Immer noch zusammengekauert in meinem Sitz sah ich aus dem Fenster während Marlene durch die Straßen fuhr. Die Bäume zogen an uns vorbei und Menschen gingen ihrem Alltag nach. Kinder spielten auf Spielplätzen, während Jugendliche Skateboard fuhren oder in kleinen Gruppen zusammenstanden und lachten. Als das Auto an einer Ampel zum Stehen kam, beobachtete ich die Leute, die über die Straße gehen wollten. Ein kleines Mädchen stand geduldig an der Ampel, sah auf die andere Seite und wartete brav bis die Fußgängerampel auf Grün schaltete. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf meine Lippen.
Eine junge Frau half einer älteren Dame über die Straße, während Jugendliche, ohne von ihrem Handy hochzuschauen, über die Straße liefen. Mir stach ein Pärchen ins Auge. Die Beiden hielten Händchen, sahen sich verliebt an und lachten zusammen. Ich seufzte und ließ meine Augen wieder zu dem Mädchen schweifen, das nun über die Straße lief, dennoch alle paar Sekunden nach rechts und links sah, um sicher zu sein, dass niemand losfuhr.
Es ist Wahnsinn, wenn man drüber nachdachte, dass jeder Mensch, egal wie alt, woher oder aus welcher Familie, irgendetwas durchmachte. Jeder der gerade über die Straße lief oder in den Autos wartete, hatte mit irgendetwas zu kämpfen, obwohl man es ihnen nicht ansah. Traurig, wenn man drüber nachdachte. Man be- und verurteilte Menschen so schnell, dass man gar nicht mitbekam wie sehr man den Menschen damit schadete. Selbst das kleine Mädchen: Mit Sicherheit belastete auch sie etwas, auch wenn sie so viel Freude ausstrahlte. Man konnte es den Menschen nicht ansehen. Mir würde man ja auch nicht ansehen, dass ich seit Kindertagen von meinen Eltern misshandelt wurde geschweige denn, dass ich den Mann verloren hatte, den ich liebte, trotz alledem was er mir angetan hatte.
Mein Blick und der des kleinen Mädchens trafen sich. Sie sah unsicher aus, etwas verwirrt, aber ich konnte es ihr nicht verübeln. Ich sah wahrscheinlich schrecklich aus und das kleine Ding fragte sich sicherlich was passiert war. Ihre großen Augen sahen dann zu meiner Schwester und zurück zu mir. Ich schenkte ihr ein leichtes Lächeln. Daraufhin hellte sich ihr Gesicht ebenso auf und sie zeigte mir ein großes Lächeln, welches mich aufmunterte. Lächelnd schüttelte ich leicht den Kopf und sah zu, wie sie auf der anderen Straßenseite ankam, mir zu wank und dann weiterlief.
"Kinder sind was Tolles, stimmt's?", fragte Marlene und ich sah zu ihr hinüber. Ihr Blick war auf die grün werdende Ampel gerichtet, doch auf ihren Lippen zierte ein Lächeln. Ich nickte nur zustimmend, unwissend, ob sie dies überhaupt mitbekam. Sobald das Auto weiterfuhr, richtete sich mein Blick wieder aus dem Fenster.
Marlene bog in die nächste Straße ein und ich wusste sofort wo wir waren. Es traf mich wie ein Schlag. Unzählige Emotionen prasselten auf mich ein. Ungewissheit, Trauer, Glück, Freude, Angst. Ich wusste nicht, was ich fühlen sollte.
Es fühlte sich an als würde Marlene plötzlich langsamer fahren, doch nach einem kurzen Blick zu ihr, verwarf ich diesen Gedanken wieder. Ich sah auf die Gebäude auf der rechten Seite. Es kam mir vor als wäre es gestern gewesen, als ich hier war. Vor dem Harmony. Dem Nachtclub wo alles begann. Wie ich in der Schlange stand und mich beobachtet gefühlt hatte und wie ich Niklas kennengelernt hatte.
Niklas.
Er hatte sich sicher den Kopf zerbrochen als ich ihm nicht geantwortet hatte. Er hatte sich Sorgen gemacht. Es war ein ungewohntes Gefühl. Jemand hatte sich sichtlich Sorgen gemacht und wollte sichergehen, dass es mir gut ging. Sobald ich Zeit und die Möglichkeit hätte, sollte ich mich definitiv bei ihm melden. Ihm sagen, dass es mir gut geht und, dass es mir leidtat, ihm im Dunkeln stehenzulassen. Ob er überhaupt von mir hören wollte? Er wusste ja nicht, dass ich bei Damian war.
"Können wir anhalten?", fragte ich leise. "Was?", kam es verwundert von Marlene zurück.
"Ob wir anhalten können?", fragte ich erneut leise. "Geht's dir nicht gut?", fragte Marlene besorgt und bremste. Kaum später stand das Auto am Straßenrand. Ich öffnete die Beifahrertür vorsichtig und stieg aus. Mein Blick glitt direkt zu dem leuchtenden Schild über dem Club. Durch die Sonne war das rosafarbene Licht des Schildes kaum zu sehen.
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Kidnapped - gefährliche Leidenschaft
Mystère / ThrillerKatarina möchte, wie so oft auch, einfach ihr Umfeld und ihre Probleme in Alkohol tränken, um alles zu verdrängen. Schon in der Schlange vor dem Eingang des Clubs, fühlte sie sich beobachtet, fand aber nichts Auffälliges in ihrer Umgebung. Eigentlic...