Kapitel 17

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Álvaro

Das Silberbesteck klirrte. Allerdings war das auch schon das einzige Geräusch im Saal. Aleli rutschte neben mir unruhig auf ihrem Stuhl herum; da sie eine kleinere Portion bekomme hatte, war sie schon fertig. Auch der Teller ihrer Zwillingsschwester neben ihr war fast leer. Alejandro links von mir schnitt gerade elegant ein Stück von seinem Hirschrücken ab, tunkte es in die dunkle Sauce und ließ es in seinem Mund verschwinden.

Ich hingegen bekam kaum einen Bissen herunter, ab und an zwang ich mir zwar etwas rein, aber ich schmeckte nahezu nichts. Es war nicht so, dass ich krank war oder etwas in die Richtung. Mich hatte es auf eine andere Art erwischt.

Schon als wir zum Essen gerufen wurden waren, hatte es sich anders als sonst angefühlt. Dazu kam, dass mehr Teller auf der Tafel standen, als sonst üblich, was auf Besuch hindeutete.

Dass dieser aber mein Leben ändern würde, hätte ich nicht gedacht.

Aquila hatte uns anschließend angekündigt, dass wir Besuch bekommen würde, für meine Schwester hätte er wohl einen Mann gefunden und würde diesen gerne uns allen vorstellen. Dessen Familie würde heute Abend mit uns speisen.

Solea trug heute ein sehr hübsches Gewand, ganz in Schwarz, bestickt mit rotem Garn, sanft warf der Stoff weiche Falten und betonte ihren attraktiven Körper. Der Rubin an ihrer Kette funkelte im Kerzenlicht. Ihre Haare waren wie immer zu einer komplizierten Frisur geflochten, ansonsten sah sie mir und meinen Geschwistern sehr ähnlich.

Der Mann, der für sie in Frage kommen würde, saß neben ihr, aufrecht, fest, sicher. Solea starrt ihn die ganze Zeit bewundernd an. Permanent zuckten ihre Augen zu ihm rüber, sie lächelte ihn an.

Das Problem war nur, dass es mir genauso ging. Zwar zwang ich mich eisern, nicht durchweg zu starren, allerdings konnte ich mir vereinzelte Blicke partout nicht verkneifen. Der Mann war aber auch unverschämt hübsch. Leicht schmale, leuchtend grüne Augen, strahlend wie zwei Edelsteine; seine goldenen Haare fielen glänzend in sanften Wellen bis zu seiner Schulter. Vorhin hatte er sich eine Strähne hinters Ohr gestrichen und dabei so umwerfend gelächelt, dass sich meine gesamten Innereien einmal umgedreht hatten. Das Flattern in meinem Bauch war kaum auszuhalten gewesen.

Das war auch der Moment gewesen, als mir bewusst wurde, dass ich niemals eine Frau so lieben könnte; zumindest nicht so, wie ihn.

»Eure Majestät, ich spreche Euch tiefste Dankbarkeit aus. Es ist eine sehr große Ehre für unsere Familie, dass Ihr mit dem Gedanken spielet, Eure reizende Tochter mit unserem ältesten Sohn zu vermählen.«

Mein Blick schweifte nach rechts. Am Kopfende der Tafel saß Caméon Moreno. Seine dunkelblonden Haare fielen glatt bis zur Schulter, die Augen waren schmal und von einem wachsamen Blau. Dazu kamen ebenso schmale Lippen und eine gerade Nase, die Schärfe des Gesichts wurde von wild verstreuten Sommersprossen aufgelockert. Das beige Hemd war bis nach oben zugeknöpft, sein dunkles Gewand fiel ihm sanft über die Schultern.

»Ihr vergesset, dass ich sie nicht zwingen werde«, warf mein Vater ein, der am anderen Kopfende der Tafel saß. »Wenn es ihr Wille ist, wird Ihr Sohn Lorenzo die Erlaubnis erhalten, sie heiraten zu dürfen; in frühstens einem halben Jahr, Ihr kennet die Regeln, Mylord.«

Die Regeln. Ja. Die Mädchen wurden nach ihrem sechzehnten Lebensjahr verheiratet, allerdings hatte der Mann vorher ein halbes Jahr Zeit, seine Herzensdame von sich zu überzeugen.

Bei uns Männern war es ähnlich. Wir konnten ungefähr ab dem neunzehnten Jahr heiraten. Auch hier galt die Frist von sechs Monaten. Ich würde meine zukünftige Frau also auch erst eine Weile begutachten können.

Seelenschreiberin (Doppelband)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt