Kapitel 11

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Logan

Dienstag. Es war gerade einmal Dienstag. Und innerhalb einer Woche war so unglaublich viel geschehen. Dass vermutlich größte Highlight war das Erscheinen von Lorenzo und Alejandro. Wobei keiner besser als der andere war. Lorenzo war unteranderem dafür zuständig, dass es meiner besten Freundin so abscheulich ging.

Beziehungsweise Álvaros Verhalten, welches auf Lorenzo basierte.

Es tat mir im Herzen weh, sie so deprimiert zu sehen. Zwar ging die Kleine wieder zur Schule, mied den Schweinehund aber wie die Pest, obwohl ich wusste, wie gern sie beim ihm wäre. Und auch, wenn meine Gefühle für diese Mädchen alles überstiegen, was man als Mensch empfinden konnte, und ich sie mehr wollte, als jede andere, so wollte ich, dass Lucinda glücklich war. Dazu brauchte sie leider Gottes aber diesen Scheißkerl.

Alejandro hatte ich bis gestern nicht ein einziges Mal zu Gesicht bekommen. Das war auch gut so gewesen, Luz machte sich schon genug Gedanken um Álvaro und Lorenzo. Sie konnte nicht noch ein Konfliktpunkt brauchen. Ersteinmal musste sich die Sache mit ihrem Vampir klären.

Ja verdammt, auch wenn dieser ihr so sehr wehgetan hatte, meine beste Freundin war vorgestern panisch fast zusammengebrochen, weil ihr aufgefallen war, wie lange Álvaro schon kein Blut bekommen hatte und wie schlecht es ihm gehen musste. Vermutlich sollte man an der Stelle ergänzen, dass sie eigentlich überhaupt nicht gewillt war, ihn von sich etwas zu geben, zum einen, weil das Mädchen das beißen kaum ertrug, andererseits, weil die Kleine ihn noch nicht einmal ansehen konnte, ohne, dass es wehtat.

Das Schlimme war ja auch noch, dass ich sie verstehen konnte. Und selbst wenn mir bei dem Gedanken, dass Álvaro starb, mulmig wurde, wusste ich auch um die fatalen Folgen, die sein Tod mit sich bringen könnte.

Dass er dann gestern Vormittag auch noch völlig fertig durch die Gegend gewandelt war, hatte die Situation nicht gerade gebessert. Nur sehr schwer hatte ich Luz davon abhalten können, sich ihm anzubieten. Denn das war unter ihrer Würde.

Außerdem besaßen Probleme manchmal sie Gabe, sich von alleine in Luft aufzulösen. So war Álvaro in der Mittagspause auch wieder komplett auf der Höhe. Zwar bedachte Luz diese Tatsache mit Argwohn, sagte aber nicht dazu.

Heute morgen hatte sich allerdings eine weitere Katastrophe eingeschlichen. Wir Jungs hatten und nichtsahnend in der Umkleide umgezogen, bis Gael plötzlich völlig verschwitzt hineingestürmt war und irgendetwas davon brabbelte, zu spät zu sein.  Er schenkte Ash und mir kaum Aufmerksamkeit und riss sich die Klamotten förmlich vom Leibe.

Der Kerl, der nach ihm eintrat, war der eigentliche Schock gewesen.

Erst dachte ich, es wäre Álvaro. Der Typ sah nahezu genauso aus wie er. Doch dann fielen mir seine Haare auf, die, statt bis zur Brust, nur bis zu seinem Schultern fielen. Seine Augen waren irgendwie schmaler und das Gesicht hatte eine unnatürliche Schärfe des Schnittes, welche Álvaro erspart geblieben war.

Dem älteren Bruder war der Schock darüber, dass Alejandro vor ihn stand, in den schwarzen Augen abzulesen gewesen. Erst da war mir eingefallen, dass Lucinda ihn zwar über das Erscheinen seines Bruders aufklären wollte, der es sich selbst jedoch durch seine Liebschaften mit Lorenzo versaut hatte. Somit war er genauso überrumpelt, wie Luz es letzte Woche gewesen war.

Lorenzo war es gewesen, welcher die Situation gleichermaßen gerettet und versaut hatte. Zusammenhangslos hatte er Álvaro einen Kuss auf die Wange gedrückt und zu den Toiletten gegangen. Vermutlich war dem Blondchen gar nicht aufgefallen, wer da die Umkleide betreten hatte. Alejandro was anschließend dazu über gegangen, sich umzuziehen, wortlos und ohne seinen Bruder zu beachten.

Seelenschreiberin (Doppelband)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt