Kapitel 45

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Es war nun schon seit einigen Minuten still.

Der Wind blies ab und zu, spielte seine Lieder. In der Ferne hörte man Eulen, Heuschrecken, sonstige Tiere, das Blätterrascheln der Bäume, Büsche, und man konnte die Wärme, die vom Inneren des Hauses ausging, so nah, wie die Geschwister an diesem saßen, spüren.

Natsu starrte das Gras vor sich an, bewegte sich kaum. Die Hände ihres Bruders waren in den Taschen seiner Jacke vergraben, sein Blick war starr auf den Boden gerichtet.

Seitdem er seiner Schwester absolut alles erzählt hatte, was in den letzten Stunden, Wochen und Monaten abgegangen war, hatten sie kein Wort mehr gesprochen.
Doch Hinata konnte nicht einschätzen, ob diese Stille angenehm oder unangenehm war.
Vermutlich war sie angenehmer als die Stille, die geherrscht hatte, als er bei Akios Haus aufgekreuzt war - wie er sich bereits gedacht hatte, hatte auch hier jeder mitbekommen, was passiert war, und allein der Gedanke daran, dass er sich wieder an dem Punkt befand, dass - seiner Meinung nach - zu viele Menschen von seinem Privatleben Bescheid wussten, ließ ihm einen kalten Schauer über den Rücken fahren.

„Wieso hast du mir das alles nicht erzählt?", fragte Natsu leise, veränderte ihre Position dabei kein bisschen, und sie sprach so leise, dass Hinata sie beinahe nicht verstanden hätte.
Es dauerte, bis er eine Antwort darauf fand. „Ich wollte dich nicht mitreinziehen..."
Natsu atmete tief durch - er merkte, dass sie sauer war.
„Sicher, dass es nur das ist?"
Wieder zögerte er. „Es war nicht gerade leicht alles. Vor allem das mit Dad." Er wartete kurz, ob sie darauf reagieren würde, doch es kam nichts. „Du kannst dich nicht so daran erinnern, weil du zu klein warst, aber es war nicht leicht mit ihm damals."
„Ich weiß", sagte sie.
Der Ältere sah zu ihr. „Woher?"
Dieses Mal war es Natsu, die zögerte. „Ich habe Ohren, Shoyo. Und wenn du und Mom damals, als du die Diagnose bekommen hast, die ganze Zeit darüber geredet habt, war es nicht gerade schwer, da nichts mitzukriegen." Sie hob die Schultern, riss ein Grasbüschel aus dem Boden, betrachtete es auf ihrer Handfläche. „Ich dachte, dass wir uns vertrauen. Ich dachte, dass wir die Art von Geschwistern sind, die sich wirklich alles erzählen..." Sie ballte die Hand, auf der das Grasbüschel lag, zur Faust, sah zu ihm hinüber. „Wie... wie beste Freunde oder so."
„Du weißt, dass du immer zu meinen engsten und besten Freunden gehört hast und gehören wirst."
„Ja, aber... es hat mich verletzt, dass du mir das mit Kageyama nicht erzählt hast."

Hinata erwiderte darauf nichts. Bereits zweimal hatte er es ihr erklärt, und er wusste inzwischen nicht mehr, was er noch sagen sollte.

Also blieb es wieder still für eine Weile.
„Es tut mir Leid", sagte er dann.
Natsu seufzte wieder, erhob sich kopfschüttelnd und ging zurück ins Haus, ohne noch etwas zu sagen.

Er sah ihr hinterher, starrte wieder in die Ferne und wusste dabei nicht, wie lange er da so alleine draußen saß, doch er wusste auch nicht, was er sonst tun sollte.

Die Umgebung, die er vorhin so klar wahrgenommen hatte, wirkte plötzlich so entfernt, so fremd, und beinahe bekam er nicht einmal mit, wie sich jemand Anderes ihm näherte und sich schließlich neben ihn setzte.

„Ist das dein scheiß ernst?!"
„Jetzt komm mal runter!"
„Nein, weißt du eigentlich, was das für 'n beschissener Tag war?!", schrie Kageyama schon fast. „Und dann kreuzt du plötzlich vor meiner Wohnungstür auf, und nimmst auch noch die da mit!" Er deutete abwechselnd von seiner Schwester auf seine einstige Klassenkollegin von der Mittelschule und wieder zurück.

„Tobio, bitte", begann Miwa. „Lass uns reden."
„Ich will nicht mit dir reden, wann verstehst du das endlich?!", fragte er laut, wollte die Haustür zuschlagen, doch das andere Mädchen hielt mit dem Fuß die Tür offen.
Kageyama atmete tief durch, öffnete die Tür wieder langsam, lugte durch den Spalt hervor. „Gib deinen verdammten Fuß weg, Arisa."
Arisa rollte mit den Augen, stellte sich vor Miwa. „Hör zu, ich merke, dass wir beide gerade die Personen sind, die du am Allerwenigsten sehen möchtest, aber wir wollen nur mit dir reden."
„Über?"
„Alles", sagte Miwa.

Let my Heart beat for you - KageHinaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt