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Ich saß auf der Kochinsel in Valentins Küche, ließ die Beine baumeln und sah meinen beiden Freunden zu, die in der Küche hantierten. Normalerweise sollte ich deren Arbeit erledigen. Meine Hände waren mit den Fähigkeiten einer Köchin bestückt und nicht deren, dennoch schaute ich nur zu. Ich hatte schon lange kein richtiges Gericht mehr gekocht. Seit ich wieder bei Miriam lebte, hatte ich das Kochen aufgegeben und mich einzig von Fertigprodukten ernährt, um all den Leuten in der Wohnung nicht begegnen zu müssen. Zumindest so selten wie möglich.

Kochen gehörte noch immer zu meiner Leidenschaft, die mir mein Vater weitergegeben hatte, dennoch fühlte ich mich nicht in der Lage, das Messer zu halten und irgendwas herzurichten. Ich wollte nicht mehr kochen, empfand nicht einmal das Bedürfnis dazu. Irgendwann hatte ich meine einzige Leidenschaft aufgegeben und trug sie nur noch im Herzen.

Neben mir wurde die Pfanne heiß, in der Dorian das Fleisch anbraten wollte, welches er gerade klein schnitt. Sie hatten sich beide vorgenommen, Geschnetzeltes zu machen mit einer Pilzrahmsoße und Spätzle. Die Zutaten hatten sie vor sich liegen. Während sie fertige Spätzle benutzten, hätte ich sie komplett selber zubereitet, den Teig dafür gemacht und meine eigene Geschmacksnote hinzugegeben. Fertige Produkte schmeckten oftmals viel zu lasch und sprachen einen nicht an. Mein Vater hatte mir den Unterschied viel zu häufig gezeigt, als dass ich mich mit Fertigprodukten anfreunden konnte.

„Werdet ihr eigentlich in die Wohnheime von der Uni ziehen?"

„Haben wir dir das noch nicht erzählt? Ja, werden wir", antwortete Kilian und warf mir einen kurz Blick zu. „Eine Woche etwa, bevor das Semester beginnt."

„Wisst ihr schon, ob ihr im selben Haus seid?"

„Keine Ahnung. Werden uns überraschen lassen müssen. Wieso zerbrichst du dir jetzt schon den Kopf? Wirst du uns etwa vermissen?" Dorian grinste neckisch.

„Träumt weiter. Wer würde euch schon vermissen", log ich trocken und verdrehte die Augen, dabei wusste ich jetzt schon, dass es ohne beide sehr langweilig werden würde. Es gab keine anderen Freunde in meinem Umfeld. Niemanden, den ich mitten in der Nacht anrufen konnte, um meine Sorgen zu teilen. Keine Person, bei der ich spontan übernachten konnte. Seit letztem Jahr November waren es immer nur Dorian und Kilian gewesen.

Ich würde sie definitiv vermissen. Sie waren meine engsten Freunde. Beide bedeuteten mir sehr viel.

„Klar. Wir sind dir natürlich scheißegal", gab Dorian sarkastisch von sich, während er das Fleisch in die Pfanne gab. Es zischte gleich und das Fett spritzte über den Rand der Pfanne hinweg.

Dorians Antwort erinnerte mich an Valentin, der mich ebenso durchschaut hatte. Ständig hatte er meinen Aussagen zugestimmt, obwohl er genau gewusst hatte, dass sie das Gegenteilige bedeutet hatten. Wie damals am Strandhaus, als ich behauptet hatte, ich hätte mir keine Sorgen um Valentin gemacht, als dieser das ganze Wochenende nicht zu Alexander und mir zurückgekommen war. An den Tagen war ich beinahe wahnsinnig geworden. Valentin hatte das durchschaut. Sofort.

Was Valentin wohl dachte? War es für ihn in Ordnung, dass beide Jungen noch in seinem Haus waren und nun sogar in seiner Küche standen? Ging es zu weit, weil sie eigentlich nichts hier zu suchen hatten? Immerhin lebte ich nicht hier. Das hier war nicht mein Zuhause. Valentin und ich, das war nicht das, was ich mir wünschte.

Aber ich wusste nur zu gut, dass die meisten Wünsche unerfüllt blieben.

„Willst du nicht einen Salat dazu machen?", hakte Kilian nach, der meine Dressings sehr mochte.

„Hab keine Lust."

„Hör auf zu streiken und mach endlich wieder was Vernünftiges in der Küche." Er warf mir einen auffordernden Blick zu, den ich bewusst ignorierte. „Du wirst es noch verlernen, wenn du noch seltener kochst."

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