Dinner-Time

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Das Blöde am Zuspätkommen war, dass man immer den ungünstigsten Platz bekam. In meinem Fall befand der sich direkt zwischen Dad und seinem Zwilling Michael. Wie es dazu kommen konnte, fragte ich mich selbst noch. Die Antwort auf warum ich überhaupt zu diesem lächerlichen Abendessen erschienen war, hatte ich schon aufgehört zu suchen.

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Nachdem Gott - mein Grandpa - sich unerwarteterweise tatsächlich dazu herabgelassen hatte, auf die Erde zu kommen, waren wir natürlich alle sehr geschockt gewesen. Dad, Amenadiel, Michael und ich hatten ihn ungläubig angestarrt, bis sich der älteste Sohn dazu bereiterklärt hatte, den Herrn der Schöpfung zu begrüßen. Es war nicht gerade überschwänglich und fröhlich geklungen hatte es auch nicht, aber Grandpa schien es nicht zu stören. Genauso wenig, dass Michael sofort begann, sich zu beschweren und versuchte, Gottes Mitgefühl zu erhalten.

"Schau, was Lucifer mir angetan hat!", hatte er gesagt und auf seine Narbe im Gesicht gedeutet. Grandpa war davon kaum beeindruckt gewesen - er war Gott, er hatte davon eh schon Wind bekommen.

Dad war alles andere als begeistert davon gewesen, dass er wieder als der Böse dargestellt wurde und nachdem er seinen Vater die üblichen Vorwürfe an den Kopf geworfen hatte, war er mit mir gegangen. Grandpa hatte mich zu diesem Zeitpunkt gerade einmal leicht angelächelt, wobei ich mir dabei auch nicht sicher war. Es hatte auch eine wütende Zuckung oder eine Grimasse gewesen sein können. Ein Wort hatte er in diesem Moment nicht an mich gerichtet und ich auch nicht an ihn. Ich konnte mich noch immer an unsere letzte Begegnung erinnern, als er mich zur Höllenfürstin ernennen und mich abermals von Dad trennen wollte. Vermutlich hatte er damit das Ziel verfolgt, schlussendlich Dad zurück auf seinen Thron zu bewegen, aber es hatte mich trotzdem sehr wütend auf ihn gemacht. So wütend, dass ich ihn bei unserer zweiten Begegnung, vor lauter Menschen angeschrien hatte. Grandpa hatte tatsächlich die Unverschämtheit besessen, mich in meinem Lieblingspark (ja, es war der, in dem ich mit dem Dämon, der unglücklicherweise mein Ex-Freund war, immer spazieren gewesen war) aufzusuchen.

Er hatte mich zu einem Familien-Dinner einladen wollen. Ich hatte sofort abgelehnt und fassungslos gefragt, ob er wirklich geglaubt hatte, dass ich nach all dem, was er mir angetan hatte, kommen würde. Er hatte nicht geantwortet, sondern nur ruhig gelächelt, als könnte er so - mit einer unsichtbaren Macht - mich davon überzeugen, meine Meinung zu ändern. Aufgefallen war mir, dass er sich verändert hatte. Er brüllte mich nicht mehr an, wirkte nicht mehr so streng, mehr wie ein normaler Großvater. Woher dieser plötzliche Sinneswandel kam, wusste ich nicht. Es war noch nicht einmal ein Jahr her, dass ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. Ich traute dieser Stimmungsschwankung nicht und genau aus diesem Grund wollte ich nichts mit ihm zutun haben.

Da Maze und Asmodeus nach Gottes auftauchen aus dem LAPD-Revier verschwunden waren, wusste ich nicht, wo sie sich aktuell aufhielten. Solange vor allem der männliche Dämon mich in Ruhe ließ, würde ich jedoch darauf verzichten, nach ihnen zu suchen. Stattdessen hatte ich überlegt, vor Grandpa zu fliehen. Irgendwo hinzufliegen... weit weg von ihm... vielleicht sogar über den Atlantik. Das hieß zwar nicht, dass er mir nicht im Bruchteil einer Sekunde folgen konnte, aber mental würde es mir fürs Erste sicherlich gut tun, Abstand zu gewinnen.

Ich hätte die Zeit allein für mich zum Nachdenken gut gebrauchen können, aber Dad hatte mich zurückgehalten. Er hatte eigentlich auch nicht zu dem Familien-Dinner gehen wollen, sich aber - warum auch immer - doch anders entschieden und mich in allerletzter Sekunde darum gebeten, mitzukommen. Er hatte solange gebettelt, bis ich nachgegeben hatte.

Ich bereute es zutiefst, dieses eine Mal nicht stur geblieben zu sein.

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Gott wollte, dass wir alle eine große, glückliche Familie waren. Ironischerweise war mein erster Gedanke, dass dafür noch einige Engel fehlten. Ich glaubte, dass meine Onkel und Tanten nicht so begeistert wären, wenn sie erfuhren, dass ein Familien-Dinner ohne sie stattgefunden hatte. Eifersucht unter Geschwistern war keine Seltenheit (man schaue sich nur Michael und Dad an). Und dass Gott zeigte, dass er Lieblingssöhne hatte, denen er mehr Aufmerksamkeit schenkte als den anderen, würde sicher ebenfalls nicht gut aufgefasst werden.

Tochter des Teufels 2 (Lucifer ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt