Er war auf den Weg in die Kerker um Yara Garden zur Strafarbeit zu empfangen. Draußen war es schon dunkel, am klaren Nachthimmel funkelten tausende kleine Sterne. Eine glitzernde Schneedecke bedecke die Ländereien und die Baumwipfel des Verbotenen Waldes. Auf dem Schwarzen See hatte sich eine dünne Eisschicht gebildet. Es war der Weihnachtsabend und die meisten Schüler waren in den Ferien nach Hause gefahren. Im Schloss war es auffällig still.
Er hielt inne, als er eine flüchtige Bewegung aus den Augenwinkeln wahrnahm. Draußen auf den Ländereien bewegte sich etwas. Er ging zum Fenster und sah hinaus in den Abend. Aus dem Verbotenen Wald trat eine Gestalt heraus. Sie trug einen strahlend weißen Umhang, der im Mondlicht silbern schimmerte. Er war lang und schliff über den schneebedeckten Boden. Es war eine junge Frau, mit hochgesteckten, goldblonden Haaren. Der Zaubertrankmeister erkannte sie. Es war Yara Garden! Seine Schülerin! Yara Garden...Eine Schülerin, die er wohl nie vergessen würde. Tatsächlich waren diese Strafarbeiten das erste Mal, dass er Konsequenzen aus ihrem Verhalten zog. Seit Jahren gingen sie sich aus dem Weg so gut es ging, denn wo sie aufeinander trafen, waren Auseinandersetzungen vorprogrammiert. Auch bei den letzten Strafarbeiten - er hatte sie die Tische putzen lassen wollen - war nach wenigen Minuten ein Streit ausgebrochen. Sie hatte sich geweigert, wie zu erwarten gewesen war. Und letzten Freitag...Was war da geschehen? Sie hatte sich sogar bei ihm entschuldigt. Damit hätte er als letztes gerechnet. Er beobachtete sie noch einigen Sekunden, dann machte er sich auf den Weg in die Kerker. In der Eingangshalle traf er mit der jungen Hexe zusammen. Überrascht sah sie auf, als er vor ihr stand. Ihre Wangen waren gerötet vor Kälte und ihre Augen funkelten.
„Wo kommen Sie her?", fragte er nach Sekunden des Schweigens.
„Professor...Ich wollte mich noch umziehen, wenn Sie..."
„Nein. Sie sind ohnehin schon zu spät." Er wandte sich um und an einem Rascheln hinter ihm erkannte er, dass sie ihm folgte. Als er sein Büro erreicht und sich hinter seinem Schreibtisch niedergelassen hatte, schloss sie leise die Tür hinter sich. Es schien ihr zutiefst zu widerstreben ihren Reiseumhang abzulegen. Und was zum Vorschein kam...Damit hatte er nicht gerechnet. Sicher, in ihrer Freizeit trug sie meistens weiße Kleidung. Doch dieses weiße Kleid schimmerte wie Sternenlicht und reichte bis zum Boden. Es war schlicht und dennoch recht freizügig...Wo war sie gewesen? So etwas trug man doch nicht einfach so.
„Der Verbotene Wald ist nicht umsonst für Schüler verboten.", bemerkte er.
„Ja, Sir." Verwundert sah er sie an. Ihr Blick war auf den Boden gerichtet. War sie eingeschüchtert? So kannte er sie gar nicht.
„Wo waren Sie, Miss Garden?" Sie schwieg einige Sekunden und sie biss sich auf die Unterlippe. Ein deutliches Zeichen dafür, dass sie sich noch nicht einig war, ob sie es ihm sagen sollte.
„Am Grab meiner Mutter.", erklärte sie dann leise.
„Wie sind Sie dahin gekommen?"
„Pegasoi." Er nickte. Dann bemerkte er, dass sie verunsichert an ihrem Kleid zupfte und seinen Blick weiterhin mied. Er kannte Yara Garden seit vielen Jahren, doch dass sie so zurückhaltend und zögerlich, fast gar ängstlich war, hatte er noch nicht erlebt. Sie schien mit sich selbst zu kämpfen. „Sir, darf ich Sie etwas fragen?" Sie sah auf und er hob eine Augenbraue. Wann hatte sie jemals um Erlaubnis gebeten? „Wissen Sie...Wissen Sie, wer meine Mutter umgebracht hat?"
Er ließ sich seine Überraschung ob dieser Frage nicht anmerken. Er wusste, dass ihre Mutter vor über einem Jahr umgebracht worden war. Von Todessern. Und das nach über fünf Jahren des Falls des Dunklen Lords. Der Orden des Phönix hatte Yara und ihre Mutter bis dahin geschützt. Keiner hatte nach so langer Zeit noch mit einem Angriff gerechnet. Dumbledore hatte seine Aufmerksamkeit seit diesem Vorfall wieder konzentrierter auf die junge Hexe gerichtet. Seit dem Tod ihrer Mutter lebte sie in den Ferien allein oder blieb in Hogwarts.
„Wie kommen sie darauf?"
„Dumbledore vertraut Ihnen und Sie waren ein Todesser."
„Woher wissen Sie das?"
„Ich war vielleicht damals noch ein Kind, aber sicher nicht dumm. Ich war oft dabei, als sich der Orden getroffen hat." Sie schwiegen einige Sekunden und maßen einander mit Blicken.
„Fragen Sie Ihren Vater.", versuchte er um eine Antwort herumzukommen. Die junge Hexe schnaubte abfällig.
„Er weiß es nicht. Ich war heute auch bei ihm...Was denken Sie, warum ich dieses Kleid trage? Ich will nichts mehr mit ihm zu tun haben. Er hätte meine Mutter beschützen müssen!", ließ sie ihrer Wut freien Lauf. „Wissen Sie es?"
„Wenn ich es wüsste, dann würde ich es Ihnen nicht sagen."
Halb erstaunt, halb wütend sah sie ihn an. Sie verhielt sich wieder genauso, wie er sie kannte. Direkt heraus und gar nicht mehr verlegen.
„Warum nicht?" Sie funkelte ihn böse an. Doch er glaubte auch eine Spur Verzweiflung in ihrem Blick zu erkennen.
„Ich halte Sie nicht für vernünftig. Sie sind auf Rache aus. Und diese Todesser sind weitaus erfahrener und mächtiger als Sie. Überschätzen Sie sich nicht."
„Sie sollten mich nicht unterschätzen.", erwiderte sie mit kalter Stimme. Eine einzelne Strähne hatte sich aus ihrer Frisur gelöst, ihre Wangen waren nach wie vor gerötet, doch jetzt vor Zorn. Sie wirkte entschlossen. „Ich bin sehr wohl vernünftig!"
„Sie sind in diesem Moment unbeherrscht."
„Sie haben mich noch nie unbeherrscht erlebt!" Sie ballte ihre Hände zu Fäusten und atmete tief ein. „Wenn Sie es mir nicht sagen wollen, finde ich es selbst heraus. Einen schönen Abend noch und frohe Weihnachten."
Er schüttelte den Kopf und erwachte aus seinen Erinnerungen. Das alles musste jetzt acht Jahre her sein. Viel war seit dem Geschehen. Seine Schülerin war nun seine Kollegin. Doch der Dunkle Lord suchte noch immer nach ihr.
DU LIEST GERADE
Yara - Ein Licht in der Dunkelheit
FanfictionYara kehrt auf Dumbledores Wunsch als Lehrerin nach Hogwarts zurück. Während die junge Hexe versucht ihrer neuen Stelle gerecht zu werden, trifft sie auch auf ihre ehemaligen Professoren. Gegenwart und Vergangenheit treffen aufeinander. Für den Dunk...