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Kilian stand unbekleidet an dem Mülleimer neben seinem Schreibtisch und knotete das Kondom zusammen, das er anschließend in den Plastikeimer fallen ließ. Ich sah ihm unverblümt zu. Nach dem Sex folgte kein Kuscheln. Wir waren kein Paar, also taten wir nichts, was Paare normalerweise taten. Es war nur Sex, ein kurzer Orgasmus, der den Schmerz für einen Moment ausblendete und mir einredete, dass in diesen Minuten alles gut war. Danach kam der Schmerz zurück. Immer.

„Wie lang willst du dein Handy noch ignorieren?", fragte er, während er seine Boxershorts vom Boden aufhob und sie sich anzog. „Valentin hat sich Hoffnungen gemacht und du hast nichts besseres zu tun, als dich weiter von mir ficken zu lassen. Bei dir ist doch eine Schraube locker."

Ich schwieg dazu und rollte mich wieder auf den Rücken. Seine Bettdecke bedeckte mich bis zu meiner Hüfte. Es interessierte mich nicht, dass er vollen Blick auf meinen Busen hatte. Vor ein paar Minuten hatte er sie noch in seiner Hand gehalten, sie gedrückt und an ihnen gesaugt.

Kilian fuhr sich mit der Hand durch die Haare und ließ sich neben mir auf dem Bett nieder. Er machte sich nur Sorgen um mich. Wie Dorian. Beide wussten, wie elendig es mir ging und ich mich über die letzten Monate immer weiter verloren hatte. Der Sex ließ mich noch etwas anderes fühlen als den ständigen Schmerz in meiner Brust, der niemals nachließ. Ich brauchte die Zeit mit ihnen, um für eine Weile vergessen zu können.

„Ich hab Valentin gesagt, er soll auf mich nicht warten. Valentin und ich... Das hat doch alles keinen Sinn. Warum zerbreche ich mir überhaupt den Kopf deshalb?" Ich seufzte und legte den rechten Arm über meine Augen. Mein Kopf wollte partout keine Ruhe geben. Immer wieder fiel der Name Valentin in meinen Gedanken. Worüber ich auch nachdenken wollte, meine Gedanken schweiften zurück zu Valentin.

Was tat er jetzt? Hatte er letzte Nacht geschlafen? War er zur Arbeit gefahren? Wartete er wirklich auf mich? Warum hielt er an mir fest? Was sah er in mir, dass er sich nicht neu verlieben wollte? Und zwischendurch tauchte die Frage auf: Warum war ich froh darüber, dass er keine andere Frau wollte?

„Weil du ihn liebst." Kilian legte seine Finger auf meinen Mund. „Wag es ja nicht, das abzustreiten. Du drehst durch, weil man euch damals als Schwester und Bruder betitelt hat und du vermisst ihn. Du vögelst nur mit Dorian und mir, um dich abzulenken und nicht an Valentin oder Miriam denken zu müssen."

Richtig.

Sie waren meine Ablenkung. Ich benutzte sie, wie ich es letztes Jahr mit Valentin vorhatte. Bei Valentin war ich jedoch nicht so weit gegangen. Ich hatte es beendet, bevor es zum Sex gekommen war.

„Du hast Glück, dass Dorian und ich das so entspannt sehen. Stell dir mal vor, einer von uns würde sich in dich verknallen."

Ich stöhnte. „Was für eine katastrophale Vorstellung."

Neben mir hörte ich Kilian glucksen. „Ganz deiner Meinung."

„Du hast das jetzt aber nicht zur Sprache gebracht, weil du dich in mich verliebt hast." Ich lugte an meinem Arm vorbei, betrachtete Kilian skeptisch. Zutrauen würde ich es ihm. Wir kannten uns schon Jahre, hatten uns in den letzten Monaten noch viel besser kennengelernt und schliefen miteinander. Es wäre nicht merkwürdig, würde er Gefühle für mich hegen. Sowas geschah, wenn man sich oft traf, gemeinsame Erinnerungen schaffte und nebenbei Sex hatte.

„Bestimmt nicht. Du bist kein Mädel für die Zukunft. Das überlass ich Valentin."

„Ich sagte doch eben, dass das keinen Sinn hat", antwortete ich und setzte mich hin. Kilian reichte mir sein Shirt, das ich mir überzog. „Versuch nicht den Kuppler zu spielen. Ich muss aus Valentins Leben verschwinden, damit er eine andere Frau findet und mit ihr eine Zukunft haben kann."

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