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Lane

Mir hätte von Anfang an klar sein müssen, dass sich die Neuigkeit von Beats und meiner ›Beziehung‹ rasend schnell wie ein Lauffeuer auf dem Campus der Ravensen University ausbreiten würde. Zum einen geschah das dann aber doch schneller, als erwartet – und zum anderen nehmen alle an, dass wir tatsächlich ineinander verliebt sind.

Die Blicke, die mir zugeworfen werden als ich den Flur zu meinem Vorlesungssaal entlanggehe, sind unterschiedlich. Manche sind anerkennend, viele überrascht und noch mehr davon einfach nur mitleidig, als wäre ich nun des Teufels Mätresse und hätte meinen sicheren Tod besiegelt.

Irgendwann wurden diese ganzen Blicke und das Getuschel so stressig für mich, dass ich ernsthaft mit dem Gedanken spielte, zwei Löcher in eine Biotüte zu schneiden und mir diese über den Kopf zu ziehen. Doch Drew rettete mich gewissermaßen dadurch, dass er nach der Vorlesung vor der Tür wartete und mich ins Wohnheim begleitete. Jedem, der mir im Gang Aufmerksamkeit schenkte, machte er obszöne Gesten oder starrte sie einfach so lange an, bis sie den Blick abwandten.

»Danke«, murmele ich schließlich peinlich berührt, als unsere Zimmer in Sichtweite geraten. Er winkt locker ab. »Doch nicht dafür.« Als ich mich schon mit einem flüchtigen Winken von ihm verabschieden will, hält er mich an der Schulter zurück. »Nicht so schnell, Freundchen.«

Ich hebe eine Braue. »Freundchen? Wer bist du, mein Vater?«

»Nicht in dem Ton, mein Sohn!«

Schnaubend verdrehe ich die Augen und murmle: »Scherzkeks.«

Ich schließe die Tür zu meinem Raum auf, Drew drängt sich an mir vorbei und lädt sich damit gewissermaßen selbst ein. Resigniert seufzend schließe ich hinter ihm wieder ab. Als ich mich zu ihm umdrehe, hat er es sich bereits auf meinem Bett mit einer Dose Vanille-Cola bequem gemacht.

»Ich würde ja sagen ›Kann ich dir irgendwas anbieten?‹, aber wie ich sehe, hast du dir bereits selbst geholfen.« Er zwinkert. »Kennst mich doch.«

Ich lasse mich auf meinem Drehstuhl nieder und wende mich ihm zu. »Also, womit habe ich diese Ehre verdient?« Gespielt entrüstet richtet er sich auf. »Kann ich denn nicht bei meinem besten Freund abhängen, ohne einen Grund dafür haben zu müssen?«

Ich verschränke die Arme. »Ich kenne dich. Irgendwas liegt dir auf der Zunge«, stelle ich schließlich schlicht fest. Drew nimmt einen tiefen Schluck von der Cola und verzieht dann das Gesicht. »Ich werde niemals verstehen, wie du dir das Zeug freiwillig geben kannst.«

»Erstens, dann lass einfach die Finger davon und zweitens, lenk nicht vom Thema ab.«

Ein ironisches Zucken umspielt seine Mundwinkel und er hebt beschwichtigend die Hände. »Ist ja gut, Laney. Gleich auf den Punkt, wie immer, was?«

»Exakt. Also, sag schon. Du machst mich ganz nervös, wenn du so lange um den heißen Brei herumtanzt.«

»Kein Grund, gleich zu stressen. Ich wollte eigentlich nur mal abchecken, wie es dir geht. Mit Beat, deinen Eltern – du weißt schon.« Ich will schon entgegen, dass das nicht nötig ist, da wir uns ohnehin ständig sehen. Doch dann wird mir klar, dass es schon mehrere Tage her ist, dass wir gesprochen haben. Seitdem ist eine Menge passiert, zumindest fühlt es sich so an.

»Naja, eigentlich läuft alles, wie es laufen sollte«, sage ich. Prüfend mustert er mich und legt den Kopf leicht schief. »Trotzdem stört dich irgendwas.« Er hat recht, natürlich hat er das. Es sind Momente wie diese, in denen es mich nervt, dass er genau weiß, dass etwas nicht ganz stimmt.

Ich kann ihm nicht sagen, was es ist, das mich stört – zumindest nicht alles.

Drew war derjenige, der mich davor gewarnt hat, Beat zu sehr zu mögen. Der Gedanke, zu ihm eine weitere zusätzliche verbündete Person zu haben, ist so verdammt verlockend. Die Illusion, Beat und ich könnten wirklich Freunde sein und doch besser miteinander funktionieren, als gedacht, ist einfach zu schön. Aber das ist das Problem: Es ist nur eine Illusion. Wenn ich ihr davon erzählen würde, bekäme ich vermutlich nicht viel mehr, als ein spöttisches Lachen ins Gesicht.

»Du magst sie, oder?« Ach, verdammt nochmal.

»Sie ist tatsächlich nicht so schlimm, wie ich am Anfang gedacht habe. Wir verstehen uns ganz gut, das mit unserer Abmachung wird kein Problem sein«, versuche ich, es herunterzuspielen. Ich kann nicht genau sagen, ob Drew mir das abkauft. Schließlich wendet er den Blick ab und sagt nur: »Pass einfach auf, dass sie dir am Ende keine Probleme macht.«

Am liebsten würde ich sie verteidigen und sagen ›Sie ist nicht so, wie du denkst!‹, denn ich kann nicht leugnen, wie sehr es mich stört, dass Drew sich von Beats rauer Schale täuschen lässt. Aber ich bleibe still, denn ich habe Angst, dass er versucht, mir dann die ganze Aktion auszureden – obwohl sogar er derjenige war, der sie ursprünglich vorgeschlagen hat.

Außerdem ist da eine ganz leise Stimme in mir, die flüstert, dass er recht haben könnte und ich mich vielleicht in ihr täusche. Doch ich schätze, das Risiko werde ich eingehen müssen. Wir haben eine Abmachung, bei der am Ende etwas für beide Seiten rausspringen soll. Wenn ich nicht will, dass das alles sehr viel komplizierter wird, als es sein muss, sollte ich aufhören, mir so viele Gedanken zu machen und mich endlich auf das eigentliche Ziel konzentrieren.

Als hätte Drew meine Gedanken gelesen, sagt er jetzt in die kurze Stille hinein: »Bleib einfach bei der Sache, dann wird das schon alles.« Ich nicke. »Ja, sicher.«

»Wie läuft es eigentlich mit dem Plan soweit?«, fragt er und trinkt einen weiteren Schluck seiner Cola. Als er wieder das Gesicht verzieht, nehme ich sie ihm augenrollend ab und leere den Rest in einem Zug. Dann antworte ich: »Ganz gut, würde ich sagen. Vielleicht geht es etwas zu schnell für sie.«

»Oh, warum das?«

Ich zucke die Schultern. »Naja, dieses Wochenende besuchen wir schon meine Eltern. Die sind schon komplett aus dem Häuschen, du hast keine Ahnung.«

»Und wie kommst du darauf, dass es ihr zu schnell gehen könnte? Hat sie was gesagt?«

Ich hebe abermals die Schultern. »Keine Ahnung, ist nur so ein Gefühl. Als wir am See waren –«

»Moment mal!«, unterbricht Drew mich. Verdutzt halte ich inne. »Äh, ja?«

»Ihr wart am See?! Zu zweit?!«, ruft er aus. Ich runzele die Stirn. »Ja, was ist so besonders daran?«, frage ich, doch er geht nicht auf meine Worte ein. »Ihr wart zusammen am See, so mit Wasser, Badesachen, Geplantsche und dem ganzen Zeug?« Ich blinzele langsam und murmle gedehnt: »Jaaa?« Ich weiß wirklich nicht, auf welchen Dampfer er mit seinen Gedanken gerade gesprungen ist – aber es scheint ein sehr wilder zu sein, dem schnellen Gefuchtle seiner Arme nach zu urteilen.

»Du gehst auf ein Date mit Beat und sagst mir nichts?!«

»Das war doch kein Date! Wir dachten nur, es wäre nicht falsch, sich etwas besser kennenzulernen, bevor –«

»Genau das tut man auf Dates, du Dumpfbacke!«

Ich stöhne genervt. »Das war kein Date, jetzt hör auf zu nerven!«

»Klar war es eins!«

»Nein, war es nicht! Oder datet man sich seit neuestem, wenn man kurz davor ist, eine Fake-Beziehung einzugehen?«

Drew öffnet den Mund und setzt bereits an, mit mir weiterzudiskutieren. Doch dann schließt er nur den Mund und winkt seufzend ab. »Ach, was soll's, ich habe dich gewarnt. Am Ende siehst du selbst, was du davon hast.«

»Es war doch nur ein harmloser Ausflug an den See, mein Gott«, brumme ich jetzt. Mein Magen fühlt sich an, als läge ein kleiner Stein in ihm. Mir gefällt dieses Gefühl nicht. Ich weiß, dass Drew es nur gut meint und er ist auch bei weitem nicht so lästig in seinen Ratschlägen, wie meine Eltern es sind. Trotzdem kann ich die Parallele zu meiner Situation mit ihnen in diesem Moment nicht leugnen.

Drew presst kurz die Lippen aufeinander und scheint seine nächsten Worte sorgfältig abzuwägen. Dann sagt er: »Pass auf, ich will dich nicht nerven und es tut mir leid, wenn es dir gerade ein wenig zu viel wird. Ich glaube, Beat hat euer Treffen auch nicht unbedingt als Date aufgefasst und ich will ihr nicht unterstellen, dass sie dir vorsätzlich wehtun würde. Das habe ich dir schon einmal gesagt und ich sage es nochmal: Auf mich wirkt sie, als hätte sie eine Menge persönlicher Probleme, mit denen sie sich rumschlägt. Schau, dass du dich da nicht reinziehen lässt.«

Ich nicke und sage, dass ich es im Kopf behalten werde. Mein bester Freund scheint zu merken, dass ich nicht länger darüber reden will und wechselt das Thema. Trotzdem kann ich nichts dagegen tun, dass Drews Warnung unablässig in meinem Kopf kreist, wie ein Karussell, dem die Sicherungen durchgebrannt sind.

BeatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt