Pakt mit dem Teufel

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Der Weg zum Trödelmarkt war ihr mittlerweile so bekannt, dass sie über die einzelnen Kreuzungen und Straßen nicht länger nachdenken musste und diesem Moment war es ein Fluch. Zu gerne hätte sie etwas gehabt, an das sie ihre Gedanken heften musste. Es war schon spät am Abend oder früh in der Nacht, da hatte sie der Gedanke an Betty und Fisher noch immer nicht schlafen lassen. Es waren viel weniger die Folgen, die nun wie eine trübe Wolke über ihr hingen, als die himmelschreiende Ungerechtigkeit dieses Lebens. Natürlich gab es Wichtigeres, über das sie sich hätte Sorgen machen können, wie die Frage, ob sie den Trödelmarkt überhaupt erreichen würde. Jetzt wo sie musste, dass übernatürliche Gesandte Gottes existierten, die ihr nach dem Leben trachteten, war jeder Schritt einer hin zur Gefahr. Doch ob sie wohl in ihrer Wohnung sicherer war als hier auf der Straße? Wahrscheinlich nicht.

Auf dem Trödelmarkt herrschte ein für diese Uhrzeit noch beachtliches Treiben. Minou konnte nicht wissen, dass es nur dem lauten Donnern zu verschulden war, das gute zehn Minuten vor ihrem Eintreffen die Händler aus ihren Betten geholt hatte. Mit schnellen Schritten eilte sie zu dem Stand, der Cads Zuhause war. Das Treiben wurde dichter. Dann sah sie Tradiaboli. Den alten Mann mit dem krummen Rücken, wie er versuchte, große Decken über die von Brandlöchern zerstörte Plane seines Zeltes zu werfen und mit gebrochener Stimme die Schaulustigen anschrie, sie sollen verschwinden. Nur wenige achteten seine Worte. Es war ein klägliches Bild. Voller Angst drängte Minou sich an den Händlern vorbei, bis sie Tradiaboli erreichte. Getrieben von nur einem Gedanken. Cad.

„Was ist passiert? Wo ist Cad?"

Der Händler hielt in seinem Tun inne, als er sie erkannte. Erschrocken. „Was tust du hier? Verschwinde."

„Was ist passiert? Wo ist Cad?", wiederholte Minou unbeirrt.

„Nichts verdammt. Ich hatte einen kleinen Unfall hier. Winzige Explosion. Die sollen sich alle mal wieder einkriegen, dämliche Gaffer", dann wandte er sich zu ebendiesen. „Verpisst euch", schrie er mit schriller Stimme wie ein trotziges Kind.

Minou blickte ihn fordernd an.

„Was?", fauchte er. „Ach so, Cadmiel. Er ist nicht hier." Dann grinste er schmierig. „Du bist also sein kleines Menschenspielzeug."

Minou konnte den verletzenden Worten keine Beachtung schenken. Cadmiel. Der fremde Name fühlte sich sofort vertraut an. Allem Anschein nach hatte Cad ihr doch nicht die ganze Wahrheit gesagt. Es musste sein Name sein. Sein Name dort, wo er herkam. Dort wo- Minou traf es wie ein Schlag. „Ist er... Ist er... Hat er es geschafft? Ist er in der... der Hölle?" Die Worte kamen nur schwer über ihre Lippen. Es war nicht leicht, über etwas zu reden, von dem man bis vor kurzem noch geglaubt hatte, es würde nicht existieren.

Tradiabolis Augen weiteten sich, so dass das von Adern durchzogene Weiß, das den dunklen Abgrund zu seiner Seele umrahmte, hervortrat. „Du weißt es?" Er packte sie an den Schultern und zog sie hinter das Zelt. Weg von dem Eingang, hinter dem Cadmiels menschliche Hülle schlaff auf dem Boden lag. Seine knochigen Finger fühlten sich an wie der Griff eines Greifvogels.

„Was weißt du? Woher weißt du es? Bist du-", er musterte sie. „Du bist kein Jenseitswesen."

„Er hat es mir erzählt. Alles", sagt sie, wohlwissend, dass es nicht die Wahrheit war.

„Also doch mehr als ein Spielzeug", Tradiaboli trat zurück. Er schien nicht so recht zu wissen, was er von dieser Offenbarung halten sollte.

„Also in der Hölle, ja?", die Worte schmeckten nach Angst. Minou wusste nichts von diesem Ort und was es bedeutete, dort zu sein.

Der Mann nickte. „Der Teufel hat ihn zu sich geholt", er klang stolz.

„Um was zu tun?", sie musste mehrmals schlucken, um das beengende Gefühl in ihrer Kehle loszuwerden.

Wenn Engel fallenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt