„Du quetscht dich nicht nur durch Lüftungsschächte, sondern kletterst auch noch aufs Dach?", hakte meine Freundin entsetzt nach.
„Jap", gab ich kurz angebunden zurück und zog sie hinter mir her durch die kleine Tür.
„Und schon sind wir da", gab ich ihr zu verstehen, auch, wenn das vermutlich gar nicht mehr nötig war.
„Wow", hauchte sie nur und lief einige Meter über das flache Dach, um sich einen besseren Überblick zu schaffen.
Die Sonne war schon längst untergegangen und die Sterne funkelten wie tausend Diamanten. Zu meiner Überraschung war heute keine einzige Wolke am Himmel und man hatte einen Blick über die ganze Stadt.
„Das ist ja wunderschön", seufzte Feli verzückt und ließ sich in den Schneidersitz sinken, was ich ihr sofort nachtat.
Wir schwiegen lange Zeit und konzentrierten uns nur auf den Anblick, der sich uns bot. Für einen kleinen Moment vergaß ich alle meine Sorgen und konzentrierte mich nur auf das hier und jetzt. Wie lange wir dort saßen? Ich wusste es nicht, vielleicht waren es ein paar Minuten, vielleicht aber auch Stunden. Ich hätte hier noch ewig sitzen können, doch die Zeit blieb leider nicht stehen und wir verließen meinen Lieblingsplatz schließlich wieder. Doch vorher musste ich Feli versprechen, wieder hier zurückzukehren.Als wir schlussendlich im Bett lagen, konnte ich nicht einschlafen. Es war für meine Verhältnisse einfach zu früh und müde war ich noch lange nicht. Durch das gleichmäßige Atmen von Feli konnte ich erkennen, dass sie anders als ich, schon im Land der Träume versunken war und machte mich so alleine auf den Weg durch das Schloss. Ziellos passierte ich die leeren Gänge und traf glücklicherweise auf niemanden, der mich aufhielt. So war es immer, wenn ich einen abendlichen Rundgang machte, doch ich wusste trotzdem, dass immer ein kleiner Teil der Angestellten und Bewohner noch wach war.
Heute trugen mich meine Füße bis vor die große Tür, die einen zur Küche führte. Laut dem Plan der Bediensteten, den ich gleich bei meiner Ankunft auswendig gelernt hatte, konnte ich mir sicher sein, dass sich um diese Uhrzeit niemand mehr hier aufhalten würde. Ohne Zweifel, dass mein Gehirn falsch lag, betrat ich den Raum und sofort schlug mir der altbekannte Duft nach Gebäck entgegen. Tief sog ich diesen in meine Lungen ein und bedauerte mal wieder, dass ich kein bisschen backen konnte. So oft ich es auch versuchte, immer ging etwas schief. Mal vergaß ich Zutaten wie Zucker, Backpulver oder Milch, ein anderes Mal stellte ich den Backofen falsch ein, sodass mein jeweiliges Vorhaben immer verbrannte. Trotzdem liebte ich es, neue Rezepte auszuprobieren, was ich auch des öfteren mal tat. Mit dem Dach war hier einer meiner Lieblingsorte, einfach, weil niemand etwas an einem zu bemängeln hatte und man auch mal ausgelassen sein konnte.
Leise trat ich weiter in den Raum ein und bemerkte erst jetzt, dass die Lichter gar nicht aus waren. Sie beleuchteten die Küche in einem angenehmen Licht und verschafften eine angenehme Atmosphäre. Doch ich war nicht wie vorher erwartet allein. Ein großer Mann beugte sich gerade hinunter, um den Ofen anzuschalten, und als er sich dann aufrichtete konnte ich auch erkennen, wen ich da vor mir hatte.
„Max? Was um alles in der Welt machst du hier?"
„Ich wollte etwas backen, und du? Es ist schon spät, solltest du nicht schlafen?"
„Das gleiche könnte ich dich fragen. Ich meine, wer backt bitte noch um diese Uhrzeit?", antwortete und verkniff mir dabei nachzuhaken, ob er wirklich backen konnte.
Ich hoffte nicht, das wäre wirklich zu viel des Gutem.
„Ich", meinte er schulterzuckend und stellte nebenbei einen Timer.
„Aber es ist schön, dich hier nochmal zu treffen. Unsere Begegnung in der Stadt war ja relativ kurz, vielleicht können wir ja kurz reden. Du hast dich lange nicht gemeldet."
„Kann sein", ich zuckte die Schultern halbherzig und ließ mich auf einen kleinen Hocker sinken, der in einer Ecke stand.
Erst hatte ich vor, abzuhauen, aber ich wollte ihm keinesfalls zeigen, wie unangenehm mir die Situation war.
„Aber warum?"
„Denk doch mal nach. Was könnte es sein?", gespielt fragend legte ich den Finger an mein Kinn und blickte fragend in der Gegend herum.
Es war mir egal, ob ich jetzt kindisch wirkte, ich wollte einfach nicht in Wut verfallen und das Verhalten eines Kindes half mir auf seltsame Weise dabei.
„Ich hab keine Ahnung", erklärte er mir verzweifelt, woraufhin ich die Augen verdrehte.
„Vielleicht wurdest du an dem Tag angerufen? Vielleicht hast du vergessen aufzulegen? Und vielleicht hast du etwas preisgegeben, was ich vielleicht nicht hätte hören sollen? Nur als kleiner Tipp für die Zukunft: Kein Mädchen mag es, ausgenutzt zu werden", empörte ich mich und steigerte mich immer weiter in die Situation hinein.Schlagartig wich ihm alle Farbe aus dem Gesicht und ihm schien einiges klar zu werden. Na endlich.
„Aber das war doch nicht so gemeint! Ich hatte vor dir alles zu sagen, aber..."
Ich unterbrach ihn:
„Aber was? Du konntest nicht, weil du einen königlichen Eid abgelegt hast? Du deine Stimme verloren hast? Sorry, aber da musst du dir echt was besseres einfallen lassen."
Ich stieß die angehaltene Luft empört aus und blickte ihn herausfordernd an.
Erst schien er vollständig verstummt, doch dann strafte er die Schultern und verkündete:
„Ich werde dich wieder überzeugen. Glaub mir, ich werde kämpfen."
Geschockt beobachtete ich ihn, wie er den Ofen öffnete und einen perfekt gebackenen Kuchen herausholte. Geschickt schnitt er ihn an, platzierte ein Stück auf einem bereitgestellten Teller und überreichte ihn mir, ehe er ohne ein weiteres Wort die Küche verließ. Ich stand einige Sekunden wie versteinert da, doch dann schlich sich ein kleines Lächeln auf mein Gesicht. Während ich den Kuchen verputzte trat ich den Rückweg in mein Zimmer an. Ich musste zugeben, das der Kuchen einfach göttlich schmeckte.Schnell putzte ich mir noch die Zähne, bevor ich ins Bett sank und an die Decke starrte. Na, dann war ich mal gespannt, was Max sich alles einfallen lassen würde. Ich würde mich wieder mit ihm vertragen, aber ob da noch mehr kommen würde, wusste ich nicht. Aber egal, was passieren würde, langweilig würde es auf keinen Fall werden. Soviel stand fest.
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Royal Love
RomanceJeder kennt sie, die wahre Liebe. Aber was wäre, wenn Sie schon von Geburt an füreinander bestimmt sind? Verfolge Carla auf die spanende Reise des Lebens und erfahre ein gutbehütetes Geheimnis. Don't like it don't read it Carla ist ein ganz normales...