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Beat

Studiendekan Winters sieht aus, als würde er gleich kollabieren vor Fassungslosigkeit.

Ich frage mich, ob ihm schon mal jemand gesagt hat, dass er dann immer wirkt, als hätte er Verstopfung. Vermutlich nicht, denn dann würde er definitiv nicht mehr dieses bekloppte Gesicht ziehen.

Schließlich fährt er sich übers hochrote Gesicht und schnauft wie eine Wildsau. Mit bebender Stimme sagt er: »Miss Keller, ich weiß wirklich nicht mehr, wie ich zu Ihnen durchdringen kann. Egal, was ich sage, egal, was ich Ihnen androhe, es hilft nichts!« Es gab Zeiten, in denen mich seine Worte wütend gemacht haben. Das ist lange her.

»Sie hat's verdient«, brumme ich schulterzuckend und meine damit Lillian, die hohle Nuss. Gelangweilt inspiziere ich meine schwarz lackierten Nägel.

Mir ist klar, dass ich Winters damit nur noch mehr provoziere, aber irgendwie bin ich gerade in Streitlaune. Wie erwartet, explodiert er und schreit: »Auf dem Campus wird sich nicht geschlagen, wir sind hier doch nicht in der Highschool, verflixt nochmal!«

»Nein, Sie haben recht. Das hier ist ein verdammter Zirkus.«

Sein Mund öffnet und schließt sich, wieder und wieder. Goldfisch Winters. Ich verkneife mir ein Prusten.

»Wie können Sie es wagen?! Ich glaube, Ihnen ist nicht im Mindesten klar, was bei Ihnen auf dem Spiel steht! Und dieses Mal wird Ihr Vater Sie nicht aus diesem Schlamassel rausholen können!« Erneut zucke ich mit den Schultern. Mein Vater unterrichtet an diesem College Englische Literatur. Er ist ein angesehener Professor, den die Universität nicht missen möchte. Wir beide wissen also, dass er mich da sehr wohl rausboxen wird.

Plötzlich klopft es an der Tür. Ich drehe mich mit geringem Interesse um. Doch sobald ich meinem Vater gegenüberstehe, richte ich mich auf. Stirnrunzelnd wende ich mich an Winters. »Was soll das? Was macht er hier?«

Professor Keller – mein Erzeuger – gesellt sich zu uns, eine ernste Miene zur Schau tragend. Doch als unsere Blicke sich begegnen, wird der Ausdruck in seinem Gesicht weicher und seufzt. »Beatrice, was machst du bloß für Sachen?« Er ist enttäuscht. Als sich daraufhin ein dicker Kloß in meinem Hals bildet, will ich vor Wut gegen irgendwas treten. Doch ich verkneife es mir.

Betretenes Schweigen dominiert den Raum, als würden beide Männer krampfhaft überlegen, wie jetzt weiter zu verfahren ist.

Es ist nicht so, dass ich einen Studienplatz verlieren könnte – schließlich studiere ich nicht einmal hier. Doch meinen Job könnte ich tatsächlich bald los sein, wie mir mit eisiger Klarheit bewusst wird. Mein Vater war noch nie zuvor in das Büro des Studiendekans beordert worden. Sie haben das immer irgendwie unter sich geklärt, ohne dass ich davon mitbekommen habe. Keine große Sache.

Scheint, als hätte ich heute endgültig den Bock abgeschossen.

»Sie hat mich bespuckt.«

Zwei Köpfe schnellen zu mir herum. Ich kann kaum die Überraschung darüber verbergen, dass mir diese Worte tatsächlich über die Lippen gekommen sind. Hätte ich doch nur die Klappe gehalten.

Empört richtet sich mein Vater auf. Seine sonst so ruhige Ausstrahlung ist wütender Fassungslosigkeit gewichen. »Sie hat was?!«, entfährt es ihm. Ich räuspere mich. »Du hast schon richtig gehört. Sie hat mich angespuckt, als ich im Gang vor den Physik-Labors geputzt habe.« Ich tue das mit einem Schulterzucken ab, scheinbar meiner Lieblingsgeste heute.

Sein Blick schnellt zu Winters, um dessen Reaktion auf mein Gesagtes erfassen zu können. Dieser runzelt lediglich die Stirn, als wäre eine weitere, unerfreuliche Variable in einer Gleichung aufgetaucht, die er doch eigentlich so schnell wie möglich gelöst haben wollte.

BeatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt