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Beat

Ich bin wütend.

Mit Wut bin ich vertraut, sie ist wie ein alter Sweater, den ich mir hin und wieder überstreife. Nicht dass er bequem oder besonders weich wäre, aber... er ist vertraut.

Doch diese anderen Gefühle, die sich zu der Wut gesellt haben, kenne ich nicht besonders gut. Sie machen mich nervös.

Neben dem überwältigenden Verlangen, meine Faust in Lanes kantiges Gesicht krachen zu lassen, verspüre ich plötzlich auch das Bedürfnis, mich zu einer Kugel zusammenzurollen und zu weinen. Dann ist da noch dieser wirklich fette Kloß in meinem Hals, der beim Schlucken wehtut. Und aus einem mir unbegreiflichen Grund ist da auch Scham. Ich weiß, es ist irgendwie verdreht, mich dafür zu schämen, für Lane scheinbar eine größere Belastung darzustellen, als gedacht, aber... trotzdem tue ich es. Ich schäme mich dafür – was mich wiederum wütend macht, sodass der ganze Zirkel von vorne beginnt.

Lane räuspert sich irgendwann. »Hör zu, ich wollte nicht –« Abwehrend hebe ich meine Hand und unterbreche ihn.

»Halt einfach den Rand«, murmle ich seufzend.

»Aber –«

»Sei still!«, zische ich aufgebracht. Ich sehe aus dem Augenwinkel, wie seine Hände sich um das Lenkrad verkrampfen. Ich nehme einen tiefen Atemzug, um etwas zur Ruhe zu kommen. Schließlich sage ich so gelassen wie möglich: »Mach dir keine Sorgen, ich werde meinen Teil der Abmachung einhalten und eine gute Vorstellung abliefern. Nur... halt einfach die Klappe und tu nie wieder so, als würdest du mich mögen. Ich hasse es, angelogen zu werden.«

»Es war nicht gelo –«

»Hey!«, schreie ich jetzt, woraufhin wir beide zusammenzucken. Meine Ohren klingeln noch immer ein wenig von meiner eigenen Stimme, als ich wütend fortfahre.

»Ich will dein Mitleid nicht! Hast du eine Vorstellung davon, wie scheiße es ist, wenn man herausfindet, dass man die ganze Zeit über lediglich geduldet wurde, dabei aber selber angefangen hat, die andere Person sympathisch zu finden? Nein? Das dachte ich mir. Also, bitte tu mir den Gefallen, Lane Rye, und halt einfach deine beschissene Fresse!« Gegen Ende meiner Ansprache bricht meine Stimme etwas, wofür ich mich vermutlich noch morgen hassen werde. Aber ich kann nichts dagegen tun, dass die Wahrheit weit mehr wehtut, als sie sollte.

Als Lane daraufhin endlich schweigt, weiß ich nicht, ob ich erleichtert oder enttäuscht sein soll.

...

Natürlich rast mein Herz immer noch von all den aufgewühlten Emotionen in mir, die sich nicht so schnell verflüchtigen wollen, als wir ankommen. Doch ich reiße mich zusammen und grinse seinen Eltern durch die Windschutzscheibe zu, weil ich zu meinem Wort stehe.

Lane stellt den Motor ab und scheint für eine Sekunde zu zögern. Doch dann steigt er aus und ich tue es ihm gleich. Gut so, auf eine Diskussion vor den Augen seiner Familie hätte ich nicht im geringsten Lust.

Ich schiebe meinen inneren Aufruhr ganz weit nach hinten, als wäre mein Herz ein überfüllter Kleiderschrank, der eigentlich keine weitere Daunenjacke mehr aufnehmen kann. Unter hohem Kraftaufwand schaffe ich es schließlich, die Türen zu meinem Herzen zu verschließen. Doch ich weiß, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis der Inhalt in einer fulminanten Explosion ans Tageslicht treten wir. Meinen Gefühlsausbruch werde ich jedoch auf heute Abend verschieben müssen, wenn ich allein bin.

»Ist sie das? Mein Gott, du hast gar nicht gesagt, wie hübsch sie ist!«, ruft die Frau mittleren Alters aus, die aller Wahrscheinlichkeit nach seine Mutter ist. Ich spüre, wie ich prompt rot werde und lächle verlegen.

BeatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt