Kapitel 22

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Schnaufend stapfte ich davon, da ich wusste, dass ich mich nicht mehr lange beherrschen konnte und ich Leila nicht zeigen wollte, wie sehr mich das mit Ryan traf. Wütend schlug ich gegen jeden Baumstamm, an dem ich vorbeilief und jedes Mal ertönte ein lautes Knacksen, als ich eine tiefe Mulde im Holz hinterließ. Irgendwann blieb ich auf einem freien Feld stehen und ließ mich auf den Boden sinken. Was würde mein Vater nur zu mir sagen, wenn er mich so sehen könnte? Wahrscheinlich würde er über mich spotten.... 

Der dunkle Prinz war weich geworden.... Niemals zuvor hätte ich es mir erlaubt, jemanden in mein Herz zu lassen, von dem ich gezweifelt hatte, dass es überhaupt existiert. Wir Schattenprinzen waren sogar in unserem eigenen Reich als kaltblütig, skrupellos und ohne Gnade bekannt. Niemand wagte es, uns im Weg zu stehen oder unsere Entscheidungen in Frage zu stellen. Mein Vater wurde zu seiner Zeit von allen gefürchtet, doch regierte er zwar hart aber gerecht. Auch seine Söhne bestrafte er, wenn es das Gesetz so verlangte. 

Seitdem aber meine Brüder und ich vor einigen Jahren den Thron besteigen hatte, gab es Unruhen in unserem Reich. Da wir uns zu viert das Reich teilten, kam es häufig vor, dass wir uns wegen zu treffenden Entscheidungen stritten. Unsere Herrschaft war geprägt von Streit und Uneinigkeit.... Wahrscheinlich war das auch der Grund, weshalb es dem Volk immer schlechter ging. Es mangelte an Nahrung und an Arbeit. Auch der Krieg ließ nicht lange auf seine Folgen warten. Zwar war die Schattenarmee allen anderen um Längen überlegen, doch kostete dies auch viel. 

Doch anstatt über mein Reich nachzudenken, sollte ich lieber an dem Plan weiterarbeiten, wie wir in das Schloss kommen wollten, ohne dass man uns erwischte. Schon oft waren mir die unterirdischen Tunnel in den Sinn gekommen, welche nach Erzählungen unter der Hauptstadt liegen sollten und bis hinein ins Schloss führten. Mein Vater hatte mir einst davon erzählt, doch zu Gesicht bekommen hatte ich sie nie. Trotzdem war ich fester Überzeugung, dass an diesen Geschichten etwas Wahrheit dahinter stecken musste. Ich konnte mich noch genau daran erinnern, als unser Vater meinen Brüdern und mir eines Abends von den Geheimnissen unserer Stadt erzählt hat. 

Er erzählte uns von einem Kampf, welcher sich vor vielen Jahrhunderten abgespielt hatte.... Ein verfeindetes Heer war in unsere Stadt eingefallen und hatte alle zurück bis zum Schloss gedrängt, welches als einziges Gebäude noch nicht eingenommen worden war. Damals haben sich mehrere Gruppen an Soldaten abgekettet und im Geheimen durch die Tunnel außerhalb der Stadt gebracht. Dort haben sie es geschafft durch einen Hinterhalt, den Großteil des Heeres zu besiegen. Es war der Schlag zum Sieg gewesen! 

Leider waren diese Tunnel anscheinend durch die Zeit vergessen worden und nicht einmal mein Vater hatte uns sagen können, wo sie lagen. Es musste aber irgendwelche Hinweise geben, die zum Eingang dieser Tunnel führten. In mich vertieft kramte ich in meinem Kopf nach irgendwelchen Informationen. Aufgeregt sprang ich auf, als mir etwas einfiel, was die Erkenntnis brachte. Ohne lange nachzudenken, lief ich zurück zum Lager, wo die anderen gerade dabei waren, sich bereit zum Schlafen zu machen. 

Als sie mich bemerkten, kamen sie alle auf mich zu. Leila blieb stockend vor mir stehen und sah mich besorgt an, da sie sich wahrscheinlich Sorgen gemacht hatte, nachdem ich einfach so verschwunden war. „Wo warst du? Wir haben uns Sorgen gemacht, das irgendwas passiert ist.", begann sie, als ich immer noch nichts gesagt hatte. „Es ist alles in Ordnung. Ich habe nur etwas Zeit für mich gebraucht. Doch das tut nichts zur Sache, denn ich habe über unseren Plan nachgedacht. Ich glaube, dass ich die Lösung für unser Problem habe.", erklärte ich ihnen. „Und diese wäre?", erwiderte Ryan misstrauisch. 

Für einen kurzen Moment flammte der Hass wieder in mir auf und ich hätte ihn am liebsten um seinen Kopf gebracht, doch ich riss mich zusammen und versuchte, ihn zu ignorieren. 

„Wie ihr wisst, müssen wir, um in das Schloss zukommen, erstmal unbemerkt durch die Stadt. Wenn das geschafft wäre, müssten wir es ins Schloss schaffen und an einem großen Haufen an Soldaten vorbei. Also ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir es unbemerkt in Schloss schaffen fast null, wenn wir es auf diesen Weg versuchen würden. Zum Glück konnte ich mich aber an eine Geschichte meines Vaters erinnern, in der von einem Tunnel erzählt wird, welche direkt ins Schloss führt. Zwar sind diese Tunnel schon vor langer Zeit vergessen worden, doch ich glaube, dass ich herausgefunden habe, wo ihr Eingang liegt. Durch sie würden wir unterirdisch ins Schloss kommen ohne bemerkt zu werden. Ich weiß aber nicht, was uns dort unten erwarten wird, jedoch ist es die beste Chance hineinzukommen ohne den Kopf zu verlieren. Ich bin nämlich fester Überzeugung, dass meine Brüder uns erwarten werden!", erzählte ich von meiner Entdeckung. 

In jedem ihrer Gesichter konnte ich Neugierde sehen und die Hoffnung, dass unser Plan wirklich funktionieren konnte. Schon nach kurzer Zeit war entschieden, dass wir nach den Tunneln suchen würden und durch sie ins Schloss kommen würden. Gleich am nächsten Tag sollte es losgehen....

Legende des Phönix - Herz des Verräters (Bd. 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt