Schwere Entscheidung

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„Merlin war tatsächlich einer der wenigen Zauberer, die den Muggeln bekannt waren, auch wenn die Merlingestalt von unseren nichtmagischen Mitmenschen mittlerweile für eine Sage gehalten wird. Merlin hat den Muggelkönig Arthur beraten und galt als ein sehr weiser Zauberer." Sie stellte eine kleine Spielfigur auf den Boden, ließ sie wachsen und hauchte ihr Leben ein. Ein Mann sah sich in der Klasse um, mit einem langen, grauen Bart und ebenso grauen, lagen Haaren. Er war von hagerer Gestalt und trug einen azurblauen Umhang. „Merlin, so ist es überliefert, zog sich in seinen älteren Tagen vor der Welt zurück und begab sich auf die Suche nach dem Heiligen Gral." Eine Hand hob sich. Die Klasse war kleiner geworden. In der ganzen Schule war die Stimmung getrübt. Severus Snape war neuer Schulleiter und hatte gleich zwei Todesser zu neuen Professoren ernannt. Charity Burbadge, ehemalige Lehrerin für Muggelkunde, würde sie wohl nie wieder sehen. Sie wurde von Alecto Carrow ersetzt. Ihr Bruder Amycus Carrow unterrichtete jetzt das Fach, das nun nur noch Dunkle Künste hieß. Muggelstämmige Schüler fand man in Hogwarts nicht mehr. Angst hatte Einzug gehalten. Schüler wurden im Unterricht oder als Bestrafung gefoltert, wenn es Yara, Minerva McGonagall, Professor Flitwick oder einer der anderen Professoren nicht verhindern konnten. Severus Snape hingegen hielt sich im Hintergrund. Yara hatte ihn seit Tagen nicht mehr gesehen...Dabei hatte sie eine folgenschwere Entscheidung getroffen.

„Miss Weasley?"

„Was ist der Gral, Professor?" Die rothaarige sah sie neugierig an.

„Das kann niemand so genau sagen, es ist nicht einmal erwiesen, dass es ihn gibt. Kennen Sie das Märchen von den Drei Brüdern?" Die Gryffindor nickte. „Ein Bruder bekommt den Elderstab, einer den Stein der Auferstehung und der dritte einen Tarnumhang. Einige Hexen und Zauberer bezeichnen diese drei Gegenstände, als die Heiligtümer des Todes. Wenn jemand alle drei Gegenstände auf einmal besitzt, dann, so die Legende, wird er zum Bezwinger des Todes. Man kann also annehmen, dass der Gral und die Heiligtümer ein und dasselbe sind, wenn es sie denn geben sollte. Damit ist die Stunde auch schon wieder zu ende."

Yara hatte es nicht einmal zum Abendessen geschafft. Gerade legte sie die letzten korrigierten Arbeiten zum Thema Sternenkonstellationen zur Seite und warf sich ihren weißen Umhang über, um Nachtwache zu halten. Sie seufzte und steckte sich die Haare hoch. Die schienen nämlich genauso niedergeschlagen wie sie selbst zu sein. Sie nahm eine der Spritzen aus ihrem Schrank, stach sich die dünne Nadel durch die Haut und drückte die klare Flüssigkeit in ihre Vene. Als sie fertig war, entsorgte sie die Spritze und verließ ihre Räume.

Sie streifte durch die verlassenen Korridore. Die Müdigkeit drohte sie zu übermannen, als sie in ihren eigenen Gedanken versank. Als sie wieder daraus erwachte, sah sie sich verwundert um. Ihre Schritte hatten sie direkt in die Kerker geführt. Hier war sie doch sonst nie. Hier hielt Severus Snape wache. Yara lauschte. Doch keine Schritte waren zu hören. Es war still und dunkel und sie war mit sich allein. Endlich wieder ein bisschen Ruhe...Yara wurde mit einem Mal heiß. Sie fuhr sich mit den Händen fahrig über das Gesicht und lehnte sich mit der Stirn gegen eine kalte Steinwand. Doch es wurde nicht besser! Fahrig streifte sie ihren Umhang ab, der nachlässig zu Boden fiel. Sie lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand und rutschte an ihr hinab. Was war das denn?!

Ein blaues Licht tauchte direkt vor ihr auf und sie schreckte hoch. „Yara? Was ist passiert?"

So plötzlich wie sie gekommen war, war die Hitze auch wieder verschwunden. „Severus..." Sie stand auf. „Nichts, ich war nur...müde." Er sah sie prüfend an. Sie wollte ihn nicht noch zusätzlich mit ihren Problemen belasten. „Gut, dass ich dich sehe. Ich wollte noch mit dir reden." Er zog sie einen kleinen Nebengang.

„Hat der Orden zu dir Kontakt aufgenommen?", fragte er leise.

Yara schüttelte den Kopf. „Nein, ich glaube er ist zu zerschlagen. Das letzte wovon ich weiß, ist, das Harry, Ron und Hermine auf der Flucht sind." Eine Weile schwiegen sie. Dann ergriff er das Wort erneut.

„Ich weiß, dass du viel Stress hast. Und es tut mir Leid...", setzte er an, doch sie unterbrach ihn.

„Es geht mir gut. Du hast viel mehr Sorgen, als ich. Weißt du, wie es Harry geht?" Er schüttelte den Kopf. „Wir werden das überstehen oder?" Severus sah sie unverwandt an und Yara verstand ihn. Er hatte nur wenig Hoffnung. Sie sah von unten in seine Augen. In diesem Moment konnte sie für einen kleinen Augenblick alle Probleme vergessen. „Ich habe beschlossen, dass ich mit Anna sprechen muss. Ich will wissen, ob...ich will wissen, warum sie mir das angetan hat."

„Willst du das wirklich?"

„Ja. Ich...all die Jahre..." Sie kämpfte gegen die Tränen an, die in ihr aufstiegen. Sie war viel zu labil geworden. Er nahm ihr Gesicht in seine Hände und Yara wurde augenblicklich ruhiger.

„Ich würde dir so etwas niemals antun.", sagte er leise und Yara glaubte ihm endlich. Vielleicht weil sie einen kleinen Lichtblick brauchte. Weil sie ihre Hoffnungen in ihn setzte. Dann spürte sie seine Lippen auf den ihren. Sie erschauderte wohlig und dann schaffte es doch eine Träne aus ihren Augen, ihre Wange hinab.

Yara - Ein Licht in der DunkelheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt