Eine Marke fürs Leben

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Ich verbrachte den restlichen Tag damit, allein in Selbstmitleid zu versinken. Mit der viergen Flasche Whishey neben mir saß ich, als die Nacht einbrach, auf dem Geländer von Dads Balkon und ließ die Beine in die Tiefe baumeln. Wenn mich jetzt ein Mensch von unten sah, konnte man glatt denken, ich wollte Selbstmord begehen, aber das ging ja nicht. Ich würde es auch nicht wollen. Nur weil meine langjährige Beziehung auf einer Lüge beruhte, war das noch lange kein Weltuntergang. Ich würde darüber hinwegkommen, sagte ich mir. Jetzt tat es zwar noch weh, aber bald würde der Schmerz verschwinden, da war ich mir sicher. Meine Gedanken wanderten ungewollt zurück zu den glücklichen Erinnerungen mit Asmo - unsere Dates, die gemeinsamen Abendessen und natürlich auch die heißen Nächte. Das alles hatte er nur getan, um meinem Vater eins auszuwischen. Er hatte mich nie richtig geliebt. Ich hatte noch nicht genug Alkohol in mir, bemerkte ich, weil der Schmerz in meiner Brust wieder zunahm. Ich krümmte mich und vergrub das Gesicht in den Händen. Warum? War es das wirklich wert gewesen, Asmodeus? Nur um meinen Vater zu ärgern? Natürlich war es ihm damit gelungen..., aber wieso hatte ich dafür herhalten müssen?

Ich nahm noch einen großen Schluck aus der Whiskey-Flasche - sie war schon wieder leer. "Verdammt!", grummelte ich und schmiss sie weg von mir in die Ecke des Balkons. Sie zersprang in tausend Scherben... genauso wie mein Herz. Nein, nein, Lilith! Du darfst dich davon jetzt nicht unterkriegen lassen. Das würden sie doch nur wollen - Asmo und Michael. Gott, ich hasste sie abgrundtief. Vor allem meinen Onkel. Er hatte den Dämon dazu angestiftet. Nur wegen ihm musste ich jetzt leiden.

Ich sah mit tränenverschleierten Augen auf LA hinab. Obwohl es Nacht war und Dunkelheit um mich herum herrschte, war die Stadt hell erleuchtet. Gebäude erstrahlten in den unterschiedlichsten Farben. Eines davon war auch der Stripclub, in den mich Maze vor so langer Zeit geschleppt hatte. Dort hatte ich Blake Turner kennengelernt - oder besser gesagt Asmodeus. War das auch von Michael geplant gewesen? Hatte er den Dämon extra dahin geschickt, weil er wusste, dass Maze da immer hinging und irgendwann auch mich mitnehmen würde? Was konnte ich den jetzt noch glauben? Alles basierte doch nur auf Lügen!

Ich war so in Gedanken vertieft, dass ich nicht bemerkte, wie jemand neben mir auf dem Balkon erschien. Erst als die Person zu sprechen begann, schreckte ich auf: "Du solltest diesem Idioten nicht hinterhertrauern, Lilith." Es war die Stimme meines Vaters, doch als ich mich zu ihr umdrehte, musste ich feststellen, dass es nur sein dämlicher Zwilling war. Der Rollkragenpulli verriet ihn. Dad würde sowas nie anziehen.

"Was willst du, Michael?", grummelte ich ungehalten. Ich hatte gerade überhaupt keinen Nerv, mich mit ihm zu unterhalten. Er war an allem Schuld - allein er!

"Ich hatte dir vorhin noch etwas sagen wollen, aber... du bist ja weggelaufen." Er lächelte mich schief an und ich verdrehte die Augen. "Hast du nicht schon genug Schaden angerichtet?"

"Ich will ganz ehrlich mit dir sein. Ich hatte nicht gewollt, dass du die Sache mit Asmodeus herausfindest... jedenfalls noch nicht. Wenn ich ehrlich bin, wollte ich nach dem kleinen Gespräch mit dem Dämon, als nächstes zu dir kommen, um mit dir... über etwas ganz anderes zu reden." Er legte seine Fingerspitzen aneinander und kam langsam einen Schritt auf mich zu. Mein ganzer Körper spannte sich an und ich schwang schnell die Beine übers Geländer, damit ich direkt vor ihm stand und jede noch so kleine Bewegung von ihm beobachten konnte.

"Lass mich in Ruhe, Michael!", forderte ich bestimmt.

Er hob beschwichtigend die Hände. "Wie du willst. Ich habe mich nur gefragt, ob du mittlerweile weißt..." Er legte eine dramatische Pause ein. "...wer deine Mutter ist."

Ich runzelte die Stirn. Was hatte das denn jetzt mit all dem zu tun? Meine Mutter war eine Dämonin. Punkt. Mehr gab es da nicht zu erfahren. Ich wusste nicht so genau, was zwischen Dad und ihr vorgefallen war (außer natürlich das Offensichtliche) oder wie sie hieß. Aber ich hatte auch nie den Drang verspürt, meinen Vater nach ihr zu fragen. Ich war zufrieden mit der Situation wie sie war. Es tat nichts zur Sache, wer meine Mutter war. Es hatte schon immer nur Dad und mich gegeben, sonst niemanden.

Tochter des Teufels 2 (Lucifer ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt