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Beat

Als ich am nächsten Morgen erwache und die Bettseite neben mir leer vorfinde, bin ich kein Stück verwundert. Das bedeutet nicht, dass es mich nicht enttäuscht... aber es überrascht mich nicht. An Lanes Stelle hätte ich vermutlich genau das Gleiche getan und uns damit diesen peinlichen Moment erspart, in welchem wir nebeneinander aufwachen.

Gähnend strecke ich mich und reibe mir anschließend übers Gesicht. Als ich das leise Quietschen der sich öffnenden Tür vernehme, blicke ich auf. Man könnte fast meinen, meine Gedanken haben ihn heraufbeschworen. Ihn, und das Frühstückstablett, welches er in seinen Händen hält. Er lacht leise.

»Finde jemanden, der dich so anschaut, wie Beatrice Keller ihr Frühstück.«

Verlangend strecke ich die Arme nach dem Tablett aus und er grummelt etwas, das wie ›Dir auch einen guten Morgen‹ klingt. Mein Blick ist noch etwas verschwommen, als er sich vorsichtig neben mir auf der Kante der Matratze niederlässt und das Tablett auf meinen Schoß legt. Nachdem ich mich bedankt habe, schaufele ich das Essen geradezu in mich hinein. Ich kann nicht einmal genau sagen, was ich da eigentlich esse – aber es schmeckt wirklich gut.

Als ich fertig bin, fühle ich mich bereits um einiges wacher. Lane selbst sieht auch nicht aus, als wäre er ganz wach. Sein welliges, hellbraunes Haar, welches sonst zumindest einer Frisur ähnelt, steht jetzt von seinem Kopf weg, als wäre ein Windstoß hindurchgefahren.

»Ähm, danke für das Frühstück. Womit habe ich das verdient?« Er lächelt kurz. »Naja, du bist hier schließlich Gast, das ist das Mindeste, was ich für dich tun kann.« Er nimmt das Tablett mit den leeren Tellern, Schüsselchen und dem Glas von meinem Schoß und stellt es neben uns auf den Boden.

»Wann brechen wir auf?«, frage ich und ertappe mich dabei, wie ich hoffe, dass es nicht zu bald ist. Er zuckt die Schultern. »Wann du möchtest. Ich hätte gesagt, so in ein bis zwei Stunden?«

Obwohl ich tatsächlich gern noch länger geblieben wäre, sehe ich ein, dass es das Beste ist und nicke, wenn auch wiederwillig. Schließlich habe ich noch einiges an Stoff für die Uni aufzuarbeiten – wie zum Beispiel den für die Wirtschaftsinformatik-Klausur in zwei Wochen.

Als es schließlich soweit ist, sich zu verabschieden, sticht mich das schlechte Gewissen ein weiteres Mal ziemlich heftig in den Bauch. Lanes Eltern scheinen mich wirklich zu mögen. Ich will mir gar nicht vorstellen, was passiert, wenn Lane und ich uns irgendwann trennen. Die Auswirkungen, die es auf die Beziehung zwischen meinem Dad und ihnen hat, werden sicherlich auch nicht sonderlich witzig. Daran habe ich zum Beispiel nicht vorher gedacht.

Zu meiner Verteidigung kann ich sagen, dass ich nicht wusste, dass unsere Eltern sich so gut gekannt haben. Aber trotzdem: Sobald ich es erfahren habe, hätte ich die Notbremse ziehen können, was ich nicht getan habe. Asche über mein Haupt.

Auf der Rückfahrt hören wir wieder leise Radio, hängen unseren eigenen Gedanken nach und reden nicht viel miteinander. Ich selbst habe nicht das Bedürfnis dazu und auch Lane wirkt, als hätte er Konversation gerade nicht unbedingt nötig.

Je mehr wir uns unserer Kleinstadt Wrytten nähern, desto stärker wird mir klar, dass es das war – dass ich jetzt wieder in mein ›echtes‹ Leben zurückkehre. Denn so verrückt es auch klingt: Es fühlt sich tatsächlich so an, als hätte ich mich in den letzten zwanzig Stunden in einer Art Blase befunden, abgeschieden von dem Leben, welches ich sonst führe.

In ebendieser Blase war ich nicht Beat mit dem Putzjob und den Aggressionsproblemen, die ihre Fäuste nicht bei sich behalten kann. Ich war die Tochter von Professor Keller, einem alten Collegefreund, und Lanes fetzige neue Freundin.

Ich frage mich, ob es merkwürdig ist, dass es mir gefallen hat, mal nicht ich zu sein.

Lane entgeht meine schwermütige Stimmung nicht, was ich an seinem fragenden Blick erkenne, den er mir zuwirft, als wir bei einer roten Ampel halten. Doch ich schüttle nur müde den Kopf und er lässt es auf sich beruhen.

»Soll ich dich bei deinem Wohnheim absetzen, oder magst du noch auf eine Vanille-Cola zu mir vorbeikommen?«, fragt er, als wir uns der Kreuzung nähern, an welcher sich unsere Wege eigentlich scheiden würden. Ich seufze. »Danke für das Angebot, aber ich bin ehrlich gesagt richtig fertig im Moment. Können wir das vielleicht verschieben?«

Lane nickt hastig. »Na klar, kein Stress. Kann ich verstehen.«

Kurz später fährt er auf den Parkplatz vor meinem Wohnheim und stellt den Motor ab. Nachdem ich ausgestiegen bin und mir meine Habseligkeiten vom Rücksitz genommen habe, stehen wir etwas unschlüssig voreinander. Schließlich stelle ich mich kurzerhand auf die Zehenspitzen und umarme ihn. Nachdem wir uns voneinander gelöst haben, seufzt Lane. »Danke nochmal, dass du das alles mitgemacht hast.«

Ich winke ab. »Ach, komm. So wild war es jetzt wirklich nicht und, wie gesagt, ich mag deine Familie. Also gern geschehen.« Er reibt sich den Nacken. »Und was meinen Teil der Abmachung betrifft...«

»Lane, es eilt nicht, okay? Stress dich mal nicht so, wir kriegen das schon hin. Ich bin mir sicher.« Ohne mir in die Augen zu sehen nickt er nachdenklich vor sich hin. Dann blickt er ein letztes Mal zu mir auf, lächelt mich schief an und dreht sich um.

Ich sehe zu, wie er in seinen Wagen steigt, sich anschnallt und langsam losfährt. Ich winke ihm noch hinterher, doch das scheint er nicht zu bemerken. Mit schwerem Herzen betrete ich das Wohnheim.

Tatsächlich stecke ich in Gedanken noch so tief in den vergangenen Stunden, dass ich direkt in eine nach Zimt und Zuckerwatte riechende Person rausche. Noch bevor ich in ihr Gesicht blicke, weiß ich, dass es Georgine ist.

»Beat, meine Güte! Alles okay?«, ruft sie so laut aus, dass man es garantiert durch sämtliche geschlossenen Türen auf dem Gang gehört haben muss. »Ja, alles gut«, erwidere ich betont leise und sie schlägt sich erschrocken die Hand vor den Mund. »Sorry, dass ich so rumschreie.« Ich winke müde ab. »Egal.«

Natürlich kann ich sie nicht damit abspeisen und sie verzieht missbilligend den Mund. »Irgendwas ist doch los. Na komm, wir gehen in mein Zimmer, dann erzählst du mir alles.« Ohne auch nur meine Antwort abzuwarten, packt sie mich am Arm und zieht mich hinter sich her.

Sie öffnet die Tür zu ihrem Zimmer und befördert mich schwungvoll hinein. Sobald die Holztür ins Schloss gefallen ist, bin ich wieder ihrer vollen Aufmerksamkeit ausgesetzt. Mit vielsagend gehobenen Brauen fixiert sie mich. »Also – raus damit!«

Seufzend lasse ich mich im Schneidersitz auf ihren flauschigen Teppich nieder und gebe schließlich nach. Während ich ihr von meinem Tag mit Lane und seiner Familie erzähle, fummle ich am Stoff des Teppichs unter mir herum, damit ich sie nicht ansehen muss. Georgine unterbricht mich kein einziges Mal und als ich dann fertig bin, blicke ich doch hoch.

Ihr blondes Haar fällt ihr in großen Locken über die Schulter, als sie den Kopf schief legt. Und dann stellt sie mir eine Frage, mit der ich nicht gerechnet habe: »Was sagt Lillian zu der ganzen Sache?«

Perplex öffne ich den Mund, welchen ich kurz darauf wieder schließe. »Darüber haben wir nicht gesprochen. Auf dem Campus ist allerdings bekannt, dass Lane und ich jetzt ›zusammen‹ sind. Schätze, sie muss es ebenfalls wissen. Aber dann hat sie es entweder als Gerücht abgetan, oder es ist ihr egal.«

Georgine runzelt die Stirn und fragt: »Wie ernst ist es denn mit euch beiden?« Ratlos hebe ich die Schultern. »Puh, ich habe keine Ahnung, das kann ich jetzt noch nicht sagen. Wir haben uns bisher nur zweimal kurz gesehen und noch kein Date miteinander gehabt. Schätze, das weiß ich erst, wenn ich sie etwas besser kennengelernt habe.«

Meine Zimmernachbarin nickt nachdenklich. »Bevor ihr datet, würde ich ihr an deiner Stelle reinen Wein einschenken.« Etwas zerknirscht stimme ich ihr zu. »Ich weiß, du hast recht.«

Trotzdem kann ich nicht anders, als mich jetzt schon davor zu fürchten. Was wird Lillian denken, wenn sie das erfährt? Wird sie es verstehen oder der Ansicht sein, dass es total gestört ist, dass Lane und ich eine Beziehung faken?

Wie Lillian reagieren wird? Was denkt ihr? 👀

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