Kapitel 6

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Er verstummte, als er den Anhänger um meinen Hals sah. Neugierig musterte ich ihn von der Seite und sah, wie sich die Eifersucht und Wut in seinen Augen funkelten, als er realisierte, woher die Kette kam. „Er scheint dich wirklich sehr gut behandelt zu haben.", stellte er schnaufend fest. Ich hatte Ryan nur selten so gesehen. Mit diesem von Wut verzerrten Gesicht....

Da mir seine Blicke langsam unangenehm wurden, wechselte ich zu einem anderen Thema. Vielleicht würde sich seine Laune dann wieder aufbessern... „Was ist passiert, nachdem ich in den Abgrund gefallen war?", wollte ich gespannt wissen. „Wir haben oft nach dir gerufen, doch du hast kein einziges Mal geantwortet, weswegen wir uns das Schlimmste vorgestellt haben. Wir haben stundenlang nach einem geeigneten Platz gesucht, wo wir einen Abstieg wagen konnten. Als wir dann endlich wieder am Boden waren, waren wir sofort zu dir gelaufen, doch dort, wo du eigentlich hättest liegen sollen, war nur eine Blutlache.", erzählte er mir stockend. Man sah ihm an, wie er gelitten hatte in den letzten Tagen. Wie viel Sorgen er sich gemacht hatte...

„Was habt ihr dann gemacht?",fragte ich aufmerksam. „Wir dachten, dass du tot bist, was auch wahrscheinlichder Fall wäre, hätte dich Alistair nicht gefunden! Du musst wissen, dass ichihn vom ganzen Herzen hasse, doch das er dich uns zurückgebracht hat.... Dafür kannich ihm nicht genug danken.", erwiderte er sanft und fuhr mir zärtlich über dieWange. Verblüfft sah ich zu ihm auf, da ich überrascht war, wie zärtlich er aufeinmal war. Doch bevor ich irgendwas sagen konnte, fuhr er schon fort.

 „Nach langem Suchen fanden wir eine Blutspur im Wald. Wir folgten ihr, doch irgendwann verschwand sie. Einfach so! Doch dort fanden wir noch einige Kleidungsfetzen von dir, welche mit Blut vollgesogen waren. Deshalb gingen wir davon aus, dass die vielleicht irgendein Tier mitgeschleift hätte. Da es kurz darauf schon dunkel wurde, mussten wir uns einen Unterschlupf suchen. Mehr als einen Tag blieben wir noch dort und suchten nach dir, in der Hoffnung irgendein Lebenszeichen von dir zu finden. Doch nach diesem Tag gaben wir es auf.... Wir wollten einfach nur aus dem Wald, doch sowohl Jason und Moon als auch ich wussten, dass du deine Aufgabe weitergemacht hättest, egal was passiert wäre. Deshalb beschlossen wir nach dem Schloss zu suchen und die Schattenprinzen mit allem, was wir hatten, aufzuhalten. Ich weiß, das wäre so gut wie unmöglich gewesen, doch wir wollten nicht, dass du umsonst gestorben warst.", erzählte er mir über die letzten Tage.

Schockiert sah ich ihn an, hatten sie wirklich ihre Leben so leichtsinnig riskieren wollen. „Wieso wolltet ihr das machen? Ich meine, die anderen Schattenprinzen waren auch noch hier in der Gegend, falls sie das nicht immer noch sind!", stotterte ich ungläubig. „Wir handelten, ohne wirklich darüber nachzudenken. Du musst uns versehen...Wir hatten gerade einen uns sehr wichtigen Menschen verloren und es ist nicht so, als ob das nicht schon genug wäre. Du bist diejenige, die dazu bestimmt ist, diese Welt zu retten. Und wir dachten, dass du tot warst! Als wollten wir es wenigstens versuchen, dir zu Ehren.", erklärte er mir etwas traurig. Wenn ich ihn ansah, konnte ich die geweinten Tränen sehen, welche in den letzten Tagen geflossen waren. Sofort tat es mir leid, dass ich ihn so angefahren hatte. Ich verstand sie, wenn ich so darüber nachdachte. Ich hätte wahrscheinlich auch so gehandelt, wäre ich an ihrer Stelle gewesen.

„Tut mir leid, ich glaube, es wäre einfach besser, wenn wir uns für heute ausruhen. Ich bin total erschöpft. Leider bin ich seit dem Sturz noch etwas geschwächt, weshalb mir der Marsch heute etwas zugesetzt hat.", gab ich etwas peinlich gerührt zu, da ich nicht gerne zugab, dass ich schwach war. Schmunzelnd sah mich Ryan an, weshalb ich nur fragend die Augenbraue nach oben zog. „Die große Leila ist also geschwächt! Das hören meine müden Knochen aber gerne.... Immerhin muss ich meinen Arsch die nächsten Tage wieder vor deinen Feuerbällen retten, wenn wir wieder trainieren.", scherzte er. Ihm würde ich noch das Grinsen aus dem Gesicht vertreiben. Immerhin konnte ich mich noch gut an mehrere Trainingseinheiten erinnern, wo danach seine Kleidung etwas löchrig gewesen war. Wenn man bedachte, dass er mich noch vor einem guten Jahr in den Boden gezwungen hat..... Bei dem Gedanken fing ich leise an, zu kichern, doch schon bald konnte ich mich vor Lachen gar nicht mehr halten. Schützend hielt ich mir den Bauch, während ich schon fast am Boden rollte. Ryan saß nur neben mir und sah mich sowohl verwirrt als auch amüsiert an. „An welche fiesen Gemeinheiten musstest du denn denken?", wollte er interessiert wissen, als ich mich endlich wieder beruhigt hatte.

„Nun ja, ich musste nur an viele urkomische Trainingseinheiten denken, als wir noch im Internat waren und ich dich noch nicht in Grund und Boden gestampft habe.", gab ich schmunzelnd zu. Ryans Gesicht erhellte sich, als er an damals dachte. „Ja, die guten alten Zeiten. Wie ich sie vermisse!", sagte er schon fast gequält. Spielerisch schlug ich ihm in die Seite. „Gib doch einfach zu, dass du es nicht ertragen kannst, von einem Mädchen besiegt zu werden.", kicherte ich und sah ihn herausfordernd an. „Das glaubst aber auch nur du.", murmelte er schon fast beleidigt. Gerade, als ich etwas erwidern wollte, ertönte hinter uns eine Stimme. „Ich möchte nicht stören, aber ich würde Leila kurz entführen wollen.", erklang plötzlich Alistairs Stimme. Erschrocken fuhren ich und Ryan herum und blickten zum Schattenprinzen auf, welcher mich erwartungsvoll ansah. Entschuldigend wandte ich mich an Ryan, doch dieser musterte Alistair mit bösen Blicken. „Ich komme....", murmelte ich.

Legende des Phönix - Herz des Verräters (Bd. 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt