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Eiskaltes Wasser floss über meinen Arm, entfernte die roten Spuren auf meiner Haut und hinterließ einzig die Schnittwunden. Es brannte, fühlte sich unangenehm an, dennoch hielt ich den Arm weiterhin unter das Wasser. Ich musste den Arm versorgen, Wundsalbe darauf schmieren und ihn etwas verbinden. Von meinen beiden Freunden fehlte noch immer jede Spur. Seit einer Dreiviertelstunde war ich in diesem Raum eingesperrt, wusste, Miriam stand noch immer vor der Tür und wartete nur darauf, dass ich mich zeigte. Sie war fuchsteufelswild, dabei war es doch ihre Schuld.

Der Mann war auch noch in der Wohnung.

Die Blutung hatte aufgehört, würde allerdings wieder anfangen, wenn ich jetzt nichts für die Heilung tat. Also nahm ich aus dem Spiegelschrank die Wundsalbe und die letzte Mullbinde.

„Was machst du denn hier? Wieso hast du einen Schlüssel?", hörte ich plötzlich Miriam. Sie klang überrascht.

„Wo ist Tiana?" Die tiefe Stimme ließ mein Herz abrupt schneller schlagen. Ich drehte mich der Tür zu und starrte diese aus großen Augen an, als könnte ich durch sie hindurch sehen.

„Tiana ist nicht hier."

„Lüg mich nicht an, Miriam! Wo ist sie?" Valentin klang aufgebracht. Warum war er überhaupt hier? Er konnte nicht wissen, dass ich Hilfe brauchte. Dass ich in Not war.

Ich schweifte mit den Augen zu meinem Handy. Es gab nur eine Möglichkeit, weshalb Valentin Bescheid wusste. Das überprüfte ich gleich, öffnete die App und kontrollierte, an wen ich geschrieben hatte. Ich hatte geweint und stark gezittert, tat es noch immer, wodurch ich auf meinem Handy nichts hatte lesen können. Meine Verfassung war noch immer furchtbar.

Valentin hatte meine Nachricht bekommen. Mein Finger musste auf dem falschen Chat gelandet sein, wodurch ich ihm das einzelne Wort geschrieben hatte.

„Wie gesagt, Tiana ist nicht hier", behauptete Miriam eisern. „Ich will, dass du mir den Schlüssel gibst und gehst. Du hast hier nichts verloren, Valentin."

Ein Schlüssel fiel auf den Boden.

„Ich werde ohne Tiana nicht gehen. Du kannst ja die Polizei rufen."

Das würde Miriam nicht machen. Sie würde die Gefahr nicht eingehen, dass ihre Prostitution aufflog und sie für Steuerhinterziehung angeklagt werden würde. Außerdem müsste sie der Polizei erklären, warum ich mich im Badezimmer eingeschlossen hatte und der Mann am Kopf blutete.

Aber ich durfte nicht hier drin bleiben. Dorian und Kilian würden nicht kommen. Valentin war meine einzige Chance, hier rauszukommen, ohne dass Miriam oder dieser Mann noch etwas mit mir machten. Die einzige Hilfe, die ich zu erwarten hatte, stand jetzt gerade im Flur.

Ich wickelte ein Handtuch um meinen Arm, fand die Zeit nicht für die Mullbinde, und zog den Ärmel herunter, ehe ich den Karton aufhob und an mich drückte. Zögernd legte ich meine zitternden Finger an den Schlüssel und drehte ihn herum. Wenn ich die Tür öffnete, würde ich zuerst Miriam begegnen. Sie wäre meine erste Hürde. Die Gefahr.

Die Tür öffnete ich nur einen Spalt und lugte ängstlich in den Flur. Natürlich stand Miriam davor, wirbelte zu mir herum. Sie wollte zu mir kommen, sich regelrecht auf mich stürzen, aber Valentin handelte schneller. Er packte Miriam und riss sie von der Tür, um sich selbst davor zu stellen.

Nach acht Monaten sahen wir uns das erste Mal wieder in die Augen. Dunkle Schatten hatten sich unter seinen Augen gebildet. Er wirkte ausgelaugt, aber die Sorge um mich war wesentlich größer. Sie stand ihm ins Gesicht geschrieben, war von seinen dunklen Augen abzulesen. Valentin trug keinen Anzug, hatte lediglich eine Jeans und ein Shirt an. Seine schwarzen Haare lagen unordentlich auf seinem Kopf.

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