IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt