Kapitel 12

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Vergangenheit
 
Die Regentropfen schlugen mit sanften Knallen gegen die Fenster, manchmal blieben sie hängen, manchmal liefen sie das Fenster entlang bis nach unten zur Terrasse.
 
Mit seinem Kopf abgestützt starrte Hinata hinaus, hoffte vergeblich seit zehn Minuten, dass der Regen bald aufhörte – schließlich müsste er wirklich mal los, denn seine Uhr zeigte schon kurz nach Sieben.
Aber im Regen, wenn es auch noch so stürmte, würde er bestimmt nicht mit dem Fahrrad in die Schule fahren.
 
Normalerweise wäre er an dieser Stelle vermutlich traurig gewesen, da er – einmal mehr – das Morgentraining versäumt hatte, doch irgendwie machte ihm das nicht wirklich etwas aus. Vielmehr hatte er das Bedürfnis, in seinem Bett zu bleiben und sich unter der Bettdecke zu verstecken. Könnte daran liegen, dass das Wetter einen erheblichen Einfluss auf seine Laune hatte, etwas anderes konnte er sich nicht erklären.
 
„Wenn du dich beeilst, kann ich dich noch mitnehmen“, meinte seine Mutter hinter ihm, während sie durch die Küche eilte, um ihr Handy, das noch angesteckt auf der Theke lag, zu holen.
 
„Und am Abend? Ich hab Training, wie komm ich danach nachhause?“
„Bis dahin wird doch der Regen aufgehört haben.“
„Soll ich den ganzen Weg zu Fuß gehen, oder was?!“, fragte er, drehte sich dabei zu ihr.
 
Erst, als er ihren verwunderten Ausdruck sah, bemerkte er, dass er unbewusst gereizt geantwortet hatte. Er wollte sich entschuldigen, doch sein Inneres sprach dagegen, weshalb die Beiden sich für einige Minuten schweigend ansahen, bis seine Mutter den Kopf etwas neigte und ihn verwirrt betrachtete.
 
„Ist alles okay?“
„Was sollte nicht okay sein?!“, fragte er zurück, und wieder war da diese Reize in der Stimme, die er eigentlich nicht wollte.
 
Ayumis Kiefer arbeitete, dann nahm sie ihr Handy, warf es in ihre Tasche. „Pass auf, wenn du irgendwelche Probleme in der Schule, im Team oder in deiner Beziehung hast, dann lass es nicht an mir aus!“
„Was habe ich denn jetzt getan?! Du hast doch angefangen!“
„Achso? Indem ich dir angeboten habe, dich mitzunehmen, weil es draußen wie aus Eimern schüttet?!“
„Du willst mich sonst auch nie mitnehmen!“
„Weil du vielleicht vor mir schon das Haus verlässt und gesagt hast, dass du gerne Fahrrad fährst? Wenn du das nicht mehr willst, kannst du gerne-“
„In anderen Worten: Ich soll das Morgentraining verpassen“, unterbrach er sie, schüttelte dabei den Kopf, verschränkte die Arme vor der Brust.
Das habe ich nie gesagt!“
„Jaja. Lass mich einfach.“ Mit einem Augenrollen drängte er sich an ihr vorbei, schnappte sich seine Schultasche aus dem Flur, zog sich seine Schuhe an, bevor er die Haustüre aufriss und aus dem Haus stürmte.
 
Mit der Kapuze seiner Regenjacke über dem Kopf lief er zu seinem Fahrrad, setzte sich auf dieses, und fuhr binnen weniger Sekunden auch schon los.
 
Nur entfernt nahm er wahr, dass seine Mutter hinter ihm die Tür wieder geöffnet hatte.
 
„Shoyo! Du kannst nicht einfach-“
„Siehst du doch!“, rief er zurück.
 
 
 
In der Schule angekommen war er pitschnass.
 
Schnell stellte er sein Fahrrad ab und lief unters Dach. Er fauchte laut, als er seinen Regenschutz abnahm und bemerkte, dass auch seine Uniform nass geworden war.
 
Seine Geduld war so dermaßen am Ende, dass er sogar genervt davon war, als er zwei Hände um sich spürte.
„Bist du-“
„Was ist?!“ Hinata löste sich von ihm, drehte sich so, dass er Kageyama ansehen könnte, während er überprüfte, ob seine Bücher die Reise überlebt hatten – Fehlanzeige.
„Hast du-“
„Nein, ich habe nicht schlecht geschlafen. Ich hab einfach einen scheiß-miesen-bescheuerten-schlechten Tag, verstanden?!“
 
Der Setter betrachtete seinen Freund irritiert – so etwas war er von Hinata nicht gewohnt. Er kaufte ihm seine Aussage ab, dachte jedoch, dass der Kleinere vermutlich nur mit dem falschen Fuß aufgestanden war, weshalb er sich ihm näherte und ihn umarmen wollte, doch Hinata wich ihm aus.
 
„Bist du sauer?“
„Noch nicht, aber gleich, wenn du mich nicht einfach in Ruhe lässt!“ Mit diesen Worten hängte sich der Mittelblocker Rucksack und Regenschutz um, lief den Flur entlang zu seiner Klasse.
 
Kageyama stand da wie angewurzelt – Träumte er?
 
„Habt ihr euch irgendwie gestritten?“, fragte da eine Stimme hinter ihm.
Er hob die Schultern, sah von dem Rotschopf, der nun in seine Klasse einbog, nicht eine Sekunde weg.
 
Auf seiner Schulter spürte er eine Hand, dann erkannte er im Augenwinkel Tanaka.
 
„Ach, das wird schon. Bestimmt hat er nur ‘nen schlechten Tag.“
„Mhm… bestimmt…“, versuchte er sich selbst zu beruhigen.
 
 
 
Die erste halbe Stunde zog sich endlos in die Länge.
Hinata starrte die ganze Zeit über aus dem Fenster, beobachtete die vielen Tropfen, die ihren Landepunkt hier gewählt hatten und sich nun in der Regenrinne sammelten, wenn sie es bis ganz nach unten schafften.
 
Ganz nach unten… das Gegenteil von ganz nach Oben…, dachte er sich. Wieso landen Regentropfen immer unten? Wieso fliegen sie nicht nach oben, wenn der Wind sie dorthin bläst? Wieso bleiben manche an der Scheibe hängen? Wenn sie hängen, müssten sie dann nicht auch aufsteigen können?
 
Es war, als wäre dies etwas so Wichtiges – sein ganzer Kopf drehte sich bloß um diese Frage, er vergaß alles andere um sich herum, und egal, wie sehr er damit aufhören wollte, alles, an das er denken konnte, war diese dämliche Frage.
 
„Sind Sie noch anwesend, oder soll ich Sie als fehlend eintragen, Hinata?“
 
Die Klasse lachte, und erst da fiel ihm wieder ein, wo er sich befand.
 
„Darf ich dann auch gehen?“, fragte er plötzlich – es schoss einfach aus seinem Mund, er konnte vorher nicht darüber nachdenken, und irgendwie schien in diesem Moment jegliches Über- oder Nachdenken sinnlos. Wieso sollte er das auch tun? Was konnte eigentlich passieren?
 
In der Klasse war es still.
So richtig, richtig still.
 
Die Lehrerin musterte den Jungen, dann nahm sie ihre Lesebrille ab. „Ich hoffe sehr, dass sie sich gerade einen Scherz erlaubt haben.“
„Nein, das meine ich ernst.“
 
Sie presste die Lippen aufeinander, dann nahm sie sich einen Stift zur Hand und trug sich etwas in ihr Notizbuch ein.
 
„Ist das jetzt die Erlaubnis, dass ich gehen darf?“, fragte er – die Klasse brach in Gelächter aus.
 
„Ruhe!“, rief die Lehrerin. „Nein, das ist sie nicht. Sie werden mir jetzt schön brav die Frage beantworten, die ich Ihnen-“
„Wissen Sie, was ich mich gefragt habe, als ich Ihnen nicht zugehört habe?“, unterbrach er sie.
 
Etwas gereizt legte sie ihr Buch auf dem Lehrertisch ab, neigte den Kopf, um so zu tun, als würde es sie kümmern, was er sagte. „Was denn?“
Er wusste, dass das, was ihm gerade so auf der Zunge lag, ihm massive Schwierigkeiten einbringen würde, doch in diesem Moment war ihm so ziemlich alles egal. „Ich habe mich gefragt, wieso eigentlich Regentropfen nur nach unten fließen… die gehen immer nur runter, und niemals rauf. Wissen Sie, an was mich das erinnerte?“
„An was?“
„An Ihre Karriere.“
 
Erneut lachten seine Mitschüler, und nun konnte er sich ein Schmunzeln selbst nicht mehr verkneifen.
 
„Entschuldigung?!“
„Angenommen. Können Sie jetzt jemand anderen drannehmen?“
„Nein, ich will-“
„Es ist mir egal, was Sie wollen, denn Ihnen ist es auch egal, was ich will.“
 
Die Lehrerin atmete tief durch, dann setzte sie sich ihre Lesebrille wieder auf, nahm ihr Buch, blätterte wütend darin herum.
 
Unsicher zeigte Shiro auf.
 
„Shiro, los. Sagen Sie mir bitte das Ergebnis.“
„Das Ergebnis lautet…“ Shiro richtete seine Brille, räusperte sich. „Der Mann kaufte zuerst um Viertausendsiebenunddreißig Yen ein, da die Preise der Produkte jeweils um zehn Prozent gesenkt worden waren, dann bezahlte er Dreihundertvierundzwanzig Yen für den Lebensmitteleinkauf – somit gab er insgesamt Viertausenddreihunderteinundsechzig Yen aus.“
„Passt. Die Antwort können Sie noch etwas kürzen, aber ansonsten hat das gepasst.“ Sie sah durch die Klasse, dann fügte sie „Da können andere sich ein Beispiel daran nehmen“ hinzu.
 
 
 
Als Hinata nach dem Unterricht die Klasse verließ, überkam ihn ein seltsames Gefühl – als würde er alles anders als vorher wahrnehmen. Farben strahlten heller, Schatten wirkten nicht so dunkel wie bisher, die Welt strahlte, lächelte ihn an.
 
Ein Lächeln bildete sich auf seinen Lippen, als er fröhlich den Flur entlang tapste, um zur Turnhalle zu kommen.
 
Im Clubraum waren bereits die Drittklässler dabei, sich umzuziehen – als er den Raum betrat, sah er auch Yamaguchi und Tsukishima.
 
„Hallo!“, begrüßte er sie alle.
„Shoyo!“, rief Nishinoya, worauf sie beide in die Höhe sprangen und sich abklatschten.
 
Es war wie ein plötzlicher Schwall an Ideen, der sich in seinen Kopf fraß, als er registrierte, dass gleich das Training stattfinden würde. Dies und das könnte er noch ändern, das könnten sie versuchen, jenes müsste er mit Kageyama absprechen – die Demotivation der letzten Tage war wie weggeblasen, stattdessen breitete sich ein seltsames Glücksgefühl in ihm aus, das verursachte, dass sein Gehirn stets am Arbeiten war, was gewisse Dinge anging.
 
Als Kageyama den Raum betrat, zögerte er aufgrund der Sache am Morgen etwas, doch sobald Hinata ihn bemerkt hatte, hatte dieser ihn auch schon angesprungen, sich an ihn geklammert und einen festen Kuss auf die Lippen gedrückt.
 
Überrascht riss der Setter die Augen auf, kam kaum dazu, den Kuss zu erwidern, denn kurz darauf hatte sich der Orangehaarige schon von ihm gelöst. Er grinste von einem Ohr zum Anderen, und es schien, als könne er kaum stillstehen, da er die Füße abwechselnd bewegte.
 
„Bist du noch-“
„Wir müssen unbedingt was probieren!“
„Ja, okay, aber bist du noch-“
„Ich hatte gerade so eine coole Idee, okay?! Okay?! Wir MÜSSEN das einfach ausprobieren!“
 
Kageyama zog verwirrt die Augenbrauen zusammen.
 
„Schau nicht so grimmig! Die Welt strahlt dafür viel zu hell heute!“
 
Die Falte vergrößerte sich.
 
Hinata zog sich binnen weniger Sekunden um, lief dann hinaus. „Beeilt euch! Dann können wir mehr spielen!“, rief er noch, dann war er auch schon weg.
 
Der Dunkelhaarige starrte immer noch auf die Stelle, an der sein Freund vor wenigen Sekunden noch vor ihm gestanden hatte.
 
„Habt ihr euch versöhnt?“, fragte Tanaka neugierig.
Kageyama sah zu ihm, hob wieder die Schultern. „Ich habe absolut keine Ahnung, was mit ihm los ist.“
 
„Vielleicht-“
„Erspar dir den Kommentar, Tsukishima“, unterbrach Ennoshita den blonden Mittelblocker.
„Tse.“
 
 
 
Auch beim Training selbst kam es Kageyama so vor, als wäre irgendetwas seltsam.
Allein die Art, wie Hinata sich benahm – ständig redete er, drängte sich an ihn, sprach so schnell wie ein Wasserfall, weshalb der Setter nicht einmal die Hälfte seiner Worte mitbekam.
 
Und als Ukai sagte, dass sie ein kurzes Spiel spielen würden, schien es, als wäre der Energieball, der sich offensichtlich in Hinata vergrößert hatte, kurz vorm Explodieren – er sprang vor Freude durch die Gegend, grinste dabei wie eine Grinsekatze, während Kageyama ihn immer verwunderter ansah.
Er verstand es nicht – am Morgen war der Mittelblocker noch gereizt gewesen, und jetzt plötzlich tat er, als gäbe es kein Morgen.
Hatte er irgendetwas verpasst?
 
Als man zum Spiel pfiff, bemerkte er, wie Hinatas Augen sich noch mehr weiteten, sie glänzten förmlich – und er spürte einfach, dass irgendetwas hier ganz und gar nicht stimmte.
 
Einer der Erstklässler machte auf der anderen Seite des Spielfeldes den Aufschlag, den Noya ohne Probleme annehmen und direkt zu Kageyama spielen konnte.
 
Hinata lief bereits zum Springen an, und Kageyama sah auch den Block, der sich direkt vor ihm bildete, weshalb er eigentlich zu Tanaka spielen wollte.
 
„Ta-“
„ZU MIR!“, schrie der Orangehaarige da, und aus Reflex spielte der Setter ihm den Ball zu – kurz darauf bereute er es, denn wie auch zu Erwarten gewesen war, wurde Hinata geblockt und der Ball fiel zu Boden.
 
 
Tja. Ist halt so, dachte sich Hinata, als er wieder am Boden ankam.
Der Nächste. Der Nächste. Der Nächste. LOS! Ich will spielen, verdammt nochmal!
 
„Hey! Was sollte das gerade?!“, fragte Kageyama ihn.
„Spiel gefälligst zu mir, wenn ich dir schon sage, dass ich Ideen habe!“, schrie Hinata.
„Du hast doch gesehen, dass vor dir ein Block ist!“
„Ja, und?!“
„Was ja und?!“
„Ist nur ein Training! Was haben wir zu verlieren?!“, fragte er, lächelte dabei breit.
 
„Leute! Beruhigt euch, bitte! Auch, wenn es nur Training ist, sollten wir trotzdem unser Bestes geben!“, meinte Ennoshita.
„Was weißt du schon davon?“, sagte Hinata.
 
Darauf war es erstmal mucksmäuschenstill.
 
„Wie bitte?“
„Du bist doch nicht mal so lang ‘n Stammspieler, oder?“
 
Der Kapitän starrte ihn an.
 
„Und? Was hat das-“
„Was verstehst du schon? Ich meine, du hast Ewigkeiten sogar das Training geschwänzt.“
 
„Shoyo, lass das“, sagte Kageyama, zog ihn dabei etwas zurück, doch der Kleinere blieb stur.
 
„Sag mal, wie redest du da?!“, fragte Tanaka, lief dabei auf ihn zu, doch Ennoshita hielt ihn auf.
„Lass es. Er weiß nicht, was er sagt.“
„Und wie ich das weiß! Denkst du, ich bin blöd?!“
„Spielen wir weiter“, sagte der Drittklässler bloß, ging dabei an seine Position zurück, ignorierte Hinatas Worte.
 
 
Und so ging das das ganze Training über.
Es ging so weit, dass Hinata beleidigt auf den Setter war, wenn er nicht zu ihm spielte – einmal beschwerte er sich sogar darüber, dass man ihn geblockt hatte, obwohl er „nur etwas ausprobieren wollte“.
 
Nachdem Ukai das Training für beendet erklärte, machte der Orangehaarige noch immer nicht den Anschein, als würde es ihn irgendwie interessieren, was die anderen taten, weshalb er kurz darauf auch schon zu Kageyama lief, um ihn aufzuhalten.
 
„TOBIO!“
„Hm?“
„Spiel mir zu!“, rief er, zog ihn dabei zurück aufs Spielfeld.
 
„Shoyo, ich muss heute früher nachhause, ich-“
„Also hast du keine Lust, ja?“
 
Die beiden starrten sich an.
 
Die Tür fiel zu, als die ersten Leute hinausgegangen waren, um ihre Busse zu erwischen.
 
„Ich hab dir schon gestern gesagt, dass ich heute nicht kann.“
„Weil du was Besseres zu tun hast, oder wie?!“, fragte er gereizt. „Ist dir Volleyball nicht mehr wichtig? Bin ich dir nicht mehr wichtig?!“
„Doch! Ich muss nur früher nachhause, weil meine Großel-“
„Alles Ausreden… Geh ruhig, lass mich allein. Ich frag einfach Toyo, vielleicht hat der ja Lust.“
 
Ohne Weiteres abzuwarten, lief Hinata zu dem Erstklässler, der gerade dabei war, ein paar Bälle vom Boden aufzuheben.
„TOYO!“
Der jüngere Setter sah zu ihm.
„Spielst du mir noch etwas zu?“
„Äh, ja, okay“, antwortete Toyo schüchtern, wirkte dabei etwas überfordert, als Hinata ihn aufs Feld schleppte.
 
 
Kageyama starrte die Beiden ungläubig an. Er konnte Hinata nicht wiedererkennen, obwohl er äußerlich – bis auf das permanente Grinsen auf seinem Gesicht – noch genauso wie vorher aussah.
 
„Na? Streit beim Königspaar?“
„Kannst du EINMAL deine Klappe halten, Tsukishima?!“
 
Der Mittelblocker grinste schelmisch, bevor er sich seine Brille richtete. „Tut mir Leid, ich nehme keine Befehle entgegen.“
„DU-“
 
„Nicht streiten“, sagte Ennoshita, als er gemütlich an ihnen vorbei und aus der Halle ging.
„Ach was, die Beiden sind doch Beste Freunde, nicht wahr?“, sagte Tanaka lachend, während er mit je einer Hand freundschaftlich auf ihre Schultern schlug. „Und weil sie so gute Freunde sind, werden sie jetzt aufhören und tun, was sie tun wollten, bevor sie damit angefangen haben!“
„Weise Worte!“, rief Noya.
 
 
Während Kageyama vor dem Gehen noch zu seinem Freund zurücksah, schenkte Hinata ihm keine Aufmerksamkeit. Er dachte, der Kleinere hätte ihn bloß nicht gesehen, doch als er ein paar Schritte auf ihn zuging, merkte er, dass er ihm sogar auswich.
„Ich geh jetzt, hören wir uns später?“
„Keine Ahnung. Ich hab wahrscheinlich zu tun“, antwortete der Orangehaarige gereizt.
Kageyama seufzte, nickte verstehend. „Okay, dann bis-“
„Tschüss.“
 
Erneut seufzte der Setter, bevor er die Halle verließ.
Wenn Hinata unbedingt eingeschnappt sein wollte, dann sollte er es halt sein.
 
„Ist alles okay zwischen euch?“, fragte Toyo, als er einen Ball in die Hand nahm.
„Keine Ahnung, was er hat“, antwortete Hinata. „Ist auch egal. Du bist zwar nicht so gut wie er, aber du hast bestimmt auch bisschen was drauf, also verschwende nicht die kostbare Zeit, die wir fast nicht mehr haben, mit Rumfragen, sondern spiel mir den Ball zu.“
 
Toyo sah bedrückt zur Seite, dann nickte er. „Sorry.“
„Weitermachen.“
 
„Bisschen netter zu deinem Kohai, Hinata“, sagte Yamaguchi, bevor er zusammen mit Yachi die Halle verließ.
„Ich bin nett“, meinte Hinata.
 
 
 
Als er zuhause ankam, war die Wut wieder in ihm gestiegen.
Er hatte noch weiterspielen wollen, aber Toyo hatte ja unbedingt nachhause müssen – und Ennoshita hatte ihm erneut nahegelegt, dass er sich nicht immer bis ans Limit arbeiten sollte.
 
Seiner Mutter hatte er keine Aufmerksamkeit geschenkt, Natsu, die ihn gefragt hatte, ob sie noch etwas Springseilspringen könnten, hatte er nicht einmal bemerkt, als er in sein Zimmer gerannt war.
Gereizt warf er sich aufs Bett, starrte die Decke an, sein Fuß wippte dabei unruhig hin und her.
 
Weiter. Weiter. Weiter. Weiter.
 
Er konnte doch jetzt keine Pause machen, schließlich fand in einem Monat das Frühlingsturnier statt – sie hatten ganz offensichtlich viel zu wenig Zeit, um sich vorzubereiten.
 
Er wollte weiterspielen.
Und weiter.
Und weiter.
 
Sein Kopf war getränkt von diesem Verlangen, von den ganzen Ideen, von den ganzen Taktiken, von allem, weshalb er seine Wut nach einer Stunde beiseite räumte und sich auf den Weg machte.
 
Unten angekommen starrte seine Mutter, die gerade den Flur betreten hatte, ihn verwirrt an. „Wo gehst du hin?“
„Zu Tobio.“
„Hast du schon mal auf die Uhr geschaut? Es ist halb Neun-“
„Und? Da schläft er eh noch lange nicht.“
„Du kannst nicht einfach-“
 
Bumm.
Da war die Haustüre zu.
 
 
Bei dem entsprechenden Haus angekommen, klingelte Hinata, wartete ungeduldig vor der Tür, die schon kurz darauf geöffnet wurde.
„Ja- Äh, Hinata? Was tust du denn hier?“, fragte Kageyamas Mutter verwirrt.
„Hallo! Ist Tobio da?“
 
Als hätte der Setter den Braten gerochen, trat er zur Tür, übernahm die Sache, weshalb seine Mutter zurück zu den Gästen ging.
 
„Was tust du hier?“, fragte er.
„Ich dachte mir, wenn du nicht in der Halle bleiben kannst, um mit mir zu trainieren, komme ich einfach zu dir! Du hast doch einen Garten, oder?“
 
Kageyama starrte ihn ungläubig an, sah dann zurück ins Wohnzimmer, bevor er sich wieder zu dem Kleineren drehte. „Shoyo, wir haben Besuch.“
„Und?“
„Meine Großeltern.“
„Und?“
„Wann anders, ja?“
„Nein. Ich will jetzt trainieren! Bis zum Turnier ist es nicht mehr lange!“
„Das ist noch ein Monat!“
„Das ist gar nicht mehr so lang!“
 
Kageyama seufzte, und als Hinata auch noch seinen Dackelblick aufsetzte, konnte er erst recht nicht mehr Nein sagen.
„Du hast doch schon mit Toyo trainiert. Für heute reicht es.“
„Es reicht nie!“
 
Der Dunkelhaarige betrachtete seinen Freund besorgt – dieser Satz hatte ihn mit etwas Unbehagen gefüllt.
„Ist alles okay? Haben sich du und deine Mutter-“
 
„Ahhh, Tobio, hast du einen Freund mitgebracht?“, rief seine Großmutter, die gerade in den Flur gegangen war.
„Nein, Oma, er-“
„Nein, ich bin sein Freund“, besserte Hinata sie freundlich lächelnd aus.
 
Kageyama fuhr herum, starrte den Kleineren mit weit aufgerissenen Augen an.
„Er meinte-“
„OHHHHHHH!“, rief sie, grinste dabei breit. „Jaja, ich versteh schon. Lass ihn doch rein, draußen ist es kalt!“
 
Der größere Junge seufzte, dann öffnete er die Tür so, dass Hinata eintreten konnte, bevor er sie wieder schloss und seinem Freund seine Jacke abnahm.
 
Seine Großmutter lief breit grinsend zurück ins Wohnzimmer, und Kageyama nutzte die Chance, um den Kleineren sanft zu schupsen.
„He-“
„Wieso outest du mich einfach so vor ihr?! Das hätte in die Hose gehen können!“
„Ist es aber nicht. Du musst das Positive sehen, Tobio: Es ist gut gegangen!“ Hinata griff nach seinem Gesicht und nahm es zwischen die Hände.
Kageyama rollte mit den Augen, legte seine Hände auf der Hüfte des um ein paar Monate Älteren ab.
„Spielen wir jetzt?“, fragte der Kleinere.
„Ich hab nicht mal ein Netz.“
„Aber einen GARTEN! Und wir können ja Annahmen trainieren!“
„Seit wann willst du Annahmen-“
„Seit jetzt. Oh man, es gibt so viel, was wir noch trainieren müssen! Das muss sich unbedingt ausgehen! Ich hab so viele Ideen, das kannst du dir nicht vorstellen!“
 
Der Setter seufzte. „Von mir aus. Aber nicht lange, ich will die nicht hier sitzen lassen, wenn sie schon extra hergekommen sind.“
„Jaja. Nur zwei Stunden oder so.“
„WAS?!“
 
Hinata grinste breit, dann drückte er ihm einen dicken Kuss auf die Lippen. „Ich liebe dich, Baka“, hauchte er ihm zu, worauf der Größere den Kuss erwiderte.
„Mhm. Du kannst froh sein, dass ich dich auch über alles liebe, sonst würde ich mir das nicht gefallen lassen, Boke.“
Der Mittelblocker kicherte. „Bin ich auch“, sagte er, dann strich er mit dem Daumen über seine Wange. „Ich bin froh, dass ich dich hab.“

Let my Heart beat for you - KageHinaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt