Kapitel 28

135 11 0
                                    

"Sowas hätte niemals passieren dürfen!", murrt eine Stimme aufgebracht nicht weit von mir entfernt. Ich wollte neugierig meine Augen öffnen, doch eine enorme Müdigkeit hatte von meinem ganzen Körper Besitz ergriffen, weshalb sich mein Vorhaben als eine große Herausforderung darstellte. Alistair und Ryan schienen, nicht zu merken, dass ich wieder bei Bewusstsein war, da sie in eine ernste Diskussion verstrickt waren. "Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich nicht weiß, warum sie zugriff auf ihren Geist haben...", erwiderte Alistair genervt, bevor ich es endlich schaffte meine Augen aufzureißen. "Aber wir müssen jetzt viel vorsichtiger sein..." Ich wollte beide auf mich aufmerksam machen, jedoch machte mir mein staubtrockener Hals einen Strich durch die Rechnung. Als ich zu Worten ansetzte und die Luft durch meinen Körper lief, erfasste mich ein Hustanfall, welcher meinen ganzen Körper durchschüttelte. Mit verzogenem Gesicht hielt ich mir meinen Bauch, da meine Nerven und Gliedmaßen noch immer sehr strappaziert waren. Zu meinem Glück hatte Alistair es jedoch geschafft, die meisten meiner Wunden fast vollständig zu heilen. Nur bei den schwersten konnte ich noch aufgerissene Haut erkennen, doch hatten sich diese Verletzungen nun auch fast komplett geschlossen. Seufzend sank ich zurück an die Wand, als sich mein Körper beruhigte und blickte zu Ryan und Alistair, welche durch meinen Anfall bemerkt hatten, dass ich wach war. Besorgt waren sie auf mich zugekommen und standen nun vor mir, während sie mich genauestens musterten, ob irgendwas passiert war. "Wie geht es dir?", meldete sich Ryan als erster zu Wort und ließ sich vor mir in die Hocke. Erschöpft sah ich zu, wie er meine Verletzungen begutachtete, während er auf eine Antwort wartete. "Mir ging es zwar schon besser, aber Alistairs Heilkur hat wahre Wunder bewirkt...", witzelte ich, bevor ich wieder von einem leichten Hustanfall ergriffen wurde. Alistair schien, zu merken, was ich brauchte und reichte mir einen Wasserschlauch, welchen ich dankend annahm. Mit zittriger Hand führte ich den kostbaren Tropfen an meine Lippen und ließ das erlösende Nass in meinen Mund strömen. Genüsslich seufzend schloss ich meine Augen und trank noch ein paar Schlücke, bis ich Alistair den Trinkschlauch zurück gab. Ryan warf diesem einen bösen Blick zu, bevor er sich wieder an mich wandte. "Du hattest also keine weiteren Besuche der Schattenprinzen in deinem Kopf?", wollte er besorgt wissen, doch der besorgte Blick wich Erleichterung, als ich Kopf schüttelnd verneinte. Aufgrund der Frage und dem, was ich davor gehört hatte, formte sich meine enttäuschte Feststellung. "Ihr wisst also auch nicht, was es damit auf sich hat...", murmelte ich niedergeschlagen und musterte meine eingerissenen Fingernägel, welche verdreckt von Blut und Dreck waren. Traurig dachte ich an das letzte Mal, als ich ein Bad zur Verfügung hatte.... Erschrocken musste ich feststellen, dass ich mich nicht mehr daran erinnern konnte, da die Zeit vom Internat so weit hinter uns lag, als wäre all das in einem anderen Leben passiert. Ryan schüttelte nur neidergeschlagen den Kopf und auch Alistair schien, mehr als verzweifelt zu sein. Unangenehme Stille verbreitete sich, doch lange hielt sie nicht an, denn sie wurde von Alistars ausruf durchbrochen. "Ich habe eine Idee!", rief er begeistert und steiß Ryan auf die Seite, als er neben mir in die Hocke ging und meine Hand in seine nahm. Konzentriert versuchte ich, das Kribbeln, welches seine Berührungen auslössten, zu ignorieren. "Dir und mir ist schonmal dasselbe passiert!", erklärte Alistair mir seine Euphorie. Kurz wusste ich nicht von, was er redete, doch bald schon kamen in mir Erinnerungen an diverse Träume hoch, in welchen ich Alistair gesehen oder er sogar mit mir gesprochen hatte. Zu dieser Zeit war er noch bei seinen Brüdern gewesen und hatte ihnen zu Seite gestanden, doch war es immer nur Alistair gewesen, der mit mir Kontakt aufgenommen hatte. "Du meinst also, dass deine Brüder dasselbe machen, wie du damals mit mir?", sprach ich Alistairs Gedanken laut aus, woraufhin er nur bestästigend nickte. Ryan, welcher Alistair mit zu durchbohren versuchte, schien jedoch keine Ahnung zu haben, über was wir redeten. Deshalb erklärte ich ihm kurz, was zwischen Alisatir und mir vorgefallen war, bevor er zu uns gestoßen war.
Mit jedem weiteren Satz, welchen ich von mir gab, schien die Umgebungstemperatur zu sinken, was wohl Ryans Laune zu zuschreiben war. Diese sank nämlich mit jedem weiteren Wort über Alistair gewaltig, weswegen ich auch in manchen Momenten die Befürchtung hatte, dass Ryan auf Alistair losgehen würde, bis nichts außer Asche von ihm übrig war. Zu meinem Glück blieb es nur dabei, dass Alistair mit wohl allen existenten Beschimpfungen beworfen wurde. "Beruhigst du dich bitte....", murrte Alistair nach einer Weile, was Ryan nur noch mehr aufregte, da seine verkrampften Fäuste in Flammen aufgingen und sein Gesicht einer mörderischen Fratze ähnelte. "Wag es ja nicht, mir irgendwelche Anweisungen zu geben. Immerhin bist du derjenige, welcher vor kurzem noch mit Gedanken an Leilas Tod beschäftigt war.", flüsterte er gefährlich, doch anscheinend schienen seine Worte, ihr Ziel zu erfüllen, da Alistair getroffen zur Seite blickte. Mit zusammen gepressten Lippen starrte ich Alistair an, da Ryan nicht ganz Unrecht hatte und auch Alistair verstand dies. Bevor die beiden uns jedoch unter einer Lawine an Steinen vergraben konnte, wenn die Beide aufeinander losgingen, spielte ich ergeben den Streitschlichter. "Falls es euch nicht aufgefallen ist, haben wir im Moment schlimmere Probleme als die Vergangenheit.", erinnerte ich Ryan und Alistair, bevor ich mich direkt an Ryan wandte. "Außerdem hat Alistair nun schon oft genug bewiesen, dass er auf unserer Seite steht. Immerhin hat er mir nicht nur einmal das Leben gerettet, also gib ihm eine Chance!" Ryan erwiderte nichts weiter als ein bitteres Schnauben, stand auf und ging zum Feuer, wo er sich auf den Boden sinken ließ und uns den Rücken zu drehte. Kopf schüttelnd beobachtete ich ihn dabei, währen sich Frustration in mir breit machte, da ich nicht verstehen konnte, wieso er jetzt so hitzköpfig und sturr war. Auch Alistair hatte Ryan beobachtet, doch anstatt genauso zu fühlen wie ich, drückte er nur aufmunternd meine Hand. "Das wird schon wieder... Ich glaube, er mag nur nicht, dass du ihm aufzeigst, was wir schon zusammen durchgestanden haben.", flüsterte er mir ehrlich zu, was mich mehr als verblüffte, da ich von ihm am aller wenigsten Verständnis erwartet hatte. "Aber was machen wir nun wegen deinen Brüdern?", fragte ich ängstlich, da wir immer noch keine Lösung gefunden hatten. Traurig musterte Alistair jeden Zentimeter meiner verzweifelten Gesichts und hob seine Hand an meine Wange. Verblüfft blickte ich in die zärtlichen Augen des Schattenprinzen, doch anstatt mir über die Wange zu streichen, ließ er seine Hand wieder sinken und von der Zärtlichkeit war nichts mehr zu sehen, als wäre sie nie da gewesen. "Wir werden schon noch einen Weg finden, meine Brüder davon abzuhalten, doch zuerst müssen wir erstmal mit uns selbst klar kommen, sonst bekommen wir gar nichts Zustande!", sagte er räuspernd und bot mir seine Hand, um auch zum Feuer zu gehen. Dankend nahm ich sie an und stemmte mich an der Wand hoch. Jedoch gelang es mir nicht so gut, wie ich gehofft hatte, denn Alistair musste mich regelrecht aufheben, da meine Beine fast unter mir weggeknickt wären. Aber die restlichen Meter zum Feuer schaffte ich unter großer Anstrengung allein, da ich es nicht über mich brachte, mich von Alistair dorthin tragen zu lassen. Besonders, da ich wusste, dass Ryan darauf mehr als allergisch reagieren würde.... Alistair hatte Recht damit, dass wir zu aller erst unsere Gruppe wieder in den Griff bekommen mussten... Ach, wie ich Jason und Moon vermisste! Beide waren eher ruhige Personen und ich war hier gefangen mit den hitzigsten Charakteren aus unserem bunten Haufen!
Schweigend saßen wir neben einander, während wir an ein paar getrockneten Früchten kauten, welche Alistair gesammelt hatte, bevor wir in den Berg gegangen waren. Ryan starrte immer noch wütend in Flammen und sprach kein Wort mit uns, wohingegen Alistair in Gedanken versunken war. Ich wusste nicht, ob ich hoffen sollte, dass er mit seiner Theorie Recht hatte... Immerhin wäre es zwar eine Erklärung, doch wussten Alistair und ich nicht einmal, warum wir diese Verbindung zueinander gehabt hatten. Nach einiger Zeit der Stille hatten wir uns einigen können, dass wir uns weiter auf den Weg zum Eingang machten. Zwar war Alistair dagegen gewesen, da er meinte, dass die Heilung sowohl ihn als auch mich viel Kraft gekostet hatte, doch auch Ryan stimmte dafür, weiterzugehen. Deshalb packten wir unsere Sachen und machten weiter mit unserer Suche nach einem Ausgang. Aber Alistair, welcher nicht gerade erfreut über unsere Entscheidung war, konnte uns versichern, dass es nicht mehr weit war, da er die magischen Schwingungen des Schattenreichs schon spüren konnte. Wir  schauten in nur verwirrt an, da weder Ryan noch ich irgendeine Art von Magie spüren konnten bis auf unsere eigene. Aber beide taten wir es damit ab, dass der Schattenprinz wahrscheinlich eine stärker Verbindung zu seinem Reich hatte als wir. Anstatt erfreut darüber zu sein, dass wir bald an unserem Ziel ware, machte sich Sorge in Alistairs Gesicht breit und seine Bewegungen veränderten sich und glichen den eines Schattens.... Ryan und ich taten es ihm so gut wie möglich gleich, da wir die Warnung in seinen Worten verstanden. Sobald wir aus dem Berg treten würden, wären wir im Kern des Schattenreichs und jedes Wesen dort wollte unseren Tod!
Zuerst wusste ich nicht, was Alistair mit magischen Schwingungen meinte, doch nach einer Weile konnte ich Wellen der Magie spüren, welche immer stärker zu werden schienen. Magie hatte sich immer lebendig angefühlt und die Feuermagie von Jason und Ryan war warm und angenehm, aber die Schattenmagie war kalt und ließ mich frösteln. Jason und Ryan bemerkten, dass ich zu zittern begann, weshalb sie mir einen Mantel hinhielten, welcher gerade noch so als einer durchging. Als mein Zittern dan nicht verschwand, sondern schlimmer wurde, ging Alistair ein Licht auf! "Du spürst es auch....!", stellte er erstaunt fest. "Was.... spüre ich?", sagte ich mit klappernden Zähnen und blickte ihn verwirrt an, da ich nicht genau wusste, was er meinte. "Die Essenz meines Reiches.", antwortete er knapp, was aber bei Ryan als auch bei mir nur noch mehr Fragezeichen aufwarf. Seufzend blieb er stehen und drehte sich zu uns um. "Die Kälte, welche dich druchdringt, ist die Essenz des Schattenreichs. Für jeden fühlt sie sich etwas anders an, aber normalerweise kann sie nur wahrgenommen werden von einem Schatten.", versuchte er unsere unausgesprochenen Fragen zu beantworten. "Also ist das gar nicht die Magie, von der du geredet hast?", überlegte ich kurz, woraufhin er nur nickte. Jedoch brachte mich dies direkt zu meiner nächsten Frage... "Warum kann ich sie dann spüren, wenn das eigentlich nicht sein dürfte?", wollte ich irritiert wissen. Daraufhin bekam ich aber nur einen unwissenden Blick und ein kurzes Schulterzucken, doch Alistair merkte, dass uns das nicht zufrieden stimmen würde. "Ich weiß nicht, warum es bei dir so ist, aber ich weiß, warum wir Schatten es können. Kurz nach der Geburt wird man in einer Heiligen Stätte in der Mitte des Reiches geweiht. Mein Vater erzählte mir, dass das Schattenreich einen Art Willen besitzt.... Es allein bestimmt, welche Schatten stark genug sind, seines Segens würdig zu sein. Alle die sich würdig erweisen, werden zu wertvollen Mitglieder des Volkes und die Unwürdigen werden meist von ihren Familien verstoßen, da man sie als schwach ansieht. Aber ich kann mir keinen Reim daraus machen, warum du mit dem Schattenreich verbunden bist... Du bist weder ein Schattenwesen, noch warst du in den Heiligen Stätten, denn nur dort kann eine solche Verbindung entstehen, da die Essenz des Reiches dort am größten ist. Jedoch hast du aus irgendwelchen Gründen den Segen erhalten...", klärte uns Alistair auf. Ihm fiel auf, dass wir diese Neuigkeiten erst verdauen mussten, weshalb er sich umdrehte und unseren Weg fortsetzte.

Legende des Phönix - Herz des Verräters (Bd. 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt