Kapitel 21

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Alejandro

Frustriert riss ich meine Fänge aus ihrem zarten Fleisch und zerrte mit meiner Hand, deren Finger ich fest in ihren goldenen Haaren vergraben hatte, ihren Kopf nach hinten. Warum war ihr Blut so lasch? So fad? Wo war de prickelnde Süße? Die herbe Erlösung im Abgang? Und weshalb erfüllte es mich nicht so, wie es das von Rosana einst getan hatte?

Mit einem animalischen Knurren schleuderte ich Claire von mir. Sie knallte gegen die Wand des Hauswirtschaftsraum, in welchen ich das dumme Gör in der Regel immer dann zerrte, wenn ich in der Schule Hunger bekam. Wie eine nutzlose Puppe rutschte sie zu Boden. Ein Hauch von Körperspannung wäre wohl zu viel von diesem elenden Haufen verlangt gewesen. Wimmernd kauerte sich das Mädchen zusammen und versucht mit zitternden Finger, die Blutung an ihrem Hals zu stoppen. In dicken Bächen rannen ihr Tränen über die Wangen und malten mit der schwarzen Farbe, die sich das dumme Ding immer um die Augen schmierte, abstrakte Kunst auf ihr Gesicht.

Mein verdammter Bruder hatte das Gemälde sicher angehimmelt.

»Mach was, dass das aufhört, ich verblute«, jammerte Claire, ihr dämliches Goldkettchen war getränkt von der roten Flüssigkeit.

Ich schnaubte und wischte mir mit dem Handrücken über den Mund. »Wirst du schon nicht, mach das Tuch drum und steh auf.«

Wieder schüttelte sie ein Schluchzer. »Ich kann nicht alles dreht sich.«

Mit einem raschen Schritt war ich bei ihr. Was bildete sich diese Hure eigentlich ein? Ich war nicht ihr Vater. Sie sollte gefälligst selbst um sich sorgen. Mit unmenschlicher Schnelligkeit packte ich sie oben an der Knopfleiste ihre teuren Bluse und zwang sie auf die Beine. »Hätte ich gewusst, wie anstrengend deine Gegenwart ist, hätte ich dich erst gar nicht genommen«, fauchte ich. »Das wird gleich aufhören zu bluten. Du hast vergessen, wo du stehst. Halt gefälligst dein vorlautes Maul und wisch dir dein Gesicht ab. So kannst du dich nicht in meiner Anwesenheit präsentieren, du dummes Gör.« Damit stieß ich sie zu Boden und fuhr herum.

Lästig war Claire geworden. Ständig wollte sie mit Lappalien meine Aufmerksamkeit erhaschen, das Mädchen bettelte förmlich darum. Anfangs hatte sie noch gedacht, dass ich ernsthaft eine Beziehung mit ihr führen wollte, doch inzwischen sollte selbst diese Hure verstanden haben, wo ihr elender Platz war. Die Blondine war gut genug, wenn ich Hunger hatte; verspürte ich Lust, nahm ich sie mir - allerdings ging es bei dem Akt ausschließlich um meine eigene Befriedigung. Was kümmerte mich, ob sie auf ihre Kosten kam? Ihr Wert unterstieg beinahe den eines Blutbeutels.

Und je öfter ich sie missbrauchte, desto mehr zweifelte ich den Grund an, weshalb wir nur mit verbundenen Augen trinken durften. Denn auch wenn ich schon die ganze Zeit mit hervorragender Sicht auf das Mädchen von ihr gekostet hatte, waren in mir nie ein Gefühl gekeimt. Stattdessen wurde ich immer und immer frustrierter, dass sie weder wie Rosana noch wie eines der anderen Köstlichkeiten von zu Hause schmeckte.

Noch eine Tatsache, die ich schmerzlichst vermisste: die schier unerschöpfliche Auswahl an verschiedenen Blutsorten. Auf Dauer wurde Claires Blut in der Tat sehr langweilig und auch die seltenen Seitensprünge auf wilden Feiern befriedigten mich nur wenig.

Aber vielleicht ließen sich hier in der Schule einige neue Nahrungsquellen erschließen. Schließlich musste mein werter Bruder in der ganzen Zeit ebenfalls ein Opferlamm gehabt haben.

Noch immer wimmerte Claire auf dem Boden und versuchte mit verschmierten Finger, die dunklem Flecken auf ihrem Gesicht zu wischen. Das Blut suppte stetig aus der Wunde an ihrem Hals und ich erbarmte mich. Seufzend zog ich das Gör hoch und begann, das Blut anzulecken. Sie leistete nicht den geringsten Widerstand; inzwischen war auch ihr bewusst geworden, dass ihre Verletzung schneller heilen würde, wenn ich mein Speichel darüber verteilte. Ich hingegen tat es nicht, weil ich der Hure helfen wollte. Im Gegenteil, meine Blutlust war einfach viel zu groß, als dass ich einen Tropfen davon unnütz verschwenden würde. Zu viel Macht steckte darin. Selbstwenn es nur fad schmeckte wie das von Claire. Dennoch war es die kostbare Lebensessenz, welche uns mithilfe der Runen den Zugriff auf Magie gewährte.

Seelenschreiberin (Doppelband)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt