Akt 1 | Kapitel 1

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Draußen zwitscherten bereits die ersten Vögel zum Morgen, als die Sonne sich endgültig ihren Weg durch die Wolken gebannt hatte.
Es war eine angenehme Ruhe, die leider von Kageyamas Wecker durchbrochen wurde.

Verschlafen rieb er sich die Augen und schaltete ihn aus.

Er drehte sich wieder zu dem kleinen Rotschopf, der sich in der Zwischenzeit an sein Kissen gekuschelt hatte, was ihm ein Lächeln aufs Gesicht zauberte.
Vorsichtig küsste er seine Stirn. „Morgen."
Hinata murmelte etwas ins Kissen.

„Wir müssen jetzt aufstehen, wenn du mitwillst."

Durch das Sonnenlicht, das seinen kleinen Sonnenschein genau im Gesicht traf, fiel es diesem schwer, die Augen zu öffnen. „Jaaha..."

„Dann steh jetzt auf."
„Fünf Minuten."
„Nein, jetzt."

Kageyama zog ihm das Kissen unter dem Kopf weg, doch das interessierte den Kleineren nicht im Geringsten.

„Boke!"

„Baka, beruhig dich", murmelte Hinata. „Ich steh ja gleich auf."



Hinata wartete im Auto, so wie die letzten Male auch schon.

Ab und zu machte er etwas auf seinem Handy, dann dachte er bloß nach, über alles mögliche, dann sah er aus dem Fenster.
Sein Fuß wippte dabei die ganze Zeit über ungeduldig auf und ab.

Beinahe bemerkte er nicht, dass Kageyama bereits aus dem Gebäude kam und sich ans Steuer setzte.

„Und?"

Der Dunkelhaarige verschränkte die Arme vor der Brust. „Willst du jetzt was essen?"

Hinata zog nachdenklich die Augenbrauen zusammen und musterte den Größeren. „Du hast es nicht wieder abgelehnt, oder?"

Kageyama startete das Auto.

„Tobio."
„WAS?!"

Bei der plötzlichen Veränderung seines Tonfalls zuckte Hinata zusammen.
„Sorry...", sagte er, lehnte seinen Kopf gegen die Rückenlehne.
„Ich hab dir schon so oft gesagt, dass du es einfach tun sollst."
„Und ich habe dir schon so oft gesagt, dass ich mit dir in ein Team möchte."
„Du kannst nicht einfach auf ewig alles ablehnen, du musst die Realität einfach akzeptieren."

Kageyama sah ihm nun in die Augen. „Du meinst die Realität, in der du nicht verstehst, dass ich das für dich tue?"

„Nein, ich meine die Realität, in der du Angebote von so großartigen Teams ablehnst, weil du so stur bist, und nicht akzeptierst, dass sie dich und nicht mich wollen!"
„Tja, dann haben sie Pech gehabt!"
„Baka! Ich will ein Team, das mich wirklich will, und nicht ein Team, das mich nur nimmt, damit sie dich haben!"

Hinata verschränkte wütend die Arme vor der Brust.

„Ich weiß, dass du denkst, du wärst alleine nicht gut genug", erklärte Kageyama nun etwas ruhiger. „Aber mit mir bist du-"
„Der Stärkste, das hast du mir schon oft genug gesagt." Der Orangehaarige schloss genervt die Augen, dabei schmollte er. „Aber trotzdem. Ich muss auch alleine gut spielen können, sonst werde ich niemals 'ne Chance kriegen." Langsam öffnete er die Augen und sah zu seinem Freund. „Also hör auf, diese Anfragen abzulehnen, sonst krieg ich noch 'ne Krise!"

Ohne zu antworten setzte Kageyama das Auto in Bewegung und fuhr los, die ganze Fahrt über sagte niemand etwas.


„Shoyo..." Der Setter unterbrach zuerst die Stille, nachdem sie bestellt hatten.
„Hm?"

„Ich...ähm..."
„Ja?"
Kageyama tippte nervös auf dem Tresen herum.

Der Laden war nicht groß, er glich eher einer Bar, und viele Gäste befanden sich auch nicht hier, weswegen ihre Bestellung nicht lange dauerte.

„Es tut mir Leid... wegen vorhin... ich hätte nicht laut werden dürfen."

Hinata sah ihn nicht an.

Seit zwei Jahren waren sie schon zusammen und eigentlich glücklich, zumindest bis zu ihrem Schulabschluss. Denn seit diesem ging es für Kageyama aufwärts, Hinata hingegen litt darunter, dass es kein Team gab, das sie beide wollte, auch wenn er es nicht zeigte, denn er wusste, dass der Setter dann erst recht kein Angebot mehr annehmen würde.
Ihre Beziehung zueinander war in diesen letzten Monaten immer etwas bröckelig gewesen, vor allem wenn es um dieses Thema ging, aber beide hofften, dass das bloß eine Phase war, die hoffentlich bald vorübergehen würde.

„Okay", murmelte er.




Kageyama setzte ihn bei seinem Haus ab, fuhr weiter, und das ohne, dass sie weiter über dieses Thema gesprochen hätten.

Hinata betrat wortlos das Haus, lief sofort die Treppen hinauf in sein Zimmer.
„Shoyo!", rief seine Mutter aus der Küche.
Er ging ein paar Stufen rückwärts hinunter, um sie über das Treppengeländer hinweg sehen zu können.

„Willst du-"
„Ich hab schon gegessen", antwortete er, ohne ihre Frage abzuwarten, dann ging er weiter zu seinem Zimmer, schloss die Tür hinter sich - und konnte endlich die Tränen rauslassen, die ihn schon seit Stunden trübten.

Er riss sich eines seiner Kissen vom Stuhl neben sich und vergrub den Kopf darin, sank gegen die Tür.

Kurz schrie er hinein, bevor sein Schluchzen in vollem Gange war.

Es machte ihn fertig.
Dieses Gefühl, dass niemand ihn wollte, beherrschte ihn.
Hinata liebte Volleyball, und dass er kein Team fand, in dem er seine Leidenschaft ausleben konnte, fraß ihn förmlich auf.
Keiner wusste davon, und das sollte auch so bleiben.
Immer wieder redeten diese Stimmen in seinem Kopf ihm ein, dass er ohne Kageyama nichts wert wäre.

Die Augen zugepresst, legte er den Kopf in den Nacken.
Er wollte nicht, dass sein Freund von seinen Problemen mit dieser ganzen Sache erfuhr.
Er wollte nicht, dass irgendjemand davon erfuhr.
Es waren seine eigenen Probleme, und die wollte er keinem anderen aufdrängen.




Wie auch in den letzten Tagen hatte er Schwierigkeiten damit, einzuschlafen.
Es war gerade zwei Uhr morgens, als sein Handy klingelte.

Müde sah er auf das Display und hob ab.
„Weißt du eigentlich, wie spät es ist?"
„Sorry... hab ich dich geweckt?", fragte Kageyama.
„Ne... ich konnte sowieso nicht schlafen."

Es herrschte eine kurze Stille.
„Ich wollte mich nur noch einmal bei dir entschuldigen."
„Schon okay."

„Shoyo?", fragte er wieder nach einer kurzen Pause.
„Hm?"
„Ist alles gut bei dir?"
„Klar."
„Du weißt, du kannst mit mir reden."
„Jap."
„Ist was??", fragte er nervös.
„Ja. Ich bin müde, und will wenigstens versuchen, zu schlafen."

Kageyama kicherte ganz leise, beinahe unhörbar. „Okay... schlaf schön, Mandarine."
Beim Hören seines Spitznamens lachte er für eine winzige Sekunde. „Du auch, Tobio."

Dann legte er auf.





Die nächsten Wochen vergingen wie im Flug, und ohne, dass Hinata es richtig mitbekam, war schon wieder September.
Seine Stimmung hatte sich nicht gerade verbessert, und auch die Streite mit Kageyama nahmen zu.

Er hatte das Gefühl, dass da etwas in der Luft lag, das nicht ausgesprochen wurde, etwas, das ihre Beziehung irgendwie bröckeln ließ.


„Hey, willst du dich heute vielleicht treffen?", fragte Kageyama am Telefon.
Hinata half gerade seiner Mutter beim Kochen, schnitt Gemüse, während er sein Handy zwischen Kopf und Schulter hatte. „Wann genau?"
„In so zwei Stunden?"
„Wo?"
„Bei mir? Es ist keiner zuhause."

Hinata konnte förmlich sein Grinsen hören. „Werde da sein."
„Okay. Bis später."
„Ciao."

Seine Mutter warf ihm ein paar misstrauische Blicke zu. „Triffst du dich wieder mit Kageyama?"
Hinata nickte.
„Aber Shoyo, du weißt, was ich dir-"
„Ich. Bin. Keine. Fünf. Mehr." Um sich selbst zu beruhigen schloss er kurz die Augen. „Ich bin Neunzehn."
„Ich weiß. Aber ich mache mir bloß Sorgen um dich."
„Ich weiß. Aber die sind unbegründet."

Hinatas Mutter war immer sehr fürsorglich mit ihren Kindern, manchmal zu sehr. Sie vergaß oft, dass er nicht mehr in die Mittelschule ging, sondern Erwachsen war.
Kageyama gegenüber war sie schon immer misstrauisch gewesen, wahrscheinlich wegen ihrem ersten Aufeinandertreffen, oder besser gesagt wegen der Zeit von diesem bis zum Ende der ersten Klasse, in der sie nicht mehr gemacht hatten, als rumzustreiten.
Schlussendlich war es dann Kageyama gewesen, der ihm seine Gefühle zuerst gestanden hatte, und seitdem waren sie auch ein Paar gewesen.




Hinata wollte gerade klingeln, als Kageyama bereits die Tür öffnete, ihn hereinzog und ihm einen Kuss auf die Lippen drückte.

„Hey", sagte er, als er ihn losließ, doch Hinata stieß seine Lippen sofort wieder gegen seine.
Kageyama hob ihn am Hintern hoch, ging mit ihm die Treppen hinauf. „Da ist wer ungeduldig~", stellte er fest.
Hinata lachte auf, klammerte sich an ihn, damit er nicht hinunterfiel.




Er lag auf Kageyamas nackter Brust, letzterer hatte seine Hand um den Kleineren gelegt und strich ihm über den Rücken.

Der Setter spürte, dass etwas los war, und es bedrückte ihn ebenso.

„Shoyo?"
„Es ist nichts."

Der Setter legte den Kopf schief. „Hey, das wird alles schon, okay?"
Hinata schüttelte den Kopf. „Es sind schon Fünf Monate vergangen. Ich sollte mir langsam einen Job suchen."
„Du willst es doch nicht einfach aufgeben?!"
„Was soll ich sonst tun? Ich kann nicht ewig warten."

Kageyama wusste, dass er Recht hatte.
Aber er wollte es nicht wahrhaben.

Eine Weile war es still zwischen ihnen, bis Hinata sich erhob und sich seine Sachen anzog.

„Was machst du?", fragte Kageyama.
„Ich hol mir was zu trinken."


Unten angekommen nahm er sich eines der vielen Gläser, leerte sich Wasser in dieses, trank einen Schluck, atmete durch.

Er wusste nicht, wieso, jedoch fiel ihm die Jacke, die über einen der Stühle hing, genau ins Auge.
Es war Kageyamas, das wusste er.
Doch das war nicht das, was ihn so verwunderte - in einer der Taschen erkannte er eine kleine Packung.
Hinata sah sich um, um sicherzugehen, dass sein Freund nicht hier war, dann ging er zu der Jacke, griff in besagte Tasche.

In seiner Hand hielt er nun eine kleine Zigarettenpackung, und das, obwohl sein Freund doch gar nicht rauchte.
Doch das war nicht das einzige: Auf dem Stoff verteilt fand er einige lange, dunkle Haarsträhnen.

Er schüttelte den Kopf, legte die Sachen wieder so hin, wie sie vorher waren.

Er würde doch niemals...?

„Was tust du da?", fragte Kageyama plötzlich hinter ihm, Hinata erschrak.
Eigentlich wollte er das Thema ja nicht ansprechen, doch aus irgendeinem Grund platzte es einfach so aus ihm heraus.

„Wem gehören die Zigaretten?"
Der Setter erstarrte förmlich, schwieg.
„Tobio?"
„Die... die sind für meinen Vater. Er hat mich gefragt, ob ich welche für ihn kaufen könnte."

Hinata hob die Augenbrauen. „Und seit wann hat dein Vater lange, dunkle Haare?"
„Kann nicht sein. Hast du dir wahrscheinlich eingebildet."

Der Orangehaarige wollte etwas sagen, doch Kageyama lenkte einfach vom Thema ab. „Willst du was essen?"

Hinata stieß seine Hand, die er auf seine Wange gelegt hatte, einfach weg. „Erklär mir das jetzt. Ich merke, dass du irgendwas verheimlichst, oder glaubst du, ich bin bescheuert?"

Kageyama sah zur Seite, wirkte plötzlich nervös. „Ich weiß nicht, von wo die herkommen, wirklich nicht."

Der Kiefer des Kleineren arbeitete. „Achja?"
Sein Freund legte seine Hände wieder an seine Wangen, strich ihm über diese. „Ich weiß, wie das aussieht, aber ich schwöre dir, dass ich dir nichts verheimliche. Ich liebe dich über alles, und nur dich, also wieso sollte ich sowas tun?"
Hinata sah zur Seite. Irgendetwas sagte ihm, dass er gerade angelogen wurde, doch sein Bauchgefühl war schneller, weswegen er es einfach hinnahm und etwas bedrückt nickte.

„Hast du Hunger?", fragte der Setter, bevor er zum Kühlschrank ging und ein paar Sachen herausstellte.




Über die nächsten Tage würde Kageyama mit seiner Familie nach Tokio fahren, um dort Verwandte zu besuchen.

Hinata versuchte mehrmals, ihn zu kontaktieren, doch er ging weder ans Telefon, noch antwortete er auf seine Nachrichten.
Das war ungewöhnlich für ihn, denn auf die Nachrichten seines Freundes hatte er immer sofort geantwortet, egal, ob er beschäftigt war oder nicht.

Sein Gefühl sagte ihm immer noch, dass da etwas nicht stimmte.


Es vergingen schließlich zwei Tage, in denen er nichts von ihm hörte.


Kageyama
Hey, hier war ganz schön viel los.
Sorry.
15:45

Let my Heart beat for you - KageHinaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt