Kapitel 5

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Wir waren die letzten drei Stunden zusammen weitergezogen. Einerseits freute ich mich sehr, wieder mit meinen Freunden vereint zu sein, andererseits war es sehr anstrengend, da alle sehr angespannt waren. Nur Alistair schien, die Situation zu amüsieren, denn er lief lächelnd neben mir her. Mir hingegen lag die schlechte Laune schwer im Magen. Ich hätte es eigentlich wissen sollen, doch ich hatte gehofft, dass das Aufeinandertreffen anders laufen würde.

 Während wir nach einem Unterschlupf suchten, sprachen Jason und Ryan immer wieder kurz und leise miteinander. Jedes Mal warfen sie heimloche Blicke nach hinten, wo Alistair ging. Natürlich merkte er ihr Verhalten, was ihn aber nur noch mehr zum Lächeln brachte. Ab und zu hörte ich auch ein leises Kichern von seiner Seite. Nachdenklich spielte ich mit der Kette, während ich darüber nachdachte, wie wir nun weiter machen wollten. Immerhin hatten wir jetzt Alistair auf unserer Seite, was uns einen gehörigen Vorteil einbrachte.

Ich war mir sicher, eine dieser Schriften in unseren Besitz bekommen zu wollen. Doch würde es ein halsbrecherisches Unterfangen werden, in das Schloss hinein zu gelangen. Außerdem bestand ein hohes Risiko, dass wir dort Alistairs Brüdern über den Weg laufen würden. Diesen waren wir aber noch nicht gewachsen. Ich hatte noch so viel zu lernen.... Ich musste unbedingt wieder anfangen, zu trainieren, besonders nach dem Sturz. Ich musste meine Kraft und Ausdauer zurückgewinnen. Seit meiner Nahtoderfahrung war ich geschwächt und auch, wenn ich es nicht mehr so stark merkte, wusste ich, dass mein Ausmaß an Kraft wie vor dem Sturz noch nicht wieder da war. Vielleicht könnte mich Alistair unterrichten? Ich hatte schon oft mit ansehen können, zu was er im Stande war. Er wäre bestimmt ein guter Lehrer....

Verstohlen blickte ich zur Seite und musterte Alistair. Ich merkte, wie ich skeptisch wurde, doch bevor ich mich nicht mehr traute, sprach ich ihn darauf an. „Alistair? Was hältst du von dem Vorschlag, mich zu trainieren?", fragte ich ihn lächelnd. Verwundert blickte er mich an und man sah, dass ihn der Vorschlag aus der Bahn zu verwerfen schien. „Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist.", erwiderte er ernst und sah mich schon fast entschuldigend an. „Wieso denn nicht?", wollte ich enttäuscht wissen, da ich wirklich auf eine Zustimmung gehofft hatte.

 „Ich denke nicht, dass ich sowas kann.... Unterrichten....", antwortete er mir. So wie er das Wort Unterrichten aussprach, konnte man heraushören, dass er nichts davon hielt. Seufzend wandte ich mich ab. „Dann werde ich wohl weiter mit den anderen trainieren müssen...", murmelte ich vor mich hin. Ich hätte mich über etwas Abwechslung gefreut. Zwar half mir das Training mit Jason, Ryan und Moon auch sehr, doch ich ging davon aus, dass das Training mit Alistair ganz anders ablaufen würde. Ich war der Meinung, dass es mich mehr fordern würde, da Alistair nun mal sehr stark war und auch schon viel Erfahrung hatte im Kampf. Er könnte mir wahrscheinlich sehr viel beibringen, was ich im Kampf gebrauchen konnte.

Nach einer weiteren Stunde fanden wir endlichen einen geeigneten Platz, während ich und meine Freunde alles herrichteten für die Nacht, verschwand Alistair im Wald. Nach fünf Minuten kamen dann schon die ersten Fragen. „Denkst du wirklich, dass er nichts Böses vorhat?", wollte Jason skeptisch wissen, man sah ihm an, dass er anderer Meinung war. Auch Ryan und Moon schienen, seiner Meinung zu sein, was kein Wunder war. Auch ich konnte es immer noch nicht ganz glauben. Aber er überzeugte mich mit Minute zu Minute mehr. „Ja, ich glaube ihm. Aber ich kann verstehen, dass ihr nicht so denkt. Doch bitte gebt ihm eine Chance.... Er kann uns bei so viel helfen!", gab ich zu bedenken. „Das ist uns klar. Trotzdem machen wir uns Sorgen.... Aber wenn du es willst, geben wir ihm eine Chance!", erwiderte Moon ehrlich. Erleichtert atmete ich auf... Ich hatte gewusst, dass ich auf Moon zählen konnte. 

„Und was machen wir jetzt?", warf Ryan als nächstes in die Runde. „Alistair hat mir von sehr alten Schriften erzählt, welche im Schloss versteckt sind. Es besteht eine Verbindung zwischen den Texten und den Zeichen. Wenn wir so eine Schrift haben, könnten wir herausfinden, was die Symbole auf meiner Haut bedeuten!", schlug ich nachdenklich vor. „Außerdem habe ich eindeutig Training nötig. Der Sturz hat mich sehr geschwächt und ich möchte unbedingt herausfinden, was ich alles machen kann. Ich weiß, ihr werdet das jetzt nicht gut heißen, aber es wäre mein Wunsch, dass Alistair mich zusätzlich unterrichtet.", erzählte ich ihnen hoffnungsvoll. Schweigend wartete ich auf eine Reaktion... „Da wir versuchen, ihm eine Chance zu geben, wäre es keine schlechte Idee, wenn er bei deinem Training hilft. Aber sollte irgendetwas schief laufen, brechen wir dieses Vorhaben sofort ab!", erklärte Moon strikt. Auch die anderen stimmten meiner Bitte zu. Erleichtert atmete ich auf.... Jetzt musste ich nur noch Alistair irgendwie überreden!

Nachdem wir fertig waren, richteten Moon und Jason das Essen her. Ich setzte mich währenddessen vor das Feuer, welches ich angemacht hatte. Gerade, als ich aufstehen wollte, setzte sich Ryan neben mich. „Hey. Ich wollte mich nur einmal erkundigen, wie es dir geht?", fing er etwas schüchtern an. Seufzend überlegte ich. „Naja... Einerseits ist es schön wieder bei euch zu sein, andererseits muss ich andauernd an Training denken oder das Schloss.", gab ich erschöpft zu. Auch wenn ich es nicht zugeben wollte, hatten mir die letzten Tage sehr zugesetzt. „Hat dich Alistair gut behandelt, während ihr unterwegs wart?", fragte Ryan plötzlich. Stockend holte ich Luft und musste an viele Momente zurückdenken. Ohne es zu merken, fasste ich an die Kette, welche ich immer noch um den Hals trug. „Ja, das hat er.", murmelte ich schmunzelnd.

Legende des Phönix - Herz des Verräters (Bd. 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt