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Laute Rufe aus dem Hausflur wecken mich, was mir gar nicht gefällt. Ich bin gestern erst spät eingeschlafen, da ich mir über viel zu viele Sachen Gedanken gemacht habe und irgendwie nicht einschlafen konnte.

Bis zum Abend war ich noch bei meinem Stiefvater und den Zwillingen, wo meine anderen beiden Schwestern ebenfalls zu Besuch waren. Eigentlich war es schön, aber die ganze Zeit in vier verschiedene Versionen von Gesichtern meiner mum zu gucken, war dann doch niederschlagend.

Phoebe hat mich anfangs mit Fragen über Harry gelöchert, was einerseits ein wenig abgelenkt aber andererseits auch meine Gefühle für Harry nur verstärkt hat.

Das letzte mal, dass ich Harry gesehen habe, war vor vier Tagen. Es ging ihm schon ziemlich gut und die Krankengymnastik hilft auch richtig gut, nur laufen sehen habe ich ihn noch nicht.

Ein Blick auf meinen Wecker verrät mir, dass ich sowieso in zehn Minuten aufstehen muss, weswegen ich langsam und definitiv viel zu müde aus meinem Bett steige, um ins Badezimmer zu verschwinden, in der Hoffnung wach zu werden.

Auch wenn es Winter ist, versuche ich es mit einer kalten Dusche und ziehe mich danach an. Nur eine Jogginghose und ein engeren Rollkragenpullover, über den ich nachher meinen Kasack anziehen kann.

Nachdem ich ein wenig gefrühstückt, obwohl ich morgens eigentlich keinen Hunger habe, putze ich mir meine Zähne und kämme meine Haare nochmal, bevor ich mir meine Schuhe schnappe und meine Sachen packe, bevor ich eigentlich viel zu früh aus der Wohnung gehe, darauf bedacht, keinem meiner Nachbarn über den Weg zu laufen.

Das Viertel, in dem ich wohne, ist nicht gerade das sozialste und beste, aber das einzige, in dem ich mir eine Wohnung leisten konnte. Auf Dauer ist das hier jedoch auf keinen Fall eine Lösung.

An meinem Auto, welches zwei Straßen weiter steht, weil mir nicht erst einmal die Scheiben eingeschlagen wurden, angekommen, steige ich ein. Direkt fahre ich los und komme zwanzig Minuten später vor dem Krankenhaus an.

Im dunklen gehe ich durch den Haupteingang und begrüße die wenigen Leute freundlich, die mir über den Weg laufen.

Auf Station ist niemand im Gang und das Schwesternzimmer ist zu, weswegen ich direkt zu den Umkleiden gehe und mich anziehe. Das dunkelblaue Oberteil ziehe ich als erstes an und bemerke, dass es kleiner, als das letzte mal ist. Er passt zwar noch, aber definitiv enger, als vor vier Tagen.

Da ich jedoch keinen anderen dabei habe, muss der heute ausreichen oder ich frage mal bei Zayn nach, ob er mir was leihen kann.

Hier im Krankenhaus ist es eigentlich egal, welche Farben wir tragen, nur die Ärzte laufen noch mit Kitteln herum. Manchmal haben wir Pfleger oder die Schwestern die gleiche Kasack Farbe und sind froh, dass die (meisten) Ärzte mit Kitteln rumlaufen.

Als ich auch die Hose gewechselt habe, welche heute weiß ist, klemme ich mein Namensschild an die Brusttasche und stecke einen Block und einen Kugelschreiber in diese.

Schnell schließe ich mein Schließfach ab und gehe dann ins Schwesternzimmer, wo die Nachtschicht sitzt. Mit einem Nicken begrüße ich alle und stecke das Telefon in meine Hosentasche.

Um sechs Uhr beginnt die Übergabe, bei der eigentlich nicht viel spannendes passiert. Bei einer Patientin werden heute die Gipse an den Beinen entfernt und eine andere Patientin wird am Blinddarm operiert. Also alles, was fast tagtäglich irgendwo im Haus passiert.

„Und denkt dran, dass die Krankengymnastik bei Mister Styles heute zwei Stunden geht. Bruno meint, dass es bei ihm ziemlich langsam vorangeht, weswegen er heute mehr mit ihm machen möchte.", kommt es von Tobi und ich seufze leise.

Bruno ist unser Krankengymnast, welchen ich eigentlich immer mochte.

„Was erwartet Bruno denn von ihm? Dass er direkt nach vier Jahren Koma aufsteht und einen Marathon läuft?", lache ich verständnislos und stehe auf.

„Was weiß ich. Das wurde mir nur so mitgeteilt und ich sollte es weitergeben. Wenn du nicht zufrieden damit bist, wie Bruno mit deinem Betthäschen umgeht, beschwere dich bei ihm, nicht bei mir." Tobi steht ebenfalls auf und ich gehe ein paar Schritte auf ihn zu.

Ich bleibe ja lange ruhig, aber sobald man Leute, die ich mag, beleidigt oder schlecht behandelt, drehe ich durch.

„Rede noch einmal so über Harry, und ich bin nicht mehr so lieb wie jetzt. Niemand von euch hat sich auch nur einmal zu ihm gesetzt und mit ihm gesprochen. Ihr seid hier, um euch um die Patienten zu kümmern, nicht um sie links liegen zu lassen." Ich versuche ruhig zu bleiben, was nicht so gut funktioniert, wie erhofft.

„Und wenn du ein Problem mit ihm hast, sag es ihm persönlich und nicht hier in der Runde. Was hat er dir getan? Hat er sich nicht umgedreht, als du ihm waschen solltest, weil er im Koma lag?" Ich lache spöttisch und fahre mir durch die Haare. „Falls du es noch nicht wusstest: Komapatienten können sich schlecht bewegen."

„Mit ihm habe ich kein Problem. Er kann doch keiner Fliege was zu leiden tun, aber du, mein Lieber Mister-Tomlinson- ich-ficke-jeden. Du bist mein Problem. Mit wie vielen Patienten warst du schon im Bett und hast sie danach einfach so fallen lassen? Ich habe es gesehen, als du im Bett von diesem Typen lagst."

Ich fauche und gehe wieder auf Tobi zu, dass er automatisch zurück tritt.

„Ich hatte noch nie etwas mit einem Patienten. Und nur weil ich schwul bin, was bis gestern ja komischerweise auch kein Problem war, heißt es nicht, dass ich mit jedem x-beliebigen ins Bett hüpfe. Falls du es genau wissen willst, auch wenn ich nicht weiß, was es dich angeht, hatte ich seit fünf Jahren keinen Sex mehr und du siehst, dass es mir gut geht. Und warum ich neben Harry lag, kann dir mehr als egal sein. Wenn du ein Problem damit hast, dass ich mich mit Harry besser verstehe, als mit manchen von euch, melde es der Pflegedienstleitung oder dem Chef." Ich werde von Wort zu Wort lauter und bleibe so dicht vor Tobi stehen, dass sich unsere Oberkörper beinahe berühren.

Er schaut mich nur gleichgültig an, weswegen ich schnaube und mich bon ihm wegdrehe.
„Hat noch jemand ein Problem mit mir? Kommt nicht damit klar, dass ich schwul bin?" Es bleibt ruhig und ich lächele gefälscht.

„Schön. Ich bin jetzt arbeiten." Damit verlasse ich den Raum und knalle die Tür vielleicht ein wenig zu laut zu.

Da es ich heute nicht mit der Übergabe dran bin, setze ich mich auf die Couch im Patientenzimmer und atme tief durch.

Niemals habe ich gedacht, dass ich so ausrasten würde, nur wenn jemand etwas über Harry sagt. Ich weiß, es ist vielleicht ein bisschen übertrieben, und falsch, sich als Pflegepersonal in einen Patienten zu verlieben, aber wer kann denn bitte etwas dafür? Ich würde nie etwas machen, was Harry nicht möchte. Und erst recht nicht, wenn er noch im Krankenhaus liegt. Er weiß über meine Gefühle Bescheid, trotzdem werde ich ihn erst nach einem Date fragen, wenn er hier raus ist.

„Hey, alles okay mit dir?", kommt es von der Tür und ich öffne meine Augen langsam, um zu sehen, wer dort steht.

„Ja klar. Ich habe vielleicht ein wenig überreagiert, aber es ist die Wahrheit.", antworte ich und ziehe die Beine an.

Jil nickt und deutet neben mich. Ich nicke und beobachte sie dabei, wie sie auf mich zukommt und sich neben mich auf die Couch setzt.

„Ich finde es süß von dir, wie du Harry verteidigst. Ich bin in sein Zimmer gekommen, als er aufgewacht ist und seine ersten Worte dein Name war. Jeder weiß, dass du nach deiner Schicht länger bei ihm bleibst und teilweise auch bis abends. Natürlich wird es nicht gerne gesehen, wenn wir was mit Patienten anfangen, aber du und Harry habt was besonderes. Wie du eben schon gesagt hast, warst du der einzige bei Harry und es freut mich, dass er anscheinend auch etwas für dich fühlt." Sie lächelt mich an und ich höre einfach nur schweigend zu.

„Danke.", sage ich schließlich und spiele mit meinen verschränkten Fingern. „Dein Shirt steht dir. Harry hat gestern übrigens nach dir gefragt. Vielleicht weckst du ihn einfach gleich und bringst ihm das Essen. Ich mache das bei den anderen und komme dann vorbei, wenn ich deine Hilfe brauche, ja? Bis jetzt soll der Tag ja relativ ruhig verlaufen.", schlägt Jil vor und ich bedanke mich bei ihr, bevor ich aufstehe und langsam zur Tür gehe.

Only a matter of time || Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt