Kapitel 26

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Logan

Federleicht und seidig zart strich er ihr eine der langen Strähnen aus ihrem hübschen Gesicht. Dabei waren seine Finger so vorsichtig, als fürchtete er, sie mit einer falschen Bewegung zu verletzten. Als wäre das Mädchen zerbrechlich wie eine Seifenblase.

»Sie sind echt süß zusammen.« Jean stellte sein leeres Glas neben mich auf die Bar. »Und die Bilder von den beiden sind echt gut geworden, also ohne mich hier unnötig loben zu wollen.« Frech zwinkerte er mich an.

»Die Bilder waren wirklich gut«, stimmte ich ihm zu.

Eiswürfel klimperten in meinem Glas, als ich es beiläufig schwenkte. Ich nippte an meinem Drink. Kalt rann der Scotch meine Hals hinab. Der Alkohol brannte angenehm in meiner Kehle.

Ich hatte mir die Bilder mehr als einmal angeguckt. Álvaro und Lucinda sahen auf ihnen wirklich aus wie ein Paar. Und jedes Mal war ich mich sicherer geworden, dass sie zusammen keine gute Idee waren. Er war einfach zu kalt. Zu animalisch. Zu unmenschlich. Ich konnte ihn einfach nicht einschätzen. Der Kerl war nahezu unberechenbar.

Unberechenbar gefährlich.

Meiner besten Freundin jedoch schien er etwas zu bedeuten. Luz war diese Woche erstaunlich gut gelaunt gewesen. Oft hatte sie gelacht. Sie wirkte glücklicher.

Und in jeder Pause war Álvaro bei uns gewesen. Permanent. Nicht ein einziges Mal hatte ich meine beste Freundin in der letzten Woche alleine erwischt.

Langsam konnte ich es wirklich nicht länger leugnen. Ich mochte ihn einfach nicht. Um nicht gar zu sagen, ich hasste ihn. Álvaro war nicht gut für das Mädchen. Verdammt, er stand auf Männer, da war es vorprogrammiert, dass er nur mit ihr spielen und sie verletzten würde.

Das hatte Lucinda nicht verdient.

Ein Typ, der ihr jeden Wunsch von den Lippen ablas und sie behandelte wie eine Königin, war gerade gut genug für sie. Er musste sie lieben wie Scrat seine Nuss. Mindestens.

»Hey, Logan!« Jean schnippte mit seinen Fingern vor meinem Gesicht herum. Seine Stimme verlor sich fast in der lauten Musik, der Bass vibrierte in meiner Brust. Bunte Lichter flackerten wild durcheinander und ließen die Situation irgendwie abstrakter wirken, als sie war.

»Hm?«

Jean seufzte und fuhr sich durch die Haare, der lilane Ansatz leuchtete im bunten Licht. »Hast du mir echt nicht zugehört?«

Mein Blick schweifte wieder zu den beiden. Sie tanzten eng beisammen - dass der DJ jetzt Schnulzenlied anstimmte, passte zwar weniger zum Thema Disco, dafür aber hervorragend zu der Situation. Zärtlich glitt seine Hand über ihre Taille und zog das Mädchen näher an sich.

Shira strahlte ihn an. Ruhig erwiderte Ash diese Geste.

Ich war neidisch auf die beiden. Und ich hasste mich dafür.

Eigentlich hatte ich noch nie eine Freundin gehabt. Zumindest nicht so richtig. Natürlich hatte ich hier und da mal was am laufen, aber nicht ein einziges Mal hatte ich ein Mädchen so nah an mich ran gelassen. Wieso das so war, wusste ich nicht.

»Nein«, antwortete ich Jean, der mich nach wie vor verständnislos ansah.
Er seufzte. »Du vergisst, warum wir hier sind. Du brauchst mal wieder ein Mädchen. Außer natürlich du hast zwischenzeitlich das Ufer gewechselt. Dann kann ich dir gern weiterhelfen, kenne da ein paar gute Bars und so.«

»Jean!«, unterbrach ich ihn, konnte aber ein Lächeln nicht unterdrücken. »Keine Angst, ich mache dir dein Revier nicht streitig.«

Er grinste mich an. »Auch gut. Aber dein Mädchen wird sicherlich nicht hier her zu dir kommen und das Steuer übernehmen; du weißt doch, das weibliche Geschlecht neigt dazu, nur im Rudel aufzutreten. Ich bin ganz sicher, dass du so eine auch nicht haben wollen würdest. Also los, ab mit dir, such dir was. Ich meine, sogar Gael bemüht sich.« Er wies in die Menge.

Seelenschreiberin (Doppelband)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt