Wenn der Teufel Star einer Fernsehserie wird

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"Die war aber schlecht gelaunt", stellte Dad fest und richtete mit gerunzelter Stirn sein Jacket. Er hatte zwar Recht damit, aber es hätte ihn nicht verwundern sollen. Maze hatte allen Grund, wütend auf uns zu sein. Bestimmt hatte sie mir deswegen nicht gesagt, was sie mir sagen wollte. Ich hoffte, es war nicht irgendetwas Wichtiges gewesen oder sogar etwas über Michael. Zu Letzterem konnte ich jede noch so kleine Information gebrauchen. Da er offensichtlich nicht bei Maze war und die Dämonin mir keineswegs helfen würde, ihn zu finden, war ich jetzt mit meiner Suche wieder bei Null. Ich sollte wirklich niemals - auf keinen Fall - Kopfgeldjägerin werden. Für diesen Job war Maze bei Weitem besser geeignet. Aber einen Engel aufzuspüren, war auch nicht ganz so einfach wie einen Menschen. Michael wird erstens von andern Menschen für Lucifer gehalten und zweitens konnte er fliegen und somit sich fortbewegen, ohne gesehen zu werden. Wahrscheinlich sollte ich doch hoffen, dass er mich irgendwann finden kam.

"Hast du etwas über Michael herausgefunden?", fragte mein Vater mich jetzt und ging zur Bar, um sich einen Drink einzuschenken. Bourbon Whiskey - neben alkoholisiertem Kaffee sein Lieblingsgetränk und bei meinem ersten Besuch auf der Erde war er auch meines geworden. Engel und andere übernatürliche Wesen vertrugen mehr Rauschmittel als normale Menschen. Deswegen trank Dad eigentlich nur Getränke mit Alkohol - wegen des Geschmacks. Ich fand den Geschmack jetzt auch nicht schlecht, konnte mich aber auch mit einem Glas Wasser zufrieden geben. In diesem Moment bevorzugte ich allerdings Whiskey.

"Nicht wirklich viel", gab ich etwas kleinlaut zu und nahm Dad die Flasche ab, um mir auch etwas einzuschenken. "Aber anscheinend hat er sein Gift schon auf allen Menschen, mit denen du zu tun hast, verstreut." Ich zog eine Grimasse und trank einen großen Schluck aus meinem Glas, um meinem Vater nicht ins Gesicht sehen zu müssen. Ehrlich gesagt hatte ich etwas Schiss davor, dass er enttäuscht von mir sein könnte, weil ich Michael nicht aufgespürt hatte.

"Ja, das hab ich auch schon gemerkt", erwiderte Dad und blickte kurz gedankenverloren durch die Fensterfront - es wurde schon langsam dunkel. Genauso dunkel, wie der Ausdruck auf seinem Gesicht, als er sich vollends zu mir wandte und weitersprach: "Michael hat dem Detective erzählt, dass sie von Gott erschaffen wurde..." Er atmete einmal tief ein und aus. "...dass mein Vater sie für mich erschaffen hat." Ein gequältes Lächeln erschien auf seinen Lippen, wegen dem ich ihn am liebsten sofort umarmt hätte.

Ich kannte Chloes Geschichte. Amenadiel wurde vor einigen Jahren von Grandpa hier heruntergeschickt, um ein Paar zu segnen, das keine Kinder bekommen konnte. Bei diesem Paar handelte es sich um John und Penelope Decker, die Eltern des Detectives. Früher hatte Dad Grandpa dafür gehasst, dass er ihn durch Chloe so sehr beeinflussen konnte; mittlerweile hatte er es akzeptiert und sich seine Gefühle eingestanden. Er hatte vermutlich gar nicht mehr daran gedacht, dass Gott persönlich der Grund für ihre Existenz war. Für Chloe musste das jetzt aber der Schock ihres Lebens gewesen sein. Wie würdet ihr euch fühlen, wenn ihr herausfändet, ihr seid allein für den Teufel geschaffen worden; dass alles was ihr getan und gefühlt habt, von Gott vorherbestimmt war. Ich glaubte allerdings nicht, dass es so war, dass Grandpa dem Detective ihre Gefühle für Lucifer eingepflanzt hatte. Ich glaubte, dass sie sich aus freien Stücken für meinen Vater entschieden hatte. Für sie musste es in diesem Moment aber anders wirken.

"Oh", war das Einzige, das ich herausbrachte. Was hätte ich auch sagen können, das die Situation besser gemacht hätte? Dad war nicht der Typ, den man überschwänglich bemitleiden musste. Er wollte es nicht. Er wusste selbst, wie scheiße diese Situation gerade war. Das, was er jetzt brauchte, war jemand, dem er die Schuld geben konnte. Und dieser jemand würde Michael sein. Er war daran Schuld, dass diese Sache nun zwischen Chloe und Dad stand, und so wie ich meinen Vater kannte, würde er das nicht auf sich sitzen lassen.

Dad trank seinen Whiskey leer und stellte das Glas hart auf den Tresen. "Er wird schon bald aus seinem Versteck gekrochen kommen", sagte er verbittert. "Er wird es mir unter die Nase reiben wollen, dass er... dass er meine Beziehung zu dem Detective ruiniert hat."

"Also 'ruiniert' würde ich das nicht nennen", warf ich ein und bewirkte damit, dass er zu mir aufsah. "Irgendwann wäre es so oder so herausgekommen. Vielleicht hat er dir damit sogar einen Gefallen getan."

Er sah mich perplex an, beinahe schon so, als wäre ich verrückt geworden. "Lilith! Ist das dein Ernst?! Keinem ist damit einen Gefallen getan. Er hat es nur schlimmer gemacht. Der Detective hätte nie erfahren müssen, dass sie... dass Gott..." Er fuchtelte mit der einen Hand wild in der Luft herum. Man konnte ziemlich gut sehen, wie ihm diese Sache zusetzte. Sollte er auch nur noch einmal leugnen, dass er würde in Chloe verliebt war, würde ich... "... dass Dad sie für mich erschaffen hat", beendete er seinen Satz und lehnte sich stöhnend an den Tresen. Ich stellte mich neben ihn und legte eine Hand auf seinen Arm.

"Chloe wird sich schon wieder beruhigen. Sie muss das alles nur erst verarbeiten." Ich sah ihm an, dass er noch etwas darauf erwidern wollte, hielt es aber für besser, das Thema zu wechseln. "Erzähl mir doch mal von dem neuen Fall, an dem ihr arbeitet."

In der nächsten halben Stunde - vielleicht war es auch länger, ich hatte nicht auf die Uhr geschaut - schwärmte er mir von so einer Serie mit dem Titel ¡Diablo! vor, an dessen Set ein Mann erstochen wurde. Sie basierte mehr oder weniger auf Dads Leben. Ein Mann - Diablo -, der der Teufel war, klärte mit einer jungen, attraktiven Polizistin Fälle auf. Man hatte Dad sogar ein paar Folgen mitgegeben, die wir uns nun auf dem breiten Fernseher in dem Apartment anschauten. Eine Flasche Bourbon vor uns auf dem Abstelltisch hatten wir es uns auf dem Sofa gemütlich gemacht. Ich hatte meinen Kopf an seine Schulter gelehnt, er einen Arm um mich gelegt, sodass ich das Gefühl hatte, zurück in die schöne Vergangenheit meiner Kindertage geworfen zu werden (nur hatte es damals noch keine Fernseher gegeben).

In der Fernsehserie kam beinahe jeder aus Dads Leben vor - obwohl manche Charaktere etwas falsch dargestellt waren. Detective Dancer - alias Chloe Decker - ist mehr eine Stripperin, als eine professionelle Polizistin und kleidet sich bei Weitem freizügiger als der wahre Detective. Linda wurde zu einer heißen Doktorin gemacht, während Maze von einem dunkelhäutigen, muskulösen Mann verkörpert wird. In gewisser Weise passte er aber zu ihr. Und dann kam ich ins Bild - ein hübsches, dunkelhaariges Mädchen, die sich sichtbar unwohl zwischen den vielen Menschen und der lauten Musik fühlte. Sie war zierlich und konnte kaum älter als 16 sein. Mir klappte der Mund auf, als sie Maze, den breiten Mann, schüchtern und verängstigt fragte, wo ihr Vater - Diablo - sei. War das ihr Ernst?! Ich wurde da wie ein hilfloses kleines Weichei dargestellt! Außerdem war ich viel viel älter als sie und würde niemals dieses langärmelige Kleid tragen - vor allem nicht in einem Nachtclub.

"Was hast du diesem Regisseur bitte über mich erzählt?!", fragte ich meinen Vater fassungslos und sah hoch in sein grinsendes Gesicht. Er hatte mir erzählt, dass er dem Regisseur dieser Fernsehserie einmal einen Gefallen getan hatte, der mehr oder weniger daraus bestand, ihm eine geniale Idee zu beschaffen, um ihn erfolgreich zu machen. Und was anderes wäre filmreifer - oder serienreifer? - als das Leben des Teufels?

"Die Wahrheit natürlich", antwortete Dad. "Das war bevor du auf die Erde gekommen warst und ich dich nur als kleines Mädchen in Erinnerung hatte." Großartig! "Ich finde, sie haben dich wirklich gut getroffen." Er lachte leise in sich hinein. "Du hattest doch auch immer vor den Dämonen Angst."

Ich schnaubte, verschränkte die Arme vor der Brust, merkte aber gleichzeitig, wie meine Wangen heißliefen. Er hatte Recht - damals hatten die Dämonen ziemlich furchteinflösend auf mich gewirkt, vor allem wenn sie scharfe Waffen bei sich hatten. Ich wusste noch, wie ich schnell in einen Seitengang gehuscht war, wenn eine dieser Gestalten vor mir um die Ecke gekommen war. Aber so war ich schon lange nicht mehr. Dämonen machten mir keine Angst mehr und so klein und hilflos, wie dieser Teenager, war ich auch nicht mehr.

Während im Fernseher Lili, wie sie mich genannt hatten, erleichtert, dass sie ihren Vater endlich gefunden hatte, um Diablos Hals fiel, kam mir noch ein anderer Gedanke: "Wieso bin ich überhaupt auf der Erde? In der Serie, meine ich. Als du ihm von mir erzählt hast, war ich doch noch im Himmel. Müsste Lili dann nicht auch im Himmel sein?"

Dad zuckte mit den Schultern. "Künstlerische Freiheit?" Er überlegte einen Moment. "Oder er hat herausgefunden, dass du heruntergekommen bist." Er blickte auf mich hinab. "Ist das wichtig?"

"Nein, eigentlich nicht..." In diesem Moment klingelte plötzlich mein Handy und ich löste mich aus Dads Umarmung, um nach dem Gerät zu greifen, das neben der fast leeren Whiskey-Flasche auf dem Tisch lag.

"Hallo?", ging ich, ohne auf die Nummer geschaut zu haben, ran.

"Lilith, wo bist du?" Es war mein Freund, Asmo..., den ich komplett vergessen hatte.

Tochter des Teufels 2 (Lucifer ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt