Die Malfoys

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1992

In den letzten Tagen und Wochen hatte Ginny sich viele Fakten über Draco Malfoy anhören müssen. Die meisten stammten dabei von Ron und Harry, die sich nahezu in jedem zweiten Satz über den blonden Slytherin beschwert hatten.
Ginny hingegen hatte Draco Malfoy noch nie persönlich getroffen und war ehrlich gesagt ein wenig neugierig gewesen, ob er wohl genauso war, wie von ihrem Bruder und dessen besten Freund beschrieben.
Und als sie ihn nun ansah, wie er mit einem für ihn wohl typischen, arroganten Gesichtsausruck Harrys zornigen Blick erwiderte, musste die Weasley zugeben, dass Ron in diesem Fall nicht ganz so stark übertrieben hatte, wie er es sonst tat.
>>Er scheint nicht gerade freundlich zu sein.<< stellte die Weasley fest und musterte den Slytherin möglichst unauffällig, während Hermine sich neben Harry stellte und Malfoy mit ihren Blicken durchbohrte. „Lass ihn in Ruhe, Malfoy!", meinte sie und verschränkte ihre Arme demonstrativ vor der Brust. Ron hingegen sagte nichts, aber seine zu schmalen Schlitzen verengten Augen schienen Malfoy regelrecht zu erdolchen.
Den Slytherin schien diese offene Feindseligkeit jedoch nicht wirklich zu kümmern, denn er hob auf Hermines unfreundlichen Worte nur eine Augenbraue. „Soso Potter", meinte er mit einem spitzen Unterton in der Stimme, „ lässt du lieber deine Freundin für dich sprechen, was?" kommentierte er lässig. Hermine kniff die Augen zusammen und funkelte Malfoy böse an, wohingegen Ginny das Szenario weiterhin gespannt verfolgte. >>Wieso sagt Harry nichts?<<, wunderte sich die Weasley und blickte Rons besten Freund gespannt an. >>Malfoy hat ihm und Hermine schließlich ziemlich harte Worte an den Kopf geworfen.<<
Die Weasley achtete weiterhin wachsam auf Ron, Harry, Hermine und deren Widersacher, sodass ihr der hochgewachsene Mann entging, der soeben den Laden betreten hatte und nun dem blonden Slytherin die Hand auf die Schulter legte, „Nana Draco, sei artig", tadelte der Neuankömmling den blonden Jungen, der daraufhin zur Seite trat, damit der Mann sich neben ihn stellen konnte. Und obwohl Ginny auch diesen Mann nicht kannte, wusste sie instinktiv, wer das war. Die langen blonden Haare, die ihm über die Schultern fielen, der makellose, schwarze Umhang und der silberne Stab mit einem Schlangenkopf am oberen Ende, den er in der Hand hielt, waren eine Sprache für sich.
Das hier musste Dracos Vater sein. Ginny versuchte sich zu erinnern, wie sein Name war.
>>Ach ja, Lucius hieß er<<, schoss es ihr durch den Kopf. Dracos Vater war inzwischen vor Harry getreten und lächelte ihn an.
Es war kein ehrliches Lächeln, wie Ginny fand, sondern es hatte etwas hinterlistiges an sich, dass ihr einen kalten Schauer über den Rücken jagte.
„Mr. Potter.", begrüßte Lucius den schwarzhaarigen Jungen vor sich, „Ich bin sehr erfreut, dass wir uns endlich kennenlernen." Er reichte Harry seine Hand, die dieser nach einem kurzen Zögern schließlich auch ergriff und schüttelte. Dabei ließ Rons bester Freund Dracos Vater nicht einen Moment aus den Augen. „Lucius Malfoy.", stellte sich Dracos Vater nun offiziell vor. „Verzeih mir...", meinte er anschließend und zog Harry zu sich her, bevor er mit seinem Stab über die Stirn des schwarzhaarigen strich und so dessen blitzförmige Narbe offenlegte. „Deine Narbe ist legendär", kommentierte Lucius mit einem schleimigen Grinsen im Gesicht, „genauso Legendär, wie der Zauberer, dem du diese Narbe zu verdanken hast", fuhr Dracos Vater fort, woraufhin Harry einen kleinen Schritt zurückmachte und Lucius nun zornig anblickte. „Voldemort hat meine Eltern umgebracht!", antwortete der schwarzhaarige Junge leise, woraufhin Lucius' Lächeln auf seinem Gesicht erstarrte und schließlich ganz verschwand, „Er war ein gemeiner Mörder, sonst nichts" Harrys Stimme hatte einen scharfen Unterton entwickelt, woraufhin Lucius die Hand zurückzog, als hätte er sich verbrannt. „Du musst sehr tapfer sein, wenn du es wagst, seinen Namen auszusprechen", kommentierte er mit gelassener Stimme. Sein Lächeln aber war aus seinem Gesicht verschwunden und einer gleichgültigen Mine gewichen, „Oder aber sehr töricht." Fand Dracos Vater.
In diesem Moment beschloss Ginny, dass sie Draco tausendmal sympathischer fand als seinen Vater. Lucius war ihr irgendwie sehr unheimlich.
„Die Angst vor seinem Namen", mischte sich nun Hermine mit ihrer typischen Besserwisser-Stimme in die Diskussion ein, „Vergrößert nur die Angst vor der Sache selbst". Lucius blinzelte kurz und wandte sich dann Hermine zu. Da war wieder das schleimige, falsche Lächeln. Ginny verzog das Gesicht bei diesem Anblick.
„Und du bist demnach Miss Granger.", stellte Lucius fest und blickte kurz zu seinem Sohn hinüber. Draco nickte leicht, ohne Hermine oder einen der anderen anzusehen, woraufhin Lucius' Blick wieder zu der braunhaarigen Hexe wanderte. Hermine gab als Antwort ein kleines Nicken von sich, hielt aber gleichzeitig dem Blick von Dracos Vater stand, ohne zu blinzeln. Ginny bewunderte Harrys Freundin für ihren Mut. Sie selbst hätte sich das wahrscheinlich nicht getraut. Allein der Gedanke, ein Wettstarren mit Lucius Malfoy zu veranstalten, jagte der jüngsten Weasley einen Schauer den Rücken hinab. „Ja, Draco hat mir alles über dich erzählt", fuhr Lucius fort, „Und über deine Eltern". Wieder dieses Lächeln, dann wanderte der Blick des Malfoy über die Menge zu einer Frau und einem Mann, die sich gerade mit Ginnys Vater Arthur unterhielten. Ginny hatte die beiden nämlich noch nie persönlich getroffen, nur flüchtig aus einiger Entfernung gesehen, aber offensichtlich waren das Hermines Eltern. Bei der Erwähnung ihrer Eltern hob die braunhaarige Gryffindor ein wenig das Kinn und ließ Lucius nun erst Recht keine Sekunde mehr aus den Augen. Dessen Blick richtete sich nun wieder auf Hermine, „Muggel, nicht wahr?", fragte er mit seinem typischen Lächeln im Gesicht. Ginny war sich ziemlich sicher, dass Lucius die Antwort auf diese Frage bereits kannte. Hermine schien derselben Ansicht zu sein, denn sie machte keine Anstalten, auf die Frage des Malfoy zu antworten. Da Lucius auch nicht mit einer Antwort rechnete, wandte er sich von Hermine ab und fokussierte nun Harrys besten Freund Ron, der neben Harry stand und sich bislang aus dem Gespräch herausgehalten hatte. Fred und George, die sich hinter ihrem Bruder aufgereiht hatten und Percy, der mit Ginny etwas weiter weg vom Ort des Geschehens stand, beachtete der Malfoy erst gar nicht. „Nun mal sehen. Rote Haare, ausdruckslose Gesichter.", fuhr Lucius mit Blick in Richtung Ron fort, anschließend griff er in den Kessel, den Ginnys Bruder in der Hand hielt und zog ein gebraucht aussehendes Buch heraus. Ginnys Blick fiel kurz auf den Einband und sie erkannte, dass es ein Buch für Erstklässler war. Es war ihres, sie erkannte den Namen wieder, denn dieser hatte auf ihrer Liste gestanden, die bei ihrem Hogwartsbrief dabei gewesen war. >>Das ist mein Buch.<< dachte sie und warf Lucius einen empörten Blick zu. >>Leg es zurück! Sofort<<. Mittlerweile war Ginny ziemlich sauer auf Dracos Vater, hielt aber nach wie vor den Mund geschlossen. Sie wusste selber nicht ganz wieso.
„Gebrauchte, schmuddelige Bücher.", kommentierte Lucius gerade mit Blick auf Ginnys Buch, dann blickte er wieder zu Ron, der das Gesicht verzog und zurückstarrte. „Ihr müsst demnach die Weasleys sein, habe ich Recht?" Ginny betrachtete Lucius bei diesem Urteil genau, innerlich war sie jedoch ein wenig enttäuscht. Sie konnte es nicht ausstehen, wenn jemand anhand von Vorurteilen urteilte und genau das hatte Lucius in diesem Moment ja getan. >>Eines Tages!<<, nahm sie sich fest vor, >>Zeige ich diesem Schleimer, dass man nicht zu früh über jemanden urteilen sollte.<<. Sie hatte zwar keine Ahnung, wie sie das beweisen könnte, aber daran dachte sie im Moment auch nicht. Plötzlich tauchte Arthur Weasley aus dem Hintergrund auf und schob sich zwischen Harry und Ron hindurch nach vorne, „Los Kinder, lasst uns nach draußen gehen. Wir versperren sonst den ganzen Eingang und hier ist sowieso schon der Teufel los." Meinte Ginnys Vater, während Lucius die Szene mit seinem schleimigen Lächeln im Gesicht interessiert beobachtete. „Sieh an, sieh an, Weasley Senior", begrüßte er Arthur daraufhin, der ihn erst nach diesen Worten anblickte. Das Lächeln verschwand aus dem Gesicht von Ginnys Vater und sein Gesichtsausdruck verhärtete sich beim Anblick des Malfoy, „Lucius.", meinte Arthur. Es klang nicht wie eine Begrüßung, eher wie eine Feststellung.
Aber das schien Lucius nicht zu kümmern, denn er setzte wieder sein unehrliches Lächeln auf. „Viel los bei Ihnen im Ministerium, Arthur. Sie durchsuchen gerade viele Häuser. Ich hoffe, dass sie die Überstunden bezahlt bekommen.", meinte Dracos Vater, „Aber wenn ich mir das hier so ansehe", er hob das Buch leicht in die Höhe, dass er noch immer in der Hand hielt, „Wohl eher nicht". Beendete er seinen Satz. Arthur erwiderte den Blick des Malfoy wortlos. „Was nützt es einem eine Schande für die Zaubererschaft zu sein, wenn es nicht einmal gut bezahlt wird", kommentierte Lucius anschließend. Ginny war verwirrt. >>Was meint er denn jetzt damit? Eine Schande für die Zaubererschaft?<< Sie nahm es sich vor, ihre Mutter noch heute danach zu fragen. „ich glaube, unsere Vorstellungen, was eine Schande für die Zaubererschaft ist, gehen ziemlich auseinander, Malfoy!", konterte Arthur, das letzte Wort spuckte er regelrecht aus, als hätte er eine von Bertie Botts Bohnen mit der Geschmacksrichtung Ohrenschmalz im Mund. „Allerdings, das tun sie wohl", fand Lucius und verzog bei Arthurs unfreundlichem Ton keine Mine, „Sie lassen sich mit Muggeln ein", meinte er noch in einer Art Nachsatz und schüttelte dabei den Kopf, bevor er anschließend eines Schritt auf Arthur zu machte. Ginnys Vater blieb wo er war und erwiderte den Blick seines Kontrahenten wortlos. Lucius starrte Arthur noch kurz an, dann beugte er sich vor und stopfte Ginnys schmuddeliges Buch wieder in Rons Kessel zurück. „Und ich dachte", meinte er anschließend, „Ihre Familie könnte nicht noch tiefer sinken." Arthur verzog das Gesicht bei diesen harten Worten, während Ginny Lucius zornig anstarrte. Nach wie vor kam jedoch kein Ton aus ihrem Mund heraus. „Ich sehe Sie dann bei ihrer Arbeit, Arthur", meinte Lucius und drehte sich ohne ein weiteres Wort um und marschierte zur Türe des Buchgeschäftes. Draco, der die ganze Szene mehr oder weniger mit ausdrucksloser Mine beobachtet hatte, stellte sich nun direkt vor Harry, „Wir sehn uns in der Schule, Potter!", zischte er und bedachte seinen Widersacher mit einem eiskalten Blick. Dann folgte Draco Malfoy seinem Vater mit schnellen Schritten aus dem Laden. Zurück blieb ein eisiges Schweigen.



2016

Die Frau in der Zelle gegenüber schwieg und ließ Lily in nachdenklicher Stimmung zurück. >>Die Malfoys also...<<. Dachte sie sich. Sie hatte immer wieder Erzählungen und Geschichten von der Familie Malfoy gehört, einige von ihrem Vater Harry, wieder andere von ihren Brüdern Albus und James, die ja schon nach Hogwarts gingen und dort unter anderem mit einem Scorpius Malfoy zu tun hatten. Scorpius wiederum war Dracos Sohn, dass wusste das rothaarige Mädchen von ihrem Vater Harry. Den Namen Lucius hingegen kannte sie nicht. Während Lily so in Gedanken vertieft war, hatte sie gar nicht realisiert, dass die Frau in ihrer Zelle wieder schwieg und aufgehört hatte, zu erzählen. „Ich kenne die Malfoys", sprach sie ihre Gedanken laut aus, „Aber eben nur aus Geschichten von meinen Verwandten und Freunden." Von drüben kam zunächst keine Antwort, „So war es bei mir auch, wie du jetzt weißt", kommentierte Ginevra anschließend, „Aber der erste Blick täuscht meistens." Lily nickte langsam. Das klang verständlich. >>Bei Draco Malfoy täuschte dieser erste Eindruck wohl nicht.<< fand sie. „Wie ging es dann weiter?", fragte sie neugierig und lehnte sich gegen die kalte Seinwand. Ginevra von drüben seufzte, „Hör einfach zu.", meinte sie ein wenig genervt. Und dann fuhr sie mit ihrer Erzählung fort.


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