#51 water color

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Aufgeregt hüpfte die 5 Jahre alte Claire um ihre beste Freundin herum. So lange hatten sie bei ihrer Mutter betteln müssen, um jetzt hier zu stehen... Am Steg neben einem groooooßem Schiff auf dem Fluss. Aus ihren Kinderaugen sah es wirklich so riesig aus, weshalb sie immer wieder erstaunt zuguckte, wie alles vorbereitet wurde. Auch Linda grinste über beide Ohren, während Linda's Mutter in ihrer Tasche nach Unterlagen kramte. Es war der erste Tag des Stadtfestes, welches alle 50 Jahre stattfand und die beiden kleinen Mädchen durften mit auf die große Fahrt übers Wasser. "Kinder, bitte bleibt bei mir und lauft nicht los, auch wenn gleich die ersten Leute an Bord gehen", meinte die Erwachsene, welche sich bereiterklärt hatte, für die beiden Mädchen zu sogen. Es wurde voller und schon bald wurde eine große grüne Rampe hergeschoben. Es dauerte etwas, bis sie sicher angelegt wurde, sodass auch die drei inzwischen in der Schlange standen. Claire sah sich um und beobachtete die Arbeiter, bis ihr Blick auf zwei Jugendliche fiel. Sie wirkten traurig, gaben sich einen Kuss und dann ging der Junge ein Schritt zurück, während das braunhaarige Mädchen zu ihren Eltern in die Warteschlange lief. Claire konnte nicht verstehen, warum sie traurig waren, aber bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, setzten sich die Menschen langsam in Bewegung, denn die ersten betraten schon die Rampe. 

An Bord gingen sie nach oben an Deck, von wo aus die beiden Mädchen einen tollen Überblick über den Platz hatten. Sie genossen das noch gute Wetter und wenig später wurde der Motor mit einem lauten Grollen angemacht. Claire fuhr der leichte Wind durch die Haare und begeistert sah sie hinunter aufs Wasser, während sie ablegten. Das Schiff wendete, das laute Geräusch verstummte und dann ging es den Fluss hinauf. Es wurde breiter und windiger. Bald konnten sie nichts mehr sehen von den Feierlichkeiten der Stadt und irgendwie war es sehr friedlich hier draußen. Linda's Mutter stellte Kekse und Apfelschorle auf den Tisch, doch wirklich viel aßen sie nicht davon. Das Wasser unter ihnen, welches in schaumig weißen Wellen vom Schiff bewegt wurde, war wesentlich interessanter. 

Doch es blieb nicht lange so ruhig, denn auf einmal ertönte neben den krachenden Wellen noch etwas anderes. Erschrocken sah Claire nach oben. In ihrer Begeisterung hatte sie nicht bemerkt, wie düster der Himmel auf einmal wurde. "Ich dachte heute sollte die Sonne scheinen", schmollte die kleine Claire. "Ja, das stimmt. Aber egal, solange es trocken blieb". Doch genau in dem Moment landete schon der erste Tropfen auf Claires Hand. So, wie der Himmel auf einmal aufriss, kennt man das Wetter nur an der hohen See. Der Wind wurde stärker und es fing langsam an, immer schlimmer zu regnen. Die Besucher flüchteten unter Deck und auf einmal wirkte das riesige Schiff nur noch winzig klein. Die Wellen wurden stärker, teilweise waren die Fenster unter Wasser. "Linda, ich habe Angst", sagte Claire noch und die beiden Mädchen hielten sich in den Armen. "Es wird alles gut, dass zieht gleich vorbei", versuchte Linda's Mutter zu beruhigen. Da entdeckte Claire das braunhaarige Mädchen von vorhin. Sie tippte auf ihrem Handy herum und sah immer wieder sorgenvoll nach draußen. Im nächsten Moment brach Panik unter den Passagieren aus, welche aus dem untersten Deck nach oben gestürmt kamen. Schnell verbreitete sich die Stimmung und Claire war total verwirrt, was vor sich ging. Es wurde voller und sie wurde etwas von Linda und ihrer Mutter weg gedrängt. Sie war noch klein und überfordert mit der Situation, also begann sie zu weinen. Es ging alles so schnell und plötzlich fand sie sich im Wasser wieder...

Claire riss die Augen auf und fing an zu husten. Sie setzte sich auf und lehnte sich nach vorne. Sie war in ihrem Zimmer, eingewickelt in einer Bettdecke, erwacht aus einem Albtraum, ihrer Erinnerung. Es war Dienstag Morgen. Völlig durch den Wind setzte sie sich an die Bettkante und starrte ins Leere. Dieses Fest damals... dieser Ausflug... nur deshalb ist ihr Leben so, wie es jetzt ist. Diese kleine Fahrt ruinierte ihr Leben, dabei war sie doch erst 5 Jahre alt gewesen.
Das Unglück ging in die Geschichte der Stadt ein und wurde bis heute nicht erklärt. Niemand sah dieses Unwetter kommen und das Schiff hatte wohl eine Sicherheitslücke gehabt. Dennoch hätte das nicht passieren können und dürfen. Wie auch immer, die Stadt wurde nach dem Vorfall verklagt, aber es änderte nichts an dem, was passiert war. Zudem wurde nie ein offizieller Grund festgelegt.

Claire blieb noch einen Moment sitzen, bevor sie einen Blick auf die Uhr warf und direkt aufsprang. Es war ausnahmsweise mal wichtig, pünktlich an der Schule zu sein, denn der private Bus zur Schwimmhalle fuhr nur einmal. 

Schwimmen... das war das Letzte, was Claire jetzt gebrauchen konnte.

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Keine Sorge, der zweite Teil der Vergangenheit wird auch bald kommen und auch der Rest wird sich jetzt nach und nach klären. Aber vorher wartet erst noch eine tolle Doppelstunde Schulschwimmen auf Claire...

Danke fürs Lesen ❤️

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