Kapitel 23

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Achtung:
Enthält ab jetzt teilweise große Spoiler zur BokuAka-Story "The reason that keeps me alive" und teilweise auch zur SakuAtsu-Story "When Fate plays with your Heart".

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„Kannst du mal stehenbleiben?!“
„Geh du doch schneller, die Besuchszeiten laufen nicht ewig!“
„Ich komm aber nicht hinterher!“
„Du solltest nicht einmal hier sein.“
 
Natsu seufzte, während sie erneut ihre Schritte beschleunigte, um bei der Älteren hinterherzukommen. „Seitdem du plötzlich mitten in Tokio vor mir gestanden bist und mich in dein Auto gezerrt hast bist du irgendwie komisch!“
„Weil ich auch vorhatte, dich dort drin zu lassen“, meinte Miwa.
„Tja, ich bin aber alt genug, um zu wissen, wie man eine Tür öffnet.“
„Ich hätte die Kindersicherung einschalten sollen.“
„Entschuldigung?!“
 
Miwa schüttelte den Kopf, öffnete die Tür zu dem Gebäude.
Der Eingangsbereich war schlicht gehalten: Rechts befand sich direkt der Informationstresen, links eine Tür, auf der die Buchstaben Personal abgebildet waren. Vorne ging es in zwei Flure, links und rechts, die laut den Beschriftungen zu Untersuchungsräumen und Ausnüchterungszellen führten.
Die Dunkelhaarige stellte sich direkt zu der Dame, die hinter der Anmeldung saß.
„Guten Tag!“, grüßte sie. „Wir haben telefoniert bezüglich eines Besuchs einer Gefangenen.“
„Ihr Name?“ Die Frau setzte ihre Brille auf, klickte mit der Maustaste auf ihrem PC herum.
„Shiori Yumiko.“
Für einen Moment warf Natsu der Älteren einen verwirrten Blick zu, doch als sie die Situation verstand, wurde ihr wiederum alles klar.
Die Frau tippte wieder herum, nickte – dann sah sie mit ihrem eisigen Blick zu Natsu, sagte jedoch nichts.
„Was-“
„Sie ist eine Begleitung von mir“, wandte Miwa ein. „Ich habe davon schon im Vorhinein berichtet.“
„Ich brauche trotzdem den Namen.“
„Kazumi Satoko“, log Miwa.
„Und die-“
„Die Papiere haben Sie alle schon.“
 
Die Dame musterte die Beiden zögerlich, bevor sie ihnen die Besucherschildchen hinlegte, die die Mädchen an sich nahmen.
„Während Ihres Aufenthaltes wird eine Kamera aus Sicherheitsgründen alles aufzeichnen. Es ist außerdem verboten, das Sicherheitsglas anzufassen.“
„Alles klar.“
 
Erneut wurden sie von der Frau gemustert, bevor sie einen Wachmann holte, der die Beiden in die entsprechende Besucherzelle führte.
 
Dort setzte sich Natsu zögerlich auf einen der Sessel, der neben einem kleinen Tisch stand, der durch das Glas durchging und auf der anderen Seite ebenfalls einen Stuhl bei sich stehen hatte, Miwa tat dies etwas sicherer – war es wirklich das erste Mal, dass sie so etwas tat? Sie zweifelte daran.
 
Eine Tür wurde geöffnet, ein weiterer Wachmann führte ein Mädchen, dessen ungepflegten pechschwarzen Haare ins Gesicht hingen, in die Zelle, schob sie zu den Sessel, wo sie erstmal den Kopf hob und mit einem bösen Lächeln ihre Arme auf die Ablage legte – ihre Hände waren mit Handschellen versehen, und doch wirkte es nicht, als würde es sie besonders stören.
Die Wachmänner verließen den Raum, und nun waren sie alleine. Die dunklen Augen der Fremden lagen auf ihnen, und jeder schwieg.
Das Mädchen lachte kurz auf. „Wow… als ich hörte, ich würde Besuch von ehemaligen Freunden bekommen, habe ich schon geahnt, dass irgendjemand dahintersteckt, den ich verärgert haben könnte, schließlich hatte ich nie Freunde.“ Sie grinste, biss sich auf die Unterlippe, dann lehnte sie sich zurück, machte es sich bequem. „Aber dass ich solch einen prominenten Besuch bekomme… Wow!“
„Halt einfach die Klappe und beantworte uns die Fragen, die wir hören wollen, Miyu.“
 
Miyu rollte mit den Augen, seufzte. Sie sah zu Miwa, hob die Augenbrauen. „Dass du meinen Namen kennst…“ Sie pfiff beeindruckt, lachte wieder.
„Gefühlt ganz Tokio kennt deinen Namen, nach der ganzen Scheiße die du schon in deinem Leben aufgeführt hast.“
„Mag sein. Also, wie komme ich zu dem Vergnügen, die Schwestern von zwei der größten Volleyballer vor mir zu haben?“, fragte sie, setzte sich dabei wieder aufrecht.
„Wir-“ Miwa legte Natsu die Hand auf den Mund, drängte sie so, dass sie weiter weg saß.
„Ich hab gesagt, du kannst mitkommen, aber misch dich jetzt bitte wenigstens nicht ein!“, zischte sie ihr zu, und als Natsu nickte, nahm sie die Hand von ihrem Mund.
 
Die Dunkelhaarige atmete durch, bevor sie sich wieder an die Gefangene wandte, die angefangen hatte, ihre Fingernägel zu untersuchen.
„Du bist ein Mitglied vom Order of Hate, nicht?“, fragte sie.
Miyu hob die Schultern, sah dann zu ihr. „Nö. Mir gehört er.“
„Was-“
„Hab die Herrschaft vererbt bekommen, als ich meinen Vater erschossen hab.“
 
Natsu schluckte, warf Miwa einen unsicheren Blick zu – was genau taten sie hier eigentlich?
Langsam spürte sie, wie die Wut in ihr hochstieg – wenn dieses Mädchen tatsächlich Schuld daran war, dass es ihrem Bruder so schlecht gegangen war, würde sie sie persönlich umbringen.
 
„Gut. Ich habe eine Frage“, sagte Miwa.
„Die da wäre?“
„Du warst es, die die Beziehung von meinem Bruder zerstört hat, oder?“
 
Miyu zögerte, dann lachte sie noch einmal auf, bevor sie den Kopf schüttelte.
„Du Lügnerin!“, fauchte Natsu, und erneut hielt Miwa sie zurück.
Miyu lachte noch einmal. „Ich hab das Ganze nur in Auftrag gegeben, wirklich. Das Foto gemacht und alles inszeniert hat jemand anderes.“
„Wer?!“, fragte die Jüngere.
„Wieso sollte ich dir das sagen?“
 
Natsu schlug wütend auf den Tisch, und nun schon zum Dritten Mal zog Miwa sie wieder zurück auf ihren Platz.
 
„Miyu. Du sitzt hier im Gefängnis wegen Morddrohungen und Mordes. Du wirst hier nicht so schnell rauskommen. Was hast du zu verlieren?“, fragte Miwa.
„Vieles“, meinte sie, sah dabei auf die Decke. „Hach… ich hab schon so viel geschafft in meinem Leben.“ Sie setzte ein zufriedenes Grinsen auf. „Ich hab die Freundschaft von Zwillingen zerstört, ich hab meinen Bruder zu ‘nem Nervenzusammenbruch gebracht, ich hab ein Kleinkind dazu gebracht, mir Nummern zu geben, die ich brauchte, und ich hab meinen Vater getötet, weil er mich jahrelang belogen hat und mir das Geschäft nicht selbst überlassen wollte.“
„Es juckt keinen. Sag uns einfach, wer dieses Bild gemacht hat!“, schrie Natsu.
 
Miyu pfiff herum, schüttelte dabei den Kopf. „Wieso kommt ihr ausgerechnet zu mir?“
„Weil du die einzige bist, bei der bekannt ist, dass du ein Mitglied von dieser Organisation bist.“
„Mir gehört-“
„Wir haben’s kapiert“, fauchte die Orangehaarige.
„Dann is‘ ja gut.“
 
Eine Zeitlang blieb es still.
„Eure Brüder waren nicht die Einzigen. Ich hab schon so viele Beziehungen von bekannten Personen zerstört. Nur kriegt man’s nich‘ mit, weil man immer denkt, es wären Paparazzis oder so gewesen. Eigentlich traurig, dabei werden meine Leute doch so gut bezahlt.“
 
Miwa und Natsu warfen sich genervte Blicke zu, rollten dabei mit den Augen.
 
„Wenn du uns nicht gleich-“
„Heute Nachmittag.“ Miyu sah auf die Uhr, die auf der Wand ihr gegenüber hing. „Ihr kennt doch sicher Akari Chihomi, oder?“
Die Beiden nickten.
„Bekannte Schauspielerin, dies das.“ Sie machte eine Pause, sah wieder auf die Decke. „In zwanzig Minuten kommt sie in Tokio an… und dabei wird sie einen alten Freund treffen. Ihr Mann ist noch in Aomori, und ihre Ehe wird durch einen geschickten Schnappschuss in die Brüche gehen…“ Sie sah auf den Tisch, schob die Unterlippe vor. „Da mein Fotograf ja so hervorragende Arbeit bei euch geleistet hat, ist er jetzt öfters dran. So auch heute.“
 
Sofort sahen die Mädchen auf.
 
„Wenn dann ist er derjenige, der Schuld ist“, fügte sie noch hinzu.
 
Während Natsu aufsprang, nach draußen lief und Miwa ihr hinterher sah, bemerkte keiner von ihnen das belustigte Grinsen, das sich auf dem Gesicht der Gefangenen gebildet hatte.
 
Miwa sah noch einmal zu ihr zurück. „Wehe, du lügst.“
„Würd ich nie“, meinte sie, setzte dabei ihr bravstes Lächeln auf.
 
 
 
 
Mit schnellen Schritten war Natsu beim Auto angekommen, versuchte, die Tür zu öffnen, was logischerweise nicht möglich war.
 
Miwa tauchte hinter ihr auf, sperrte das Auto auf, und warf die Tür zu, als Natsu sie einfach mit Schwung geöffnet hatte, und hätte beinahe ihre Finger erwischt.
 
„Was-“
„Ich weiß ja nicht, was du für Definitionen von einigen Begriffen in deinem Kopf hast, aber sie sind falsch“, zischte sie ihr zu. „Wenn ich dir sage, dass du dich da raushalten sollst, dann sollst du dich auch da raushalten!“
„Aber-“
„Nichts aber! Miyu ist gefährlich, Natsu! Ich hatte einen guten Grund, dir zu verbieten, etwas zu sagen!“, erklärte sie wütend.
„Du hast mir gar nichts zu verbieten! Glaubst du, ich bin mit dir mitgekommen, weil ich dir vertraue?!“, fragte Natsu lauter.
 
Miwa starrte sie an, ihr Kiefer arbeitete.
 
„Ich bin mit dir mitgekommen, weil du etwas weißt, das ich auch gerne wissen würde. Mein Bruder ist seit der Sache mit deinem Bruder ziemlich fertig, und ich will nur, dass es ihm besser geht! Denkst du allen Ernstes, ich würde dir in irgendeiner Weise vertrauen?!“, sagte sie nun noch lauter.
 
Natsu merkte, wie sehr sie die Ältere provoziert hatte, aber das war ja auch ihr Ziel gewesen – sie würde sich bestimmt nicht herumkommandieren lassen.
 
„Gut. Dann gehen wir ab jetzt halt getrennte Wege“, sagte Miwa in ihrem bestmöglichen neutralen Ton, bevor sie auf die andere Seite des Autos ging, die Tür öffnete, den Motor startete und losfuhr.
 
Natsu stampfte wütend auf, während sie sich überfordert umsah – wie sollte sie jetzt zum Flughafen kommen?
 
 
Zufälligerweise war in der Nähe ein Bus angekommen, in den sie gestiegen und rechtzeitig bei ihrem Zielort angekommen war.
 
Zum erleichterten Ausatmen kam sie jedoch nicht, als sie aus dem Bus sprang und in ihrem schnellsten Sprint weiterlief.
Was sich die Leute, die beim Eingang des Flughafens saßen und gemütlich Kaffee tranken, denken mussten, als sie da so reinstürmte, war ihr egal – sie bemerkte sie nicht einmal richtig.
 
Durchs Fenster, das deckenhoch war, sah sie das Flugzeug, aus dem die Frau, von der Miyu gesprochen hatte, gerade stieg.
Unter Sonnenbrille und Hut versteckt sah sie durch die Gegend, als würde sie sie zum ersten Mal sehen.
Rechts von ihr tauchte ein Mann auf, der in ihrem Alter sein musste.
Sie lächelte ihm zu, die Beiden umarmten sich.
 
War das der Moment, von dem die Rede gewesen war?
 
Schnell sah Natsu sich um, hielt nach verdächtigen Personen Ausschau, aber bis auf eine in etwa gleichgroße Person, die neben ihr stand, eine Kapuze über dem Kopf hatte und an einer Kamera herumschraubte, sah sie niemanden.
 
Warte, was?!
 
Sofort sah sie zu der Person zurück, die sich von ihr abgewandt hatte und in die entgegengesetzte Richtung gegangen war.
 
Das war er, sie war sich sicher.
 
„HEY!“
 
Er zuckte hoch, blieb stehen, drehte sich jedoch nicht zu ihr.
 
„ICH REDE MIT DIR!“, schrie sie, lief zu ihm.
 
Die fremde Person sah mit einem ganz leichten Seitenblick zu ihr – anscheinend wollte sie sichergehen, dass sie gemeint war.
 
„Jetzt steh da nicht so rum! Ich weiß, was du getan hast, du Arschloch!“, rief sie, und als sie nur noch wenige Meter trennten, lief der Fremde plötzlich los.
 
„HEY!“, schrie sie erneut, lief ihm hinterher.
 
Er lief in einer Geschwindigkeit, bei der es ihr tatsächlich schwerfiel, mitzuhalten – was etwas hieß, denn schließlich lag die Schnelligkeit in ihren Genen.
Ohne zurückzublicken riss er die Tür auf, bremste vor der vollbefahrenen Straße ab, deren Ampel gerade rot zeigte.
 
Als Natsu gerade aus dem Gebäude kam, lief er einfach los – über die Straße, und man merkte daran, wie geschickt er den Autos auswich, dass er das nicht zum ersten Mal tat.
Die Autos bremsten aus Schock alle nacheinander, und Natsu sah das als Chance, um ihm hinterherzukommen – war bestimmt sicherer, als die Aktion, die ihr Verfolgter gerade absolviert hatte.
 
Als sie sicher auf der anderen Straßenseite ankam, hörte sie zwar die Fluche der Autofahrer, doch atmete trotz allem erstmal erleichtert durch, hielt dabei aber keine Sekunde an.
 
Wie lange wollte der denn bitte noch weiterrennen?!
 
Allmählich kamen sie in einer kleinen Straße an, in der gerade nicht so viele Menschen unterwegs waren.
 
Die fremde Person sah dies wohl als ein Zeichen, um schleunigst in eine Seitengasse abzubiegen, doch die Zeit, in der sie kurz anhielt, um die Richtung im letzten Moment zu ändern, war der entscheidende Moment, in dem Natsu den Fremden erwischte und zu Boden riss.
 
„DU ARSCH! SAG SCHON, WIE VIELE LEBEN HAST DU ZERSTÖRT, HUH?!“, schrie sie laut. „WIE VIELE LEBEN WILLST DU NOCH-“ Sie unterbrach sich, als der Fremde erschöpft keuchend zu ihr sah – dadurch, dass ihrem Verfolgten die schwarzen Haare ins Gesicht hingen und er die Augen bis dato zugekniffen gehabt hatte, hatte sie die metallblaue Farbe in ihnen nicht gesehen.
 
Schockiert ließ sie ihn los, starrte ihn an.
 
„Akio?!“, fragte sie etwas schockiert.
 
Er seufzte, kniff die Augen noch einmal zusammen, bevor er mit genervtem Blick zu ihr sah. „Jap. Und es wäre wirklich nett, wenn du jetzt bitte von mir runtergehen würdest, Hinata – ich bekomme nämlich keine Luft.“

Let my Heart beat for you - KageHinaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt