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"Wie geht es ihm?", fragt Zayn mich in der Mittagspause. "Genau so wie gestern auch. Ich mache mir wirklich Sorgen um ihn. Er liegt schon viel zu lange im Koma.", murre ich und versuche, ein ehrliches Lächeln aufzubringen.

Erstmal zu mir:
Ich heiße Louis Tomlinson und bin 29 Jahre alt. Ich arbeite seit acht Jahren in diesem Krankenhaus als Pfleger. Schon immer wollte ich Menschen in Not helfen, habe aber selbst im Traum nicht gedacht, dass sich mein Leben so schlagartig verändern wird.

Vor etwas mehr als vier Jahren wurde ein Patient nach einem schweren Unfall eingeliefert und liegt seitdem im Koma.

Anfangs war seine Freundin fast jeden Tag hier, doch nach einem halben Jahr haben ihre Besuche aufgehört. Seitdem habe ich sie nie wieder gesehen.

Seine Schwester ist öfters mal hier, aber seitdem sie ein Kind bekommen hat, sind ihre Besuche ebenfalls weniger geworden.

Von einem Vater weiß ich nichts, aber eine Frau, die seine Mutter sein könnte, kommt ab und zu mal vorbei.

"Gehst du gleich wieder zu ihm?", fragt Zayn weiter und befüllt seine Gabel. "Ich gehe jeden Tag zu Harry. Da wird sich nichts dran ändern, Zayn.", gebe ich zurück und schiebe den Teller von mir.

Der Name des Patienten lautet Harry Styles. Er ist 27 und in Manchester geboren. Jetzt liegt er seit vier Jahren in diesem Krankenhaus. Er hat sein ganzes Leben noch vor sich. Seine Freundin hat ihn verlassen, weil er ins Krankenhaus gekommen ist, wegen einem Unfall, für den sie verantwortlich war.

Ich kenne nur die Version aus den Akten, aber es muss ziemlich hart gewesen sein. Harry stand kurz vor einem Hirntod, aber aus irgendeinem Wunder sind alle Organe funktionstüchtig.

"Ich muss dann mal wieder los.", verabschiede ich mich von Zayn und werfe meinen Müll in den Mülleimer, bevor ich aus der großen Cafeteria gehe, um wieder auf die Station zu gehen.

Da es für die Patienten jetzt auch Essen gibt, bringe ich jedem ein Tablett ins Zimmer und atme einmal tief durch, als ich nach einer halben Stunde fertig damit bin.

"Louis? Kannst du mal bitte kommen? Ich brauche Hilfe bei Mister Styles. Er muss gewaschen werden, aber Tobi ist nicht da.", fragt Joy und lächelt mich bittend an.

Sofort nicke ich und lege die Akte wieder zurück an ihren Platz.

Alle Pfleger und Ärzte nennen Harry bei seinem Nachnamen, was eigentlich auch richtig ist, aber seitdem ich mit Zayn über ihn rede, nenne ich ihn beim Vornamen.

In seinem Krankenzimmer gehe ich erstmal zum Fenster, um dieses zu öffnen. Wir haben fast Sommer und dementsprechend warm ist es auch in den Zimmern.

Die anderen Patienten können ihre Decken beiseite legen oder eigenständig die Fenster öffnen. Bei Harry ist das anders.

Er ist jetzt schon so lange hier und hat noch nie etwas eigenständig gemacht. Wie denn auch, wenn man seit vier Jahren im Koma und dementsprechend nur im Bett liegt.

*

Nachdem Harry wieder sauber ist, dreckig war er vorher auch nicht, aber trotzdem, habe ich nur noch eine halbe Stunde, bis meine Schicht vorbei ist.

Die Zeit vertreibe ich mir mit einem Tee im Aufenthaltsraum. Viel ist heute nicht los, weswegen ich fünfzehn Minuten vor Dienstende nach Hause geschickt werde.

"Bye!", verabschiede ich mich von meinen Kollegen und gehe direkt in die Richtung von Harrys Zimmer.

Jeden Tag nach meiner Schicht gehe ich zu ihm und unterhalte mich mit Harry. Naja, ich rede eigentlich nur, erzähle ihm von meinem Tag und hoffe, dass er mich hören kann.

Leise öffne ich die Tür und gehe auf sein Bett zu. "Hey Großer.", begrüße ich ihn und streiche über seine weiche Stirn.

"Ich bins, Louis.", fange ich an, so wie jedes mal. "Ich weiß, meine ersten Sätze sind immer die Gleichen. Aber falls du mich vorher nie gehört hast will ich mich nochmal bei dir vorstellen. Du bist jetzt schon seit vier langen Jahren bei uns im Krankenhaus und seitdem war ich fast jeden Tag hier. Ich hoffe es ist okay, dass ich hier bei dir bin, obwohl du mich nicht kennst." Ich nehme vorsichtig seine Hand in meine und streiche sachte über seinen Handrücken, während ich weiter rede.

"Mein Tag war heute eigentlich nicht sehr spannend. Heute Morgen habe ich mit der Tochter einer Patientin gespielt, um sie ein wenig von ihrer Mum zu kriegen. Sie hat Krebs und ihr Mann ist total mit der Sache überfordert. Ich möchte der Familie unbedingt helfen, weiß aber nicht wie. Genau so, wie bei dir, Harry. Wach bitte auf. Tu es für mich oder deine Familie. Du hast eine bezaubernde kleine Nichte und es wäre doch schade, wenn du sie nicht kennenlernen wirst. Wenn deine Schwester mit ihr zu Besuch ist, erzählt sie Darcy, so heißt deine Nichte, immer, was ihr als Kinder unternommen habt."

Ich hebe den Blick von seiner Hand, um in Harrys Gesicht schauen zu können. "Deine Schwester hat mir erzählt, dass du deine Tochter schon immer Darcy nennen wolltest, deswegen hat sie, in Erinnerung an dich, ihre Tochter nach deinem Traumnamen benannt. Wusstest du, dass ich schon immer mal einen Sohn haben wollte? Ich bin Ende Zwanzig und habe bis jetzt noch niemanden gefunden, also eigentlich schon, aber es ist kompliziert."

Zwischenzeitlich gibt der Monitor einen Laut von sich. Lächelnd drücke ich Harrys Hand etwas fester. Diese kleinen extra Schläge sind keineswegs schlimm, im Gegensatz. Ich hoffe einfach, dass es Zeichen sind, dass Harry mich versteht und mir so ein Zeichen gibt.

"Nur ist das nicht so einfach, weißt du? Ich hatte noch nie eine Freundin, was ich auch nicht weiter schlimm finde. Ich finde es ziemlich süß, wenn sie Grübchen und grüne Augen haben, aber ich habe kaum Zeit außerhalb der Arbeit. Und ich will im Moment auch niemanden kennenlernen. Ich bin gerne hier und besonders bei dir, um dir von meinem Tag zu erzählen. Ich hoffe, ich nerve nicht." Leise lache ich und streiche mir eine Strähne aus der Stirn.

Eine Weile erzähle ich noch von meinem Tag und merke, wie ich langsam müde werde, trotzdem habe ich noch keine Lust, nach Hause zu gehen. Immer wieder gähne ich, versuche mich aber wachzuhalten, in dem ich immer mal wieder etwas trinke.

"Lou, aufwachen." Jemand hat seine Hand auf meine Schulter gelegt und ich schrecke von Harrys Arm hoch, auf welchem ich wohl eingeschlafen bin. Zayn lächelt auf mich hinab und ich fahre mir noch ziemlich verwirrt durch die Haare.

"Was machst du hier und wie spät ist es?", frage ich leise und stelle fest, dass es draußen schon dunkel ist. Also ziemlich spät.

"Kurz nach halb Zehn. Ich hatte eine Doppelschicht und deine Sachen lagen noch im Spind. Ich musste nicht lange suchen, um dich zu finden.", grinst er und deutet auf Harry, der immer noch so, wie vor ein paar Stunden, liegt.

"Das ist also Harry Styles.", stellt er fest und ich verdrehe die Augen. "Du hast ihn schon mal gesehen, also stell dich nicht dümmer, als du bist.", entgegne ich und stehe auf.

"Er hat lange Haare bekommen.", kommentiert Zayn und ich nicke.

Als er eingeliefert wurde, waren seine Haare ein bischen länger als jetzt, jedoch mussten sie am Hinterkopf abrasiert werden, da Harry dort operiert werden musste. Jetzt sind alle Haare wieder gleichlang, wenn auch gute sieben Zentimenter kürzer, als vor vier Jahren.

"Lass uns draußen weiter reden, ja? Nicht, dass du mich vor ihm noch bloßstellst, indem du irgendwas ausplauderst.", flüstere ich, sodass Harry eigentlich nichts mitbekommen sollte. Zayn nickt nur und geht in Richtung Tür.

"Ich komme sofort, sage ihm noch kurz Tschüss." Zayn nickt wissend und dann sind Harry und ich wieder alleine im Zimmer.

"Ich lasse dich dann mal wieder alleine. Wenn es in Ordnung ist, komme ich morgen wieder zu dir.", lächele ich und streiche über seine weiche Hand.

Kurz lasse ich meinen Blick noch über den leblosen Körper vor mir wandern, bevor ich tief duchatme und das Zimmer verlasse, wo mein bester Freund schon auf mich wartet.

Only a matter of time || Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt