Endlich Gesellschaft

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Drei Mal ging die Sonne unter und drei Mal ging sie wieder auf, bevor endlich etwas passierte. Drei Tage lang langweilte ich mich zu Tode und versuchte, mit Kieselsteinen die Gitter der Tür oder des Fensters zu treffen. Irgendwann lagen leider keine Steine mehr in meiner Nähe, sodass es noch langweiliger wurde. Es war nichts von draußen zu hören außer ab und an Vogelgezwitscher und die Stille machte mich verrückt. Asmodeus und Michael kamen einige Male vorbei, um mich gegen Dad aufzuhetzen, aber ich ignorierte sie einfach. Sollten sie doch reden, was sie wollten. Es interessierte mich nicht.

In der Einsamkeit hatte ich viel Zeit, um nachzudenken. Vor allem Lilith, meine Mutter, schwirrte in meinem Kopf herum. Die Idee, sie doch mal zu suchen, nur um wenigstens einmal mit ihr zu sprechen, ließ mich nicht los. Zwar versuchte ich, diese Gedanken immer wieder zu verdrängen, aber es funktionierte nicht. Das lag auch daran, dass Asmodeus immer darauf herumritt, dass ich etwas mit ihm, meinem Halbbruder, hatte. Während der Dämon immer darauf fokussiert war, mich als schwach, dumm und erbärmlich zu bezeichnen, benutzte mein Onkel die Taktik, mir klarzumachen, dass ich unwichtig, nichts wert war und nur dafür diente, meinem Vater imaginäre Ohrfeigen zu verpassen. Ich hatte begonnen zu meditieren, um all diese schlechten Gedanken von mir fernzuhalten. Wahrscheinlich war es aber eher ein Ruhigsitzen und Versuchen über nichts nachzudenken. Andererseits hatte ich ja eh nichts Besseres zu tun und die Gedanken in meinem Kopf wurden immer unerträglicher.

Nachdem die Sonne das dritte Mal aufgegangen war und ich mit geschlossenen Augen an der Wand hinter mir lehnte, kam Michael mich wieder einmal besuchen. Diesmal - und das hatte ich schon von Weitem gehört - brachte er allerdings jemanden mit. Meine Augen flatterten auf und ich spitzte die Ohren. Es klang, als würde die Person sich versuchen zu wehren oder um Hilfe zu rufen, aber mein Onkel hatte ihr den Mund zugehalten.

Sie kamen in mein Sichtfeld und meine Augen weiteten sich. Es war niemand Geringeres als Chloe Decker. Irgendwie überraschte mich das aber nicht so sehr, immerhin war sie Dads größter Schwachpunkt. Was eher erstaunlicher war, war dass Michael es überhaupt geschafft hatte, sie zu entführen. Chloe hatte sich bestimmt nicht kampflos ergeben. Als der Detective mich sah, wirkte sie nur kurz verwundert, aber dieser Ausdruck verschwand schnell wieder aus ihrem Gesicht.

"Ich hab dir ein bisschen Gesellschaft mitgebracht", sagte mein Onkel und musst sich anstrengen, Chloe weiterhin festzuhalten.

"Wie nett", murmelte ich ironisch, obwohl ich doch froh war, dass ich nicht länger allein mit meinen Gedanken war.

"Ich hoffe, ihr versteht euch gut." Er schloss mit einer Hand die Tür auf, was Chloe versuchte zu nutzen, aber gegen einen Engel anzukämpfen, war als Mensch nicht leicht, weshalb es ihr nicht gelang, sich zu befreien.

Mein Onkel schubste sie in die Zelle und knallte die Gittertür hinter ihr zu. Chloe hatte versucht schneller zu sein und war auf die Tür zugehechtet, aber sie war zu langsam. Hätte mich auch gewundert wenn nicht. Engel waren unnatürlich schnell.

"Das wirst du noch bereuen, Michael", sagte der Detective und schloss ihre Finger um die Metallstäbe.

"Das glaube ich nicht." Mein Onkel lächelte erst Chloe und dann mich hämisch an. "Viel Spaß, euch beiden!" Mit diesen Worten drehte er sich um und verschwand. Der Detective fluchte leise, bevor sie sich zu mir umdrehte. Ich lächelte sie von meiner sitzenden Position an. "Blöd gelaufen, nicht wahr?"

Die nächsten Stunden über brachte Chloe mich auf den neusten Stand, was in der Außenwelt während meiner Abwesenheit passiert war. Dad hatte ziemlich schnell gemerkt, dass ich nicht absichtlich verschwunden war. Zuerst hatte er gedacht, Grandpa hätte mich wieder in den Himmel bringen lassen, aber Amendiel war hochgeflogen und hatte ihm versichert, dass das nicht der Fall war. Danach war er sofort zur Polizei gegangen und er und Chloe hatten sich auf die Suche nach mir begeben. Zwischendurch hatten sie sich auch noch um einen Massenmörder-Fall kümmern müssen, weshalb sich die Ermittlungen zu meinem Verschwinden verschoben hatten. Dad hatte aber die ganze Zeit die Vermutung gehabt, dass sein Zwilling etwas damit zu tun hatte.

Tochter des Teufels 2 (Lucifer ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt