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Lane

Ich stehe vor den Flügeltüren von Beats Wohnheim. Es ist ein liebloses, jedoch sauberes Gebäude.

Ganz ehrlich? Ich habe absolut keine Ahnung, was ich hier tue.

Moment, das stimmt so nicht ganz: Ich weiß genau, was ich mache – aber ich weiß nicht, ob ich hier wieder lebend rauskomme. Das trifft es eher. Ich kann es einfach nicht glauben, dass Drew mich tatsächlich überzeugen konnte, diesem irrsinnigen Plan einen Versuch zu geben. Ich muss komplett verrückt geworden sein.

Nachdem ich einen tiefen Atemzug getätigt habe, stoße ich die Türen schließlich auf... nur, um dabei fast Lillian zu erwischen. Verdutzt halte ich inne, während sie erschrocken zurück nach drinnen stolpert. Als die Türen mit einem vernehmlichen Laut hinter mir ins Schloss gefallen sind, frage ich: »Was tust du denn hier?«

Ich erwarte fast, irgendeine unfreundliche Antwort zu erhalten, doch sie sagt mit einem traurigen Lächeln: »Ich habe mich bei Beat für die blöde Aktion letztens entschuldigt.« Da hebt sie den Zeigefinger, als wäre ihr etwas eingefallen. »Und bei dir möchte ich mich bedanken, dass du versucht hast, den Streit aufzulösen.« Peinlich berührt reibe ich mir über den Dreitagebart an meiner Wange. »Naja, hat leider nicht viel gebracht.«

»Trotzdem, die Geste zählt. Also, Danke!«

»Äh, gern.«

Ich will mich mit einem Winken von ihr verabschieden, da fragt sie: »Was tust du hier? Willst du auch zu Beat?« Ich nicke. »Genau, ich will was mit ihr besprechen.«

»Seid ihr irgendwie Freunde, oder sowas?«

»›Oder sowas‹«, entgegne ich nach kurzem Überlegen schließlich grinsend. Keine Ahnung, was Beat und ich eigentlich sind. Wir sind nicht nur Bekannte, aber auch irgendwie keine Freunde. Ziemlich kompliziert, wie man so schön sagt.

Ich weiß nicht genau, wie Lillian meine Antwort versteht, doch als ein wissendes Lächeln über ihr Gesicht gleitet, kommt mir in den Sinn, dass sie es falsch aufgefasst haben könnte. Aber was soll's. Ich könnte mit dem Gerücht leben, dass Beat und ich was am Laufen haben. Schlimmer als die ganze Zeit ›Stay-in-your-Lane‹ genannt zu werden, kann es gewiss nicht sein.

Ich habe Professor Keller, Beats Vater, nach einer Vorlesung auf dem Gang abgefangen. Die Ähnlichkeit zwischen den beiden ist absolut nicht zu leugnen. Beats Züge sind etwas weicher, doch ansonsten ist sie ihm wie aus dem Gesicht geschnitten.

Ich habe ihn in keiner Vorlesung, da er Englische Literatur unterrichtet, weshalb er auch etwas irritiert war, als ich ihm auf dem Gang angesprochen habe. Unter dem Vorwand, Beat etwas zurückzugeben, das sie verloren hat, habe ich ihn gefragt, wo sie wohnt.

Er war zuerst misstrauisch, was ich gut finde. Die Adresse seiner Tochter sollte man nicht so einfach herausgeben.

Zu meinem Glück gab es da jedoch tatsächlich etwas, das sie verloren hat: nämlich einen Schlüsselanhänger in Form einer Tomate, welcher ihr vom Rucksack gefallen sein muss. Als ich gestern durch die Flure gegangen bin um im Sekretariat ein Formular abzuholen, ist mir das runde Ding am Boden direkt aufgefallen. Ich habe es sofort wiedererkannt, da es sich durch die leuchtende Farbe stark von dem Schwarz ihres Rucksacks abhebt.

Die Oberfläche des Anhängers ist zerkratzt. Man sieht deutlich, dass er alt sein muss. Er wirkt, als wäre er bereits oft in die Hand genommen worden. All diese kleinen Eindrücke zusammengenommen führen mich zu der Annahme, dass es sich hierbei um etwas von emotionalem Wert handelt. Vielleicht eine Art Erinnerungsstück. Trotzdem war ich mir nicht sicher, ob das reichen würde, damit er mir sagt, wo ich Beat anfinden kann.

BeatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt