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„Ihr seid echt spät!", beschwerte ich mich, kaum dass ich die Tür öffnete und meine beiden Freunde vor mir stehen hatte.

Kilian grinste bübisch. „Beschwerst du dich gerade? Wir sind doch hier", triezte er frech wie er war, worauf ich die Augen verdrehte.

„Wie kann man mit dem ersten Satz schon so nervig sein? Echt mal." Statt Kilian zu begrüßen, ging ich in die Hocke und grinste seinen jüngeren Bruder an, der ebenfalls gekommen war. „Hallo, Mike. Alex ist schon im Garten und spielt mit ein paar anderen Kindern. Willst du ihn suchen?"

Der kleine Junge nickte eifrig und grinste mich offen an. „Ja!", frohlockte er, um gleich an mir vorbei zu laufen und hinaus zum Garten zu gehen. Mike war körperlich kleiner als mein Bruder. Er würde vermutlich immer etwas kleiner als Alexander bleiben.

„Du siehst gut aus", sagte Dorian, während ich mich wieder aufrichtete und mich meinen beiden Freunden zuwendete. Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen. „Ihr seid eine Woche zusammen, schon hat er dich komplett verändert. Ein Lächeln macht dich süß, Tiana."

Ich spürte, wie ich errötete. Meine Wangen wurden warm. „Danke", murmelte ich schüchtern, strich mit einer Hand über das knielange Kleid, das die Narbe verbarg und doch genug Luft unter den Stoff ließ, damit es nicht zu warm wurde. „Valentin gibt sich viel Mühe."

„Denke nicht, dass er das muss. Du bist schon seit Monaten in ihn verschossen." Kilian umarmte mich freundschaftlich. „Es ist schön zu sehen, dass du endlich lächeln kannst."

Wie recht er doch hatte. In den letzten Tagen hatte ich mich bewusst zurückgezogen, um mit Valentin die Zeit genießen zu können. Gemeinsames Kochen und Backen, ein Buch lesen, einen Wein trinken, ausgehen, im Garten sitzen. Wir hatten jede Minute ausgenutzt, damit wir als Paar wachsen konnten. Valentin und ich hatten einander kennengelernt, viel gelacht und ich hatte noch mehr geweint, aber nun wusste er alles über die schönen zwölf Jahre meiner Familie, kannte meinen Vater und wusste über meine tiefen Gefühle für diesen Bescheid. Dass mir mein Vater fehlte und ich ihn über alles liebte.

Mit Valentin zusammen zu sein hatte mir viele Gefühle geschenkt. Er hatte mich mit vielen Emotionen zum Leben erweckt, wie ich es seit Jahren nicht mehr gekannt hatte. Es tat gut, mich lebendig zu fühlen. Nachmittage im Garten zu verbringen und Valentin und Björn zuzusehen, wie sie die kleine Holzhütte fertiggestellt hatten, während Valentin zwischendurch zu mir gesehen und mir ein Lächeln geschenkt hatte. Seine Augen strahlten reines Glück aus. Valentin ließ mich besonders fühlen. So besonders.

Lächelnd trat ich zurück und umarmte Dorian zur Begrüßung. „Ich freue mich, dass ihr zugesagt habt. Ihr seid meine seelische Unterstützung", meinte ich. Sie folgten mir in das Haus und in den Garten hinaus, für den Valentin und ich weitere Gartenmöbel besorgt hatten, damit der Großteil der Gäste einen Platz zum Sitzen ergattern konnte. Beinahe alle waren Freunde von Valentin, während ich lediglich Alexander, Yannick und dessen Familie, Dorian und Kilian eingeladen hatte. Yannicks Familie war allerdings nicht gekommen.

„Packst du es nicht alleine?", zog mich Dorian auf.

„Wir haben unsere Beziehung bisher nicht an die große Glocke gehängt. Nur ihr und Valentins bester Freund wissen Bescheid. Ich weiß nicht, wie sich das heute entwickeln wird, wenn alle seine Freunde erfahren, dass er mit mir zusammen ist. Ich bin noch achtzehn."

„Du zerbrichst dir zu sehr den Kopf", mischte sich Björn ein, der zufällig in der Nähe stand und ursprünglich woanders hinlaufen wollte. Nun kam er zu uns, begrüßte Dorian und Kilian, stellte sich kurz vor. „Valentin ist total verknallt. Niemand wird sich zwischen euch drängen können. Ihm gehen alle Meinungen am Arsch vorbei, solltest du es noch nicht mitbekommen haben. Glaubst du wirklich, wenn nicht mal ich ihn abhalten konnte, wird es jemand anderes schaffen?"

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