Kapitel 29

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Kurze Zeit folgten wir Alistair schweigend und dachten über seine Worte nach, doch schon bald trafen wir auf die ersten Schatten. Zuerst waren es nur einzelne Paare, welchen wir leicht aus dem Weg gehen konnten, jedoch wurden es nach und nach immer mehr. Als wir dann versteckt im Gebüsch eine Gruppe von zwanzig Schatten beobachteten, war uns allen klar, dass wir hier wesentlich vorsichtiger sein mussten. "Was machen wir jetzt?", zischte Ryan in unsere Richtung, während er angespannt die Gruppe vor uns weiterhin mit seinem Blick verfolgte. "Ich weiß es nicht...", murmelte ich frustriert und blickte zu Alistair, welcher, seit wir hier waren, noch kein Wort gesagt hatte. "Alistair?", murmelte ich in seine Richtung und gab ihm letztendlich einen kleinen Stoß mit meinem Elbogen, was mir dann seine Aufmerksamkeit einbrachte. Genervt rieb er sich die Stelle, an welcher ich ihn getroffen hatte und sah mich vorwurfsvoll an. Gereizt verdrehte ich die Augen, bevor ich Ryans Frage wiederholte. Seufzend blickte Alistair erst zu mir, dann zu Ryan und später zu der Gruppe Schatten, während er zu überlegen schien.

"Das hier ist eine größere Patrouille... Normalerweise ziehen diese an der Stadtmauer entlang, doch diese ist noch zu weit weg! Das muss bedeuten, dass meine Brüder die Wachen erhöht haben.", folgerte er ernüchternd. "Bedeutet das, dass sie uns erwarten? Sie wissen also, dass wir hier sind?", murrte Ryan tough, aber die Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben. "Nein, wenn sie wüssten, dass wir kommen, dann hätten sie mehr Truppen in den Wald geschickt. Sie würden niemals vermuten, dass ihr Feind geradewegs in ihr Reich spaziert, besonders nach dem Traum....", murmelte Alistair nachdenklich, woraufhin ich zustimmend nickte. Ohne Alistair hätten wir das Wissen über die Bibliothek nicht, weswegen wir uns überhaupt auf den Weg hierher gemacht hatten. Die brachte mich zu einem weiteren Punkt, welcher für mich noch unklar war. "Wissen deine Brüder überhaupt, dass du uns begleitest?" Natürlich hatte ich bei diesem Thema einen wunden Punkt bei Alistair und Ryan getroffen. Immerhin fiel es Ryan immer noch schwer zu glauben, dass der Schattenprinz uns wirklich helfen wollte und nicht weiterhin auf der Seite seiner Brüder stand.

"Anfangs haben sie mich zwar versucht, zu kontaktieren, doch das haben sie schon nach kurzer Zeit wieder eingestellt. Bei uns ist es normal, wenn einer mal für eine kurze Zeit oder sogar ein paar Wochen verschwindet. Außerdem bin ich ja mit der Intention, dich zu töten, vom Palast aus losgezogen, weswegen meine Brüder mich als letztes an deiner vermuten würden!", antwortete er mir monoton, doch konnte ich das kleine Lächeln erkennen, welches auch seine Augen erreichte und sie strahlen ließ. "Ich vermute, dass sie die Wachen aufgestockt haben, kurz nachdem ich verschwunden bin, da sie wussten, dass ihr in der Nähe wart. Und auch, wenn sie sich vor dir nicht fürchten, haben sie Angst vor der Legende. Unser Vater hat uns immer eingebläut, dass Legenden von den Schicksalgöttern erschaffen werden, um uns den Weg zu weisen. Ich weiß, dass das albern klingt und das Götter nicht existieren, doch das Schattenvolk glaubt an eine höhere Macht wie den Geist unseres Reiches. Diese höhere Macht soll laut unseren Geschichten auch die Steine gefertigt und für Gleichgewicht gesorgt haben. Ich vermute, dass sie doch mehr in die Legende vertrauen, als sie zugeben würden.", offenbarte uns Alistair. "Du willst mir also gerade wirklich weiß machen, dass ihr an Göttern und so einen Hokuspokus glaubt?", erwiderte Ryan ungläubig, während er Alistair betrachtete, als hätte uns dieser gerade erklärt, dass er eigentlich ein ganz normaler Mensch sei. "Nein, keine Göttern sondern eine höhere Macht. Ich habe nur nach einem passenden Vergleich gesucht. Aber ja, unsere Überlieferungen handeln von so etwas!", murrte Alistair, da er die Situation nicht annähernd so lustig fand wie Ryan, welcher versuchte, das Lachen zu unterdrücken. Dies brachte ihm jedoch nur noch mehr Todesblicke von Alistair ein, was Ryan aber nur noch mehr zusagte. Am liebsten wäre ich aufgesprungen und hätte beide angeschrien, wie sie sich jetzt in dieser Situation so benehmen konnten, doch dann wären wir sicherlich entdeckt worden. Also war es mir nur möglich, beiden einen wütenden Blick zu zuwerfen.

"Wir sollten uns eher darüber unterhalten, was wir jetzt machen!", erinnerte ich Alistair und Ryan leise an unser Problem. Als hätten die Schatten meine Worte gehört, kam Tumult auf und die Gruppe nahm ihr Waffen in die Hand, bevor einer einen Befehl brüllte und sie hinter den Bäumen verschwanden. "Super gemacht, Leila!", kicherte Ryan, nachdem wir noch etwas gewartet hatten, bis es sicher war. Bevor ich jedoch etwas erwidern konnte, war Alistair aufgestanden und schaute uns mit unergründlichem Blick an. "Es wurden zwei Personen bei der Gebirgskette gesichtet...", antwortete er auf meine unausgesprochene Frage, was denn los sei. "Na und? Gut für uns, dann können wir weiter, während die Schatten abgelenkt sind.", erwiderte Ryan triumphierend und wollte schon losmaschieren. Weit kam er aber nicht, da Alistair in aufhielt und in mir machte sich ein ungutes Gefühl breit, welches kurz darauf bestätigt wurde. "Bei den Personen handelt es sich um eine junge Frau und einen Mann, welche verletzt sein sollen und nicht hierher gehören...", fügte er hinzu, was sowohl Ryan als auch mich schockierte. "Jason und Moon...", murmelte ich verzweifelt, worauf Alistair mitfühlend nickte. "Dann müssen wir ihnen nach!", erklärte Ryan, nachdem er sich gefasst hatte. "So einfach ist das nicht. Wir dürfen uns nicht zeigen, sonst wissen meine Brüder, dass wir hier sind. Und glaubt mir, wenn ich sage, dass wir das unter allen Umständen vermeiden sollten!"

Während Ryan weitere Versuche startete, einen Plan zu schmieden, wandte ich mich von beiden ab und ging in dieselbe Richtung, in welche die Patrouille verschwunden war. Unter keinen Umständen würde ich Jason und Moon im Stich lassen. Koste es, was es wolle! Nach kurzer Zeit hörte ich auch schon Schritte hinter mir und spürte den Blick von Alistair, welcher mich wahrscheinlich von hinten erdolchte. "Wir können nicht einfach so, auf sie zulaufen!", sagte Alistair verärgert und wollte mich an meinem Arm festhalten, doch schaffte ich es gekonnt, ihm auszuweichen. "Entweder ihr beide kommt mit mir und helft mit oder ihr bleibt hier und steht mir nicht im Weg! Aber aufhalten könnt ihr mich nicht...", zischte ich, während ich durch den üppigen Wald stapfte und der Spur der Schatten folgte. Zwar sagte keiner von beiden mehr etwas, doch hätte ich schwören können, dass Ryan sich bei Alistair beschwert hatte, wie sturr ich war, und dass er was machen sollte. Schnell fasste ich aber den Entschluss, beide zu ignorieren und mich darauf zu konzentrieren, den Schatten zu folgen. Es dauerte nicht lange, bis wir sie eingeholt hatten, weshalb wir uns in gebührendem Abstand vor sie schoben, um vor ihnen bei Moon und Jason anzukommen. Eine halbe Stunde kämpften wir uns durch den Wald, bis wir sie zwischen den ausgetrockneten Stämmen nahe des Gebirges erblickten. Sorge machte sich in mir breit, als ich erkennen konnte, dass Jason sich auf Moon stütze und zum Wald humpelte. Vorsichtig blickten wir uns um und versicherten, dass die Schatten uns noch nicht erreicht hatten, bevor wir zu Moon und Jason gingen.

Als wir aus dem Dickicht des Waldes hinaustraten, keuchten beide erschrocken auf. Es dauerte jedoch nicht lange, bis sie erkannten, wen sie vor sich hatten. Ohne lange nachzudenken ließ Moon Jason zu Boden gleiten und kam auf uns zu gelaufen, bis sie mich in die Arme riss und fest an sich drückte. Sie war komplett mit Staub und Dreck bedeckt und auch Blutfelcken waren auf ihrer Kleidung zu sehen, doch all das machte mir nichts aus, da ich einfach nur froh darüber war, sie lebendig bei uns zu wissen. "Seid ihr verletzt?", wollte ich wissen, nachdem ich mcih von ihr gelöst hatte. Moon schüttelte den Kopf, aber blickte traurig zu Jason. "Er ist leider nicht so gut weg gekommen wie ich. Die Felsen haben ihn erwischt, als die Decke eingestürzt ist.", erklärte sie mir, während ich mich zu Jason beugte, um auch ihn zu begrüßen. "Ich bin so froh, dass wir euch gefunden haben!", erwiderte dieser, als er mich in eine Umarmung schloss. "Ich freue mich auch, euch wieder zu sehen.", murmelte ich in seine zerzausten Haare. Ruhe machte sich in mir breit und die Sorge von vorher war wie weggewischt, jedoch zerstörte Alistair den Moment, als er sich räusperte und sich zu Wort meldete. "Ich möchte ja nicht stören, aber in unserem Nacken hockt eine Schattenpatrouille, die wahrscheinlich in den nächsten Minuten hier eintreffen wird!" Damit brachte er uns wieder auf den Boden der Tatsachen zurück.... "Kannst du laufen?", wollte ich von Jason wissen, welcher immer noch mit Schmerz verzerrtem Gesicht am Boden saß. "Ich kann es versuchen...", murmelte er unsicher und versuchte, alleine aufzustehen, jedoch überwältigten ihn die Schmerzen schnell, weshalb er keine zehn Sekunden darauf wieder am Boden landete. "Alistair und Ryan, ihr helft Jason! Wir müssen zurück in den Wald!", wies ich beide an und packte Moon an der Hand. Zusammen schafften wir es gerade noch rechtzeitig, in den Wald zu verschwinden, bevor die Schatten ihr Ziel erreichten, doch waren wir damit noch lange nicht außer Gefahr!

Legende des Phönix - Herz des Verräters (Bd. 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt