Wahrheit oder Lüge

217 13 0
                                    

Ich starrte fassungslos auf die Szene, die sich gerade vor meinen Augen abspielte. Im Schatten des Stribclub-Gebäudes, direkt neben dem Hintereingang stand Asmo und hatte mir den Rücken zugekehrt. Das Gesicht seines Gegenübers konnte ich aber dafür umso besser erkennen und es gefiel mir ganz und gar nicht, was ich sah. Er hatte schwarze, kurze Haare, einen Drei-Tage-Bart und man könnte ihn auf den ersten Blick wirklich für meinen Vater halten. Aber die, die ihn kannten, merkten sofort den Unterschied. Sein hässlicher Rollkragenpulli, das beige Jacket und vor allem seine äußerst krumme Haltung verrieten ihn.

Ich machte den Mund auf, um etwas zu sagen, war aber zu sprachlos, um auch nur ein Wort herauszubekommen. Was hatte das zu bedeuten? Warum redete er mit Asmo? Mir war noch immer unschlüssig, was ich jetzt tun oder sagen sollte, als er mich bemerkte und ein breites Lächeln sich auf seinem Gesicht ausbreitete.

"Meine liebe Nichte! So sieht man sich wieder."

Asmo wirbelte herum und starrte mich mit großen Augen an. "Lilith! Ich hab dir doch gesagt, dass du nicht zum Stripclub kommen sollst."

Ich ignorierte ihn und fokussierte mich auf meinen Onkel. "Was machst du hier, Michael?"

"Wonach sieht es denn aus? Ich rede mit deinem Freund." Er steckte seine Hände in die Hosentaschen und lächelte mich verschlagen an.

"Es ist nicht so wie es aussieht." Asmo hob beschwichtigend die Hände in meine Richtung, als befürchtete er, dass ich wieder wütend werden würde. Vielleicht werde ich das auch, aber im Moment war ich noch zu überrascht darüber, dass mein Freund sich mit dem Feind meines Vaters traf und was weiß ich ausheckte. Worüber hatten die geredet? Hatte sich Asmo auf Team Michael gestellt, um sich an Dad zu rächen? So abwegig wäre das gar nicht, wenn man die Geschichte zwischen den beiden bedachte.

"Will mir vielleicht erstmal jemand erklären, was ihr hier macht?" Ich sah sie abwechselnd auffordernd an, bis meine Blick an Asmo hängenblieb. Er als mein Freund war mir Antworten schuldig und vor allem, weil er mich am Telefon angelogen hatte. Ich konnte nicht fassen, dass er mich angelogen hatte.

Michael seufzte und trat ein paar Schritte auf mich zu, sodass er jetzt so weit vor mir stand, dass ich ihn ohne Probleme schlagen oder angreifen könnte. Ich tat es aber nicht, sondern starrte ihn nur abwartend an. Ich konnte mir ja erstmal anhören, was er zu sagen hatte, bevor ich ihn zu Dad schleppte.

"Ach, meine liebe Nichte." Er sah mich mitleidig an und jede Faser meines Körpers spannte sich an. Er wollte mich nur manipulieren, sagte ich mir in Gedanken. Glaub ihm kein Wort! "Du warst schon immer so unschuldig. Gefangen in dem Streit zwischen Dad, Lucifer und unseren Geschwistern. Ein Mittel zum Zweck." Er wollte mir mitfühlend eine Hand auf den Arm legen, aber ich machte reflexartig einen Schritt zurück. Michael seufzte. "Na gut. Du willst wissen, was ich mit Asmodeus hier gemacht habe? Ich werde ehrlich zu dir sein. Du weißt ja, dass..."

"Nein!" Asmo unterbrach meinen Onkel und schob sich zwischen ihn und mich. "Glaub ihm kein Wort. Ich hab ihn heute zum ersten Mal gesehen. Wirklich!" Er hatte seine Stirn in Falten gelegt und wollte mir jetzt auch eine Hand auf die Schulter legen, aber auch ihm wich ich aus. Michael hinter ihm seufzte theatralisch und schüttelte bei sich den Kopf. "Ich würde mich nie gegen dich stellen, Lilith", bekräftigte mein Freund. "Warum sollte ich mich mit einem anderen Engel abgeben?"

"Sag du es mir", knurrte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen. Ich glaubte ihm nicht. Ich wollte, aber ich tat es nicht. Er hatte mich schon am Telefon angelogen. Was hielt ihm davon ab, es wieder zu tun?

"Sie wird es eh früher oder später herausfinden, Dämon", meinte Michael und da konnte ich ihm zum ersten Mal zustimmen. Falls sie es mir nicht sagten, würde ich alles daran setzen, es ohne ihre Hilfe herauszufinden. Wie ich das machen würde, wusste ich zwar nicht, aber das mussten die ja nicht wissen.

Tochter des Teufels 2 (Lucifer ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt