Prolog

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Bei Einbruch der Dunkelheit erreichten wir endlich unseren Rastplatz für die Nacht. Meine Kleidung war durchnässt von meinem eigenen Schweiß und meine Beine hätten mich keinen Meter mehr tragen können. Gierig stürzte ich mich auf das Stück getrocknetes Fleisch, welches er mir vor die Nase hielt. „Na, da könnte aber wer einen Bären verdrücken.", kommentierte er mein Verhalten nur amüsiert und begann, gemächlich sein Essen zu verspeisen. Doch im Gegensatz zu mir, verhielt er sich dabei viel zivilisierter. Sollte er doch! Es war mir egal.... Den ganzen Tag hatte ich mich voran geschleppt und um Pause gebeten, aber er hatte mir keine gewähren wollen.

Nicht nur deswegen war ich ihm gegenüber ein wenig verstimmt. Nachdem wir es geschafft hatten, das Gebirge zu überqueren, hatte er kein Wort mehr mit mir geredet. Er war sehr leise und zurückgezogen gewesen und jedes Mal, wenn ich ihn darauf angesprochen hatte, hatte er mir nur mehr schlecht als recht geantwortet. Doch anscheinend schien, seine komische Laune verflogen zu sein.... „Ach? Der Herr spricht wieder mit mir?", murmelte ich laut vor mich hin. In meiner Stimme schwang hauptsächlich Spott mit, doch auch Enttäuschung... Schnell versuchte ich, dass er darauf nicht aufmerksam wurde.... Doch der Schattenprinz hatte natürlich schon alles gehört. „Habe ich da etwa einen Hauch von Enttäuschung gehört, Prinzessin?", wollte Alistair amüsiert aber auch neugierig wissen. Ich bejahte, während ich ihn mit verwirrtem Blick musterte. Hatte er mich gerade wirklich Prinzessin genannt?

„Schau mich nicht so an! Ich kann dich beruhigen, du schaust nicht gerade aus wie eine Prinzessin.", sagte er schmunzelnd und richtete seine Nase in die Höhe. „Und riechen tust du auch nach keiner...", ergänzte er kurz darauf fast schon lachend. Empört schaute ich ihn an. „Das musst du gerade sagen.... Du bist auch nicht um Haaresbreite gestorben!", schrie ich beleidigt, stand auf und stapfte davon. Während ich wütend über seine Dreistigkeit nachdachte, ging ich zu einem Steingebilde, welches es mir ermöglichte, geschützt vor Blicken zu sein. Auch wenn ich es nicht zugeben wollte, hatte Alistair Recht gehabt. Da ich mich seit Tagen, wenn nicht sogar Wochen, nicht mehr gesäubert hatte, stank ich wirklich bestialisch. Es war also dringend an der Zeit, dies zu ändern. Obwohl hier nicht der kleinste Tropf Wasser war, würde es für mich kein Problem sein.

Geschützt von jeglichen Blicken stellte ich mich hinter den Stein. Entspannt atmete ich ein und spürte wie eine kühle Kraft bis in meine Fingerspitzen floss. Schon spürte ich die ersten Tropfen auf meiner Wange, welche immer mehr und mehr wurden. Lächelnd seufzte ich auf, als das Wasser meine Haare und Klamotten durchnässte. Es war schon eine halbe Ewigkeit her, dass ich mich gründlich hatte waschen können. Zuerst spülte ich den ganzen Dreck aus meinen Haaren und Klamotten, dann zog ich diese aus, um meinen Körper zu waschen. Summend stand ich also dort.... „Leila, wo bist du?", hörte ich plötzlich Alistair nicht weit entfernt nach mir rufen. Erschrocken fuhr ich zusammen und stand wie versteinert da. Wenn er mich so entdeckte....! Bei dem Gedanke floss wieder Leben durch meinen Körper und ich packte die nassen Klamotten, um mich damit einigermaßen zu bedecken. Gerade noch rechtzeitig! Denn Alistair kam in derselben Sekunde um die Ecke gestürmt. 

Als er mich nass und mit meiner Kleidung an mich drückend dort stehen sah, blieb er sofort stehen und sah mich verdutzt an. Peinlich berührt und beschämt sah ich zu ihm und wartete darauf, dass er sich abwandte, doch das tat er nicht. „Ich wollte nicht stören, aber wenn ich schon mal hier bin, könnte ich mich auch säubern.", meinte er mit fiesem Grinsen und kam auf mich zu. Sofort fing mein Herz an zu rasen und mir fiel es schwerer normal zu atmen. Hatte er das wirklich gerade gesagt oder hatte ich mir das nur eingebildet? Doch seine Taten waren mir Antwort genug, denn er kam geradewegs auf mich zu. Nicht ein Hauch von Scham war in seinem Gesicht zu erkennen, seine Augen strahlten hingegen etwas sehr animalisches aus. Wie ein Raubtier während der Jagd und ich war die Beute!

Auf dem Weg zu mir legte er seinen Mantel ab und zog sich sein Hemd über den Kopf. Perplex starrte ich auf den Mann vor mir. Nun war ich es, die sprachlos war. Seine linke Brust war mit schwarzen Symbolen besetzt, doch im Gegensatz zu meinen war nicht schwer zu erraten, für was sie standen. Sie standen für die Schatten und die Dunkelheit. Doch was mich am meisten an ihnen faszinierte war, dass sie aussahen als würden sich die Linien ein wenig bewegen. Als wären die Symbole aus flüssigem schwarzen Gold.

Er sah verboten gut aus, auch wenn ich mir das nicht eingestehen wollte. „Aber Leila! Man starrt doch nicht gleich so direkt!", neckte er mich, als er neben mir zu stehen kann. „Ich muss aber sagen, dass ich auch versucht bin.", gestand er. Bei seinen Worten schoss mir nur noch mehr Blut in den Kopf. Ich sah bestimmt schon aus wie eine Tomate. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass Alistair hinter mich gegangen war, bis er mir etwas in mein Ohr flüsterte. „Ich verrate dir mal eine Kleinigkeit. Alles, was du gerade unter deiner Kleidung versteckst, habe ich schon einmal gesehen. Immerhin musste ich nach deinem Sturz deinen ganzen Körper verbinden. Ich wiederhole.... Deinen ganzen!", flüsterte er mir ins Ohr. Gänsehaut zog sich über meinen Rücken und meine Arme, aber nicht weil mir kalt war. Leila! Ich musste mich endlich zusammenreißen!

„Na und? Trotzdem möchte ich meine Privatsphäre!", sagte ich mit so viel Selbstbewusstsein, wie ich gerade noch aufbringen konnte. Bevor er etwas darauf sagen konnte, fuhr ich auch schon fort, da ich nicht wusste, ob ich nicht bei seinem nächsten Kommentar im Boden versinken würde. „Du bleibst hier und ich gehe dort rüber! Ich kann es für uns beide regnen lassen, aber wehe dir ich sehe dich in meiner Nähe!", mit diesen Worten stapfte ich davon. Als ich mir sicher war, dass er mich nicht mehr hören konnte, atmete ich mehrmals tief ein, um mein klopfendes Herz zu beruhigen. Ich sollte das einfach vergessen und mir Gedanken über Jason, Ryan und Moon machen. 

Legende des Phönix - Herz des Verräters (Bd. 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt